Mit einer melancholischen Musik im Hintergrund spricht ein iranischer Sänger mit Corona! Er stellt dem Virus die Frage, in wessen Auftrag es handelt: „Wer hat dir die Macht gegeben, in so einer kurzen Zeit die Welt auf den Kopf zu stellen, Familien voneinander zu trennen, zwischen Freunden und Nachbarn eine Sicherheitswand zu errichten und sogar Ärzte in den Zustand der Angst vor den Patienten zu versetzen?“ Er bedient sich nicht irgendwelcher Verschwörungstheorien, ob die Großmächte oder Pharmaindustrie ihre Hände im Spiel haben. Er ist davon überzeugt, dass Corona nur durch Erlaubnis Gottes handeln kann. Es ist Gott, der sein pädagogisches Konzept einsetzt. Die Schöpfung brauchte Ruhe vor unermesslicher Hab- und Gewinnsucht, und der Mensch brauchte eine Pause, um darüber nach zu denken, dass die Welt nicht nur aus Macht und Gewinn besteht. Corona zeigte, wie ohnmächtig und verletzbar der mächtige Mensch ist.
Die Zwangspause führte zu dem erstaunlich schnellen Regenerieren der Umwelt. Reduzierte Schadstoffe und Lärm schenkten uns einige Wochen gespenstische Ruhe. Gewiss, die Sorgen um Verlust der Arbeit und Existenzängste überschatteten diese Ruhepause, und es war hauptsächlich die Sorge um materiellen und wirtschaftlichen Verlust, die stets zu hören und zu sehen war.
Dass diese außergewöhnliche Situation die Menschen zum Nachdenken und Umdenken bewegen sollte, war möglicherweise die göttliche Zielsetzung in seinem pädagogischen Konzept, die scheinbar noch nicht ganz erfüllt ist. Denn jetzt heißt es so schnell wie möglich zurück zur „Normalität“. Damit ist gemeint, die Wirtschaft wieder ganz hochzufahren, um den verlorenen Gewinn einigermaßen wiederzuerlangen. Die aufatmende Natur kann wieder ersticken, damit der Mensch effizienter und schneller wirtschaftlich wächst. Erstaunlich ist, welche finanziellen Hilfen für große Konzerne möglich sind, während ein Bruchstück davon den hungernden Kindern helfen könnte, deren Bilder wir seit Jahren regungslos an uns vorbeiziehen lassen.
Hatten wir nicht einige Wochen die Möglichkeit, darüber nachzudenken, ob auch ein Leben mit weniger möglich ist? Hatten wir nicht die Zeit, Maßstäbe für eine neue „Normalität“ zu setzen, die mehr menschenwürdig ist?
Es gibt keine „gute alte Zeit“ zu der man sehnsüchtig zurück will und kann. Die alten Zeiten und Traditionen beinhalten wertvolle Schätze, die uns als Zeichen dienen können. Diese Zeichen zu entziffern und aus ihnen Impulse für neue Wege zu erschließen, machen die alten Zeiten und Traditionen zu guten Quellen, aus denen die frischen Ideen für die Zukunft sprudeln.
Ein gutes „zurück zur Normalität“ bedeutet nicht, alles so zu machen wie bisher , sondern die schlechten Gewohnheiten zu erkennen und sie herauszufiltern und mit frischen Ideen eine neue Normalität zu schaffen, in der alle Menschen teilhaben können und Menschlichkeit und Gerechtigkeit vor mehr und noch mehr Gewinn stehen. Vielleicht bekommen nun auch die Lobbyisten für Umwelt und Klima etwas mehr Gehör, bei Autokonzernen und Fluglinien klappt es ja auch!
Es wird eine Zeit nach Corona geben, die für uns ein Prüfstand sein wird, wie wir aus shutdown und lockdown frei und maskenfrei herauskommen und mutig neue Wege einschlagen. Wir dürfen gespannt sein, ob dann Gott mit seinem pädagogischen Konzept nach menschlichem Verständnis „Erfolg“ hatte.
Hamideh Mohagheghi ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Koranwissenschaften an der Universität Paderborn.