Ich bin 1985 geboren und kann mich aus heutiger Sicht an keinen Mangel erinnern. Klar, es gab nicht jedes Spielzeug und ein Studienjahr in Harvard war später auch nicht drin, aber aufs Ganze gesehen war alles im Überfluss da. Dass es mir und vermutlich vielen anderen nur so vorkam, habe ich erst in den vergangenen Jahren – mit der Corona-Pandemie und den konkreten Auswirkungen eines Krieges auf europäischem Boden – zu realisieren begonnen. Dass Ressourcen nicht unendlich sind, wusste ich natürlich immer irgendwie (oder zumindest kommt es mir jetzt so vor). Aber erst jetzt, im Angesicht bereits im Juni verbrannter Grünflächen, dämmert mir, was endliche Lebensgrundlagen existentiell für mich und meine Familie bedeuten.
Ebenso dämmert mir, dass das ständig wiederholte Mantra kapitalistischer Gesellschaften, es möge schnellstmöglich wieder normal werden, an der Wirklichkeit schlicht vorbeiläuft. Das Normale von gestern kommt nicht aus ohne ein gehöriges Maß an Realitätsverweigerung – auch und vor allem, weil zunehmend klar wird, dass es aus Gründen sozialer und ökologischer Gerechtigkeit ein anderes Normal braucht. Das gute ist nicht automatisch auch das richtige Leben. Wer aber einmal ernsthaft versucht hat, sein Leben nicht am eigenen Glück, sondern am moralisch Richtigen auszurichten, der wird an zwei Erfahrungen nicht vorbeigekommen sein: Erstens, Gutes tun macht das eigene Leben nicht unbedingt besser. Und zweitens – noch deutlich frustrierender – scheint die Welt durch das eigene Handeln überhaupt nicht besser zu werden.
Auch religiöse Menschen stecken natürlich in diesem Dilemma, die Welt verbessern zu wollen und an den Grenzen der eigenen Möglichkeiten und dem Widerstand der Welt zu scheitern. Den christlichen Glauben unterscheidet aber von Utopien an dieser Stelle ein ziemlich harter Realismus: Weder wirst Du die Welt retten, noch Deine eigene Glückseligkeit sichern können. Das ist die conditio humana, das menschliche Normal. Die Frage ist, ob Du glaubst, dass es trotzdem sinnvoll und richtig ist, für die Welt und die Menschen zu tun, was Dir möglich ist. – Ob Du glaubst, dass es nicht gleichgültig ist, dem Leiden Deiner Nächsten in Liebe und Freundschaft oder in Egoisums und Zynismus zu begegnen. Christlicher oder sogar religiöser Glaube überhaupt hat mit einer Stabilisierung dieser Spannung aus anthropologischem Realismus und existentiellem Optimismus zu tun. Er artikuliert das Vertrauen, dass der Einsatz für das Gute (trotz allem) nicht sinnlos ist. Der Glaube kann so entdeckt werden als Ressource für ein Handeln, das nicht vor dem neuen Normal flüchten, sondern es zum Guten verändern will. Ein so verstandener Glaube hat auch säkularen Gesellschaften bleibend etwas zu sagen.
Bild von Pixabay
Prof. Dr. Aaron Langenfeld ist Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät Paderborn.
Ich begleite die letzten Tage im Leben eines Menschen, der für mich unentbehrlich war.
Das ist eine sehr schwierige, emotionale und unvergleichliche Aufgabe. Die Konfrontation mit der Endlichkeit, mit den Grenzen und Wegen angesichts des Leidens und den Möglichkeiten, damit umzugehen, wirft uns in ein Paralleluniversum von Erfahrungen, ich erlebe es wie einen langen, dunklen Tunnel…
GESUNDHEIT UND KRANKHEIT, LEBEN UND TOD sind die grundlegendsten Umstände, die die Suche nach Spiritualität, Religiosität und Antworten auf Glück und Leid begünstigen. In unserem modernen Verständnis sind es zuerst die Umstände, dann wenden wir uns Gott zu.
Zwei grundlegende Texte der Tora lehren jedoch, dass die Genealogie der Ereignisse umgekehrt ist, auch wenn dies schwer zu akzeptieren ist. Es handelt sich um zwei Prüfungen für zwei Männer des Glaubens, Abraham und Hiob.
Gott prüfte Abraham, lesen wir in Gen. 22, und er prüfte ihn mit einer unmöglichen Forderung: Er sollte seinen eigenen Sohn töten. Welcher Mensch würde eine solche Prüfung auf sich nehmen und trotzdem leben? Oder wie kann man ein Mensch des Glaubens bleiben, nachdem man eine solche Prüfung bestanden hat?
Und außerdem (und das wäre das Thema eines anderen Blogs), warum Gott als ein so grausamer Gott dargestellt wird, der eine Wahl zwischen absoluter elterlicher Liebe und absoluter göttlicher Liebe verlangt.
Der zweite Bezug ist das Buch Ijob, dessen Text das Vertrauen auf Gott auch in der größten Not betont: Es ist selbstverständlich, Gott zu danken, wenn man den sonnigen Weg des Lebens geht. Was aber, wenn Schatten auf einen fallen? Wäre es nicht eher zu erwarten, dass man sich über Gott ärgert, ihn herausfordert und verflucht?
Der Gott Israels ist ein Gott, der prüft, der Prüfungen zulässt (in Hiob), der dann aber in unseren Texten das Opfer des Sohnes nicht konkretisiert und den reich belohnt, der trotz Verlust von allem (durch die Hand des Satans, verfeinert den Text) seine Treue bewahrt.
Die Tatsache, dass das Gute und das Böse in Gottes Hand liegen, lädt dazu ein, das Leiden als das Menschlichste zu akzeptieren, das die Erfahrung des Lebens mit sich bringt. Das Leiden wird nicht als ein Schlagwort der Stärke und der Resilienz, nicht als schicksalhaftes Verhängnis, sondern als ein lebenswichtiger Rahmen verstanden, der uns vor dem Abgrund auf die Probe stellt und uns aus der Tiefe aufschreien lässt, wie es Psalm 130 tut. In der Antwort, die wir erhalten und die so sehr, aber nicht nur, von uns abhängt, öffnet sich der Weg zu Ausgleich, Heilung und Weisheit.
Bild von Pixabay
Liliana Furman ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Pnina Navè Levinson Seminar für Jüdische Studien der Universität Paderborn.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2023 in Nürnberg endete am vergangenen Sonntag mit einem Abschlussgottesdienst, der für Schlagzeilen sorgt.[1] Im Fokus steht die Predigt von Pastor Quinton Ceasar, der in der Losung „Jetzt ist die Zeit“ (Mk 1,15) den Auftrag sieht, Veränderungen nicht aufzuschieben, sich nicht mit einem „Die Zeit wird kommen“ zufrieden zu geben. Er spricht von Veränderungen hin zu Gerechtigkeit und betont, dass Liebe ohne Gerechtigkeit nicht zu verwirklichen ist. Nächstenliebe braucht Solidarität mit denen, die marginalisiert und diskriminiert werden. Allerdings nicht von oben herab, sondern im Miteinander auf Augenhöhe. Das erfordert das Verlassen von Happyland, ein Begriff, den er von Tupoka Ogette[2] übernimmt. In Happyland leben diejenigen, die dank ihrer Privilegien keine Diskriminierungserfahrungen machen und am liebsten auch nichts mit Diskriminierungen zu tun haben wollen. Sätze wie „Ich sehe keine Hautfarbe, keine Behinderung, kein Geschlecht.“[3] seien nach Ceasar Ausdruck des Wegsehens. Problematisch ist es, wenn dieses Wegsehen mit Glaubensaussagen verbunden wird, die die eigene privilegierte Position nicht reflektieren und somit zu Plattitüden werden. Vielmehr noch: Sie werden zu einer Gefahr. Ich schließe mich dieser Einschätzung an. Wenn eine Aussage wie „Gott liebt uns alle gleich“ aus Happyland heraus getroffen wird, gleicht das einer Lüge, wenn im selben Moment Menschen diskriminiert werden. Ceasar bringt es auf den Punkt: „Gott ist parteiisch.“[4] Gott sieht die Vielfalt an Hautfarben und Geschlechtern und sieht vor allem Diskriminierungen, die Menschen vornehmen. Gott steht an der Seite der Marginalisierten.
Die befreiende Botschaft, die damit einhergeht, dass Gott an der Seite der marginalisierten und diskriminierten Menschen steht, wird schon lange nach außen getragen.[5] Sie erreicht vorrangig diejenigen, die sie brauchen, eben die Marginalisierten und Diskriminierten. Durch die Predigt auf dem Kirchentag trifft sie auf die Ohren einer großen Menge an Menschen an unterschiedlichsten gesellschaftlichen Standorten. Für Menschen in Happyland gleicht die Botschaft mitunter einer Bedrohung, hätte sie doch in der Umsetzung zur Konsequenz, die eigenen Privilegien zu reflektieren und im Einsatz für Gerechtigkeit zu nutzen. Das erklärt für mich auch den Trubel rund um die wohl am stärksten diskutierte Aussage aus der Predigt: „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer.“[6] Worum geht es hier? Es scheint mir zum einen darum zu gehen, dass „queer“ nicht in seiner begrifflichen Ganzheit verstanden wird. So ist z.B. in einem Kommentar zur Predigt folgende Definition zu finden: „Queer ist zu verstehen als Sammelbegriff für Personen, deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, die also etwa schwul, lesbisch, bi-, trans-, oder intersexuell sind.“[7] Das kritische und dekonstruierende Potenzial des Begriffs als Perspektivbegriff wird hier nicht genannt. Mit „Gott ist queer“ muss nicht gemeint sein, dass Gott ein Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung zugeschrieben wird. „Gott ist queer“ kann auch bedeuten, dass Gott nicht normativ auf Menschen blickt. Es kann bedeuten, dass in der Gottebenbildlichkeit Menschen dazu befähigt, gar aufgefordert sind, Normen zu hinterfragen und aufzulösen, wenn diese zu Benachteiligungen führen. Und das würde bedeuten, Happyland zu verlassen, sich aktiv für Gerechtigkeit einzusetzen, auf eigene Bevorteilung zu verzichten. Konkret bedeutet das, und da kann ich mich den Impulsen von Ceasar nur anschließen, sich um das Abmildern der Klimakatastrophe zu bemühen, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einzutreten und religiöse Orte zu Safer Spaces für Menschen zu machen, die diese bisher nicht als solche wahrnehmen.
Zum anderen hinterlassen die kritischen und feindlichen Kommentare zur Predigt den Eindruck, dass einer gewissen Angst vor Unordnung und Vielfalt Ausdruck verliehen wird. Es ist davon die Rede, dass die Predigt konservative Christ*innen kränke.[8] Ich frage mich, was als Kränkung wahrgenommen wird. Wird „Gott ist queer“ so interpretiert, dass Gott nur queer ist und sonst nichts anderes? Geht es darum, dass Deutungshoheiten infrage gestellt werden? Diese Predigt irritiert Normativitäten, was an der Frage danach deutlich wird, ob es sich um eine offizielle Predigt oder einen Nischenvortrag handelt.[9] Konservatives Christentum wird dadurch zum Normalfall erklärt, die Predigt als Abweichung davon wird kritisiert und marginalisiert, in eine Nische gedrängt. Der Wunsch nach einer möglichst homogenen Kirche scheint durch, Vielfalt wird als riskant wahrgenommen. Dieser Wunsch wirkt auf mich sehr bedrohlich und ich hoffe, dass die Predigt selbst und die Diskussion rund um diese einen Anstoß geben, um noch stärker als bisher über Vielfalt innerhalb von Glaubensgemeinschaften ins Gespräch zu kommen, Privilegien zu reflektieren, Diskriminierungen nicht auszublenden und Aussagen wie „Gott ist queer“ zu nutzen, um einen konstruktiven und respektvollen Umgang mit Ambiguität einzuüben, kurz gesagt: den Weg raus aus Happyland zu gehen.
Dr. Vera Uppenkamp ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Religionspädagogik unter besonderer Berücksichtigung von Inklusion am Evangelischen Institut der Universität Paderborn.
Befragt man Google im Mai 2023 nach dem Ukraine-Krieg, liefert die Suchmaschine konkrete Zahlen zu Todesfällen (mind. 62.295), zu verletzten bzw. verwundeten (mind. 59.244), zu vermissten (mind. 15.000) und zu geflüchteten Menschen (ca. 17 Mio.).[1] Die blanken Zahlen lassen das Ausmaß der Zerstörung und der damit einhergehenden Leiden und des Leides, des Un-Heils, aus der Perspektive nicht mittelbar Betroffener auf abstrakte Weise erahnen. Gerade im Umgang mit vom Krieg materiell, physisch und psychisch geschädigten Menschen drängt sich die Frage nach „Heilung“ und „Heil“ auf.
Auch das Markusevangelium, das in die Zeit des Jüdisch-Römischen Kriegs um 70 n. Chr. datiert wird, verarbeitet jene Kriegserfahrungen, in deren historischem Kontext es steht. Wie aber begegnet das Evangelium angesichts solcher Kriegserfahrungen der Frage nach „Heil“?
Begrifflich ist es dem Verb sōzein implizit, das insgesamt 13-mal im Evangelium vorkommt und im Deutschen die Bedeutungen heilen, gesundmachen, retten trägt. Es steht bei Markus immer im Sinne von Leben erhalten / bewahren / rettenaus der Todesgefahr oder angesichts des drohenden Endgerichts. Insgesamt 6-mal begegnet sōzein in markinischen Wundererzählungen und steht dann auffällig im Zusammenhang mit dem Glauben (Pistis); markant im von Jesus an Heilungsbedürftige gesprochenen formelhaften Satz: „Dein Glaube hat dir geholfen“ (vgl. Mk 5,34; 10,52). Der Zusammenhang von „Glaube“ und „Heilung“ bzw. „Rettung“ wird vom markinischen Jesus selbst vorgegeben.[2]
Bereits im Titel in Mk 1,1 wird Jesus als Christos und als Sohn Gottes vorgestellt und diese Vorstellung im anschließenden Prolog in Mk 1,2–15 expliziert. Der Prolog beginnt mit einem Schriftzitat aus Jes 40,3, Mal 3,4 und Ex 23,30, um das Auftreten Johannes des Täufers (in Mk 1,4–8) als Erfüllung der Schrift zu kennzeichnen und das Folgegeschehen in dieses Licht zu stellen. Durch gezielt eingespielte intertextuelle Bezüge insbesondere auf das Jesajabuch (vgl. Jes 42,1; 52,7; 61,1)LXX wird Jesus in Mk 1,9–15 als der vom Propheten Jesaja in Aussicht gestellte Freudenbote präsentiert und „erkennbar mit dem prophetischen, gesalbten Verkündiger des Heils aus Jes 61,1f.“[3] identifiziert. In Jesu Taufe in Mk 1,11 durch die göttliche Stimme als Gottessohn benannt, erweist er sich in der Versuchung durch den Satan in Mk 1,12f. als solcher. Wird die Evangeliumsverkündigung Jesu in Mk 1,14f. unter Rückgriff auf Jes 52,7LXX mit der Ankündigung des Friedensboten erzählt, der Gutes predigt und Heil verkündigt, wird Jesus mit Mk 1,14f. zu demjenigen Geistbegabten, der in Entsprechung zu Jes 61,1 die künftige Gottesherrschaft verkündigt. Mit dieser christologischen Vorstellung Jesu im Prolog verbindet sich eine auf das Heil ausgerichtete Bedeutung seines verkündigenden und heilenden Wirkens. Mit ihr gibt der Gottessohn einen Hinweis auf die nahegekommene Gottesherrschaft, an die das Heil geknüpft ist. Das Heil wird bei Markus also theozentrisch gedacht und besteht darin, an der Herrschaft Gottes zu partizipieren, d. h. schließlich: gerettet zu werden und das ewige Leben (bei Gott) zu haben (vgl. Mk 10,17.23–27).
Einer Überschrift ähnlich charakterisiert also die Verkündigung in Mk 1,14f. das folgende Wirken des geistgesalbten Gottessohnes. Als solcher ist Jesus vollmächtiger Bote Gottes (vgl. Mk 1,2.22.27; 5,6f.), der die Gottesherrschaft ankündigt und in dessen Wirken sich Gottes Handeln in der Welt zugleich realisiert. Die endgültige Realisierung der Herrschaft Gottes kann allerdings erst durch den Menschensohn herbeigeführt werden, wie es die Ankündigungen des Menschensohnes in Mk 8,31; 9,31; 10,33–34 und Mk 14,62 theologisch entfalten. Jesu irdisches Wirken als Wirken des vollmächtigen (Heils-)Boten Gottes, durch den Gott selbst wirkt, bildet eine Vorausschau auf das endzeitliche Heil: „Die Präsenz eschatologischen Heils ist an die Person Jesu gekoppelt – wo er ist, geschieht Heil.“[4]
Das wird insbesondere in Jesu Wunderwirken deutlich, das als eine anfängliche Realisierung endzeitlichen Heils zu lesen ist und zugleich einen Ausblick auf jene Heilszeit gibt, an der diejenigen Teil haben, die bei Jesus sind (z. B. Mk 3,14f.31–35) und ihm nachfolgen (Mk 1,16–20; 8,34f.).
Untrennbar mit seinem Wunderwirken verbunden ist − wo nicht explizit, da implizit – der Glaube. Zu diesem ruft der markinische Jesus im Rahmen seiner Evangeliumsverkündigung in Mk 1,14f. auf, die seinem Wirken insgesamt programmatisch überschrieben ist: „Glaubt an das Evangelium.“
„Glaube wird im Markusevangelium als Gottesglauben (vgl. 11,22) im Sinne eines unbedingten und uneingeschränkten (vgl. Mk 5,36: μόνον πίστευε) Vertrauens auf den Schöpfergott, dem alles möglich ist (10,27; 14,36), verstanden. Durch das uneingeschränkte Vertrauen auf Gott – das sich besonders im Gebet manifestiert (11,24–25; 9,29) – erfährt man, dass die Macht Gottes in der Gegenwart wirksam wird (11,23–25; 9,23). Die als Glaubenserzählungen erzählten Heilungserzählungen (2,1–12; 5,21–43; 9,14–29) illustrieren dies […].“[5]
So gibt die Erfahrung, gar Teilhabe am von Jesus gewirkten Heil des Schöpfergottes Ausblick auf die Herrschaft Gottes in der Gestalt einer endzeitlichen Neuschöpfung (vgl. Mk 7,31–37). Die Nachfolge bildet auf Grundlage des Glaubens im markinischen Konzept die Voraussetzung einer Partizipation an ihr, d. h. der Teilhabe am Heil. Für die ersten Adressaten des Evangeliums, die wie das Evangelium selbst im historischen Kontext des Jüdisch-Römischen Krieges anzusiedeln sind, eröffnet das Markusevangelium neben der vermittelten Erfahrung und Erinnerung an das Heilswirken Jesu also einen Ausblick auf das endzeitliche Heil bei Gott, das sich in ihrer Nachfolge realisiert.
So gelesen vermag das Markusevangelium auch in heutigen Krisenzeiten ein Hoffnungstext zu sein, in dem uns in der Erinnerung an das Wirken Jesu nicht nur Heil(ung) begegnet, sondern Heil in Aussicht gestellt wird.
[1] Die vorgestellten Zahlen bilden den Stand vom 26. Mai 2023 ab und basieren z. T. auf Schätzungen.
[2] Vgl. Frey, Jörg, Von Jesus zur neutestamentlichen Theologie. Kleine Schriften II (WUNT 368), Tübingen 2016, 557.
[4] Du Toit, David S. Du, Heil und Unheil: Die Soteriologie des Markusevangeliums, in: Ders. / Gerber, Christine / Zimmermann, Christiane (Hgg.), Sōtēria: Salvation in Early Christianity and Antiquity. Festschrift in Honour of Cilliers Breytenbach (NovT.Sup 175), Leiden 2019, 193f.
Saskia Breuer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Biblischen Theologie und befasst sich mit dem Neuen Testament am Institut für Katholische Theologie der Universität Paderborn.
Der Religionsunterricht hat laut Lehrplan die Aufgabe die religiöse Dialog- und Urteilsfähigkeit zu entwickeln und zu fördern. Damit einher geht auch, dass die Schüler*innen lernen sollen, ihren Glauben zu reflektieren. Dies ist ein Lernprozess, der von den Lehrkräften aktiv mitgestaltet werden muss. Wer wird aber heute noch Religionslehrer*in? Aufgrund der Säkularisierung und dem Missbrauchsskandal sinken die Zahlen der Studierenden für das Fach Katholische Religionslehre dramatisch. Man entscheidet sich für dieses Fach nicht mehr, weil es „leicht“ ist. Wer dieses Studium wählt, bringt eine gewisse Passion mit und trifft ganz bewusst eine Entscheidung dafür. Wer aber sind diese Studierende, die trotz aller Unruhe Katholische Religionslehre studieren?
Im Rahmen meines Seminars an der Uni habe ich den Theologiestudierenden mehrere soziologische Fragen gestellt: Kommen Sie vom Land oder aus der Stadt? Haben Sie Geschwister? Sind Sie in einem behüteten Elternhaus aufgewachsen? Haben Sie ein Ehrenamt ausgeführt? Sind Sie als Kind regelmäßig in die Kirche gegangen? Meine Fragen zielten eindeutig darauf hin, dass der Großteil der Studierenden dem Milieu der Konservativ-Bürgerlichen zugeordnet werden kann und das Ergebnis ließ kaum Zweifel offen: Über 80% der Studierenden kamen vom Land, waren in der Kindheit regelmäßig in der Kirche und hatten ein behütetes Elternhaus. Sogar 100% der Studierenden haben Geschwister und fast 70% führten ein Ehrenamt aus. Das Theologiestudium scheint somit eine ganz gewisse Klientel anzusprechen. Wenn man die Sinus-Milieu-Studie hinzuzieht, würde bei diesen Studierenden vom konservativ-bürgerlichen Milieu gesprochen werden. Dies beeinflusst auch die Religionspädagogik und den Religionsunterricht in nicht unerheblichem Maße, da viele Schüler*innen den Anschluss an die Religionen verloren zu haben scheinen. Die (angehenden) Religionslehrkräfte und auch die Religionspädagog*innen müssen dies vor Augen haben. Gerade wenn sie aus dem konservativ-bürgerlichen Milieu kommen, müssen sie immer wieder auf die Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen, die sich größtenteils nicht mehr mit den klassischen religiösen Weltbildern identifizieren können oder zum Beispiel aus prekären Verhältnissen kommen. Herausfordernd ist das für die Lehrkräfte insbesondere auch, da Schulbücher ebenfalls oft noch klare konservativ-bürgerliche Rollenbilder vertreten und somit Schüler*innen aus anderen Milieus gar nicht abgeholt werden. Wenn im Religionsunterricht beispielsweise die Familie als Thema behandelt wird, müssen sich die Religionslehrkräfte bewusst sein, dass ein Großteil der Schülerschaft eben nicht aus einer ländlichen Familie mit mehreren Kindern mit regelmäßigen Kirchbesuchen kommt. Vielmehr muss der Religionsunterricht so konzipiert werden, dass gerade auch die Schüler*innen, die noch keine oder kaum Erfahrungen mit Religion gemacht haben, Zugang zu den religiösen Themen finden und sprachfähig in der Religion gemacht werden. Dies ist ein komplexer Prozess, der die eigene Reflexion des Handelns als Lehrkraft immer wieder erfordert und daher so herausfordernd ist.
Bild von Pixabay.
Julian Heise ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich für Religionspädagogik unter besonderer Berücksichtigung von Inklusion an der Universität Paderborn.