Die Ergebnisse einer Ringvorlesung des Zentrums für Religion und Gesellschaft der Universität Bonn wurde von Prof. Dr. Jochen Schmidt herausgegeben. Der Band ist im Ergon-Verlag Würzburg erschienen.
Religion und Sexualität
Wie halten es die Weltreligionen mit Sexualität und Erotik? Was ist erlaubt, was nicht? Wie steht es um die Sexualität des Mannes aus Nazareth? Dürfen Christen Pornos gucken? Schlaglichtartig werden in dem Buch „Religion und Sexualität“ neueste Forschungen zu ausgewählten Fragen präsentiert, die an der Schnittstelle von Religion und Sexualität angesiedelt sind. Die Ergebnisse gehen auf eine Ringvorlesung des Zentrums für Religion und Gesellschaft der Universität Bonn zurück.
„Wenn Religionskulturen sich mit der Bewertung sexuellen Erlebens und sexueller Praktiken beschäftigen, dann arbeiten sie immer zugleich an Deutungen ihrer selbst“, sagt Herausgeber Prof. Dr. Jochen Schmidt von der evangelischen Systematischen Theologie der Universität Paderborn. Aus diesem Grund seien die vielfältigen kritischen und affirmativen Auseinandersetzungen von Religionen und Sexualität besonders aufschlussreich für das Verstehen von Religionen.
Was sagt das Neue Testament zur Homosexualität?
Da es sich bei Homosexualität um einen erst im 19. Jahrhundert entstandenen Begriff handelt, sei die Bewertung der antiken Termini schwierig, so Prof. Dr. Günter Röhser von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. Der Wissenschaftler führt aus, dass für Paulus allein das „irregeleitete, sündige Verhalten“ zähle. Paulus gehe davon aus, dass es sich „um einen bewusst gesetzten Akt wider besseres Wissen“ handelt. Es sei zu hinterfragen, ob man den modernen Ausdruck „Homosexualität“ überhaupt für die in den biblischen und frühjüdischen Texten gemeinten Verhaltensweisen verwenden sollte. „Wir wissen heute, dass ein großer Teil der in gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebenden Menschen einer irreversiblen Grundveranlagung folgt und keineswegs `wider besseres Wissen´ handelt“, so Prof. Röhser. Als dauerhafte Orientierung gehöre Homosexualität zur Identität und dürfe nicht pathologisiert werden. Dauerhaftigkeit, Verlässlichkeit, Treue und Respekt seien Herausforderungen und Maßstäbe für jede ernsthafte Lebensgemeinschaft – sei sie hetero- oder homosexuell.
Wie steht es um die Sexualität des Mannes aus Nazareth?
Prof. Dr. Martin Leutzsch von der evangelischen Biblischen Theologie der Universität Paderborn spricht von einer „populären Jesusvorstellung“, wenn es um Fragen zur sexuellen Identität und die sexuelle Orientierung des Jesus von Nazareth geht. Bezogen auf den heterosexuell aktiven Jesus, untersucht der Beitrag von Prof. Leutzsch genauer die Entstehung, Karriere und Mediengeschichte dieser Jesusvorstellung und ordnet sie in das Spektrum neuzeitlicher Jesuskonstruktionen ein.
Dürfen Christen Pornographie konsumieren?
„Pornographie und deren Produktionsbedingungen sind mitunter, aber nicht grundsätzlich aus moralischer Sicht abzulehnen“, meint Herausgeber Prof. Dr. Jochen Schmidt von der evangelischen Systematischen Theologie der Universität Paderborn. Grundsätzlich sei der Konsum pornographischer Produkte nicht verwerflich, denn es gebe dafür keine theologischen oder andere prinzipiellen Gründe. Der Konsum von Pornographie sei dann nicht verwerflich, wenn das jeweilige pornographische Artefakt unter fairen Produktionsbedingungen entstanden ist, die Darsteller nicht entwürdigt und Pornographie keinen negativen Einfluss auf die Einstellungen der Konsumenten zur Sexualität hat. Prof. Schmidt: „Alle diese Punkte sind allerdings aus unterschiedlichen Gründen strittig, und daher bleibt auch die Bewertung von Pornographie strittig.“ Allerdings seien theologische Bewertungen von Pornographie umso weniger überzeugend, je stärker sie von einer sexualfeindlichen Grundeinstellung geleitet sind, da sich eine solche Einstellung ihrerseits nicht theologisch begründen lasse.