Für die einen ist Paris die Stadt der Liebe, für die anderen die Stadt mit dem Bettwanzenproblem. Für uns, die Islamische und Evangelische Theologie an der Universität Paderborn sowie die Evangelische Theologie an der Universität Bielefeld, war sie/Paris ein Begegnungsort mit den abrahamitischen Religionen. Der Schwerpunkt unseres Seminars für muslimische und evangelische Studierende lag auf der Erkundung sakraler Räume und der Förderung interreligiöser Begegnungen. So wurden von uns wichtige historische wie religiöse Orte wie die römisch-katholische Wallfahrtskirche Sacre Coeur auf dem Montmartre besucht, die wie keine andere Kirche im vorwiegend katholischen Frankreich über der Stadt thront und in ihrer Entstehungszeit vor ca. 150 Jahren ein Sühnebauwerk sein und damit das Selbstbewusstsein Frankreichs nach dem Deutsch-Französischen Krieg stärken sollte. Der Protestantismus in Paris hingegen musste durch eine Stadtführung in engen Gassen und einzeln gezeigten Häusern erschlossen werden, da dessen Spuren durch die frühe Vertreibung bzw. Ermordung der Hugenotten in der Bartholomäusnacht bei weitem nicht so sichtbar sind wie der Katholizismus.
Einen Einblick in das jüdische Leben in Paris – der größten jüdischen Gemeinde in Europa – gewährte uns ein Spaziergang im jüdischen Viertel Marais. Der Besuch einer historischen Bäckerei führte zu einem zufälligen Gespräch mit einer dort lebenden deutschen Jüdin, die mit uns ihre Sorgen und Ängste um die in Frankreich immer weiter erstarkende Rechte teilte. Besonders eindrücklich war der Besuch der Schoah-Gedenkstätte, in der derzeit auch eine Ausstellung zur Musik in den Konzentrationslagern zu sehen ist. Musik hatte in KZ vielfältige Funktionen, etwa als Mittel zur Demütigung und Erniedrigung der Inhaftierten durch erzwungene Auftritte und das Singen von Liedern, die in eklatantem Widerspruch zur erlebten Realität standen. Ohne das dort Gesehene verarbeitet zu haben, fanden wir uns plötzlich in einem Strom von Tourist*innen wieder, die wie wir in die heiligen Gemächer des Louvre eintreten wollten. Kein anderer (religiöser) Ort war in Paris überfüllter als dieses Museum: Tausende von Besucher*innen folgten den Schildern zur Mona Lisa im zweiten Stock des Museums. Kein anderer Bereich des Museums ist so gut besucht wie dieser, aber auch an keinem anderen Exponat steht so viel Security wie an der Mona Lisa. Die vielen beeindruckenden Kunstwerke der italienischen Maler auf dem Weg dorthin erweckten dagegen nur bei einzelnen Besucher*innen Interesse. Erschlagen von den Menschenmassen suchten wir uns einen ruhigen Ort, den wir in der Abteilung der islamischen Kunst fanden. In fast himmlischer Ruhe erhielten wir einen Einblick in die islamische Kunstgeschichte, die sich uns hier in Gestalt von Ausstellungsstücken verschiedener Art und Epochen darbot: etwa Miniaturen, Kalligraphien, Fliesenmalereien und vielfältige Alltagsgegenstände, aber auch Koranexemplare.
Besonders perspektiveneröffnend empfanden die Studierenden auch den Austausch mit Mitarbeiterinnen der Konrad-Adenauer-Stiftung, die uns einen Vortrag zur Religionspolitik in Frankreich sowie zum interreligiösen Dialog gehalten haben. Die Laizität, die Trennung von Staat und Religion, führe gerade in den letzten Jahren durch das Kopftuch- oder Abayaverbot immer wieder zu Einschnitten im Leben von Musliminnen im öffentlichen Raum. Laizität heiße auch: kein Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und keine theologische Ausbildung an staatlichen Universitäten.
Für viele christliche Studierende war der Besuch der Grande Mosquée de Paris die erste Begegnung mit dem sakralen Raum des Islam. Diese Moschee wurde von Frankreich – trotz eines Gesetzes der Trennung von Staat und Religion – nach dem Ersten Weltkrieg als Zeichen des Dankes Frankreichs an die Muslime erbaut, die in den Diensten der französischen Armee gekämpft und ihr Leben verloren hatten. Nach der Führung durch die im andalusischen Stil gebaute Moschee krönte der Besuch des anliegenden Restaurants mit marokkanischem Tee und Gebäck unseren Aufenthalt und bot nun Gelegenheit für weitere interreligiöse Gespräche innerhalb der Studierendenschaft. Die Gespräche nahmen in dieser Nacht um 3.00 Uhr im Gruppenraum des Tagungshauses ihren Abschluss, aber auch nur, weil am nächsten Morgen die Abreise aus Paris anstand.
Daher kann ich zumindest aus meiner Dozentinnen-Perspektive sagen: Seminarziel erreicht! Paris, auch eine interreligiöse (Studien-)Reise wert…
Jun.-Prof. Dr. Naciye Kamçılı-Yıldız ist Professorin im Bereich Islamische Religionspädagogik am Paderborner Institut für Islamische Theologie an der Universität Paderborn.
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