Mir erzählte letztens ein katholischer Geistlicher eine interessante Geschichte. Die Ordensbrüder einer Ordensgemeinschaft waren mit sehr unterschiedlichen Aufgaben innerhalb und außerhalb des Ordens beschäftigt. Daher suchten sie nach einer gemeinsamen spirituellen Basis. Nach dem, was sie geistlich alle verbindet. Da jeder Bruder bisher seine Spiritualität anders lebte, war der Austausch über das, was sie spirituell trägt, sehr bereichernd. Und eine Gemeinsamkeit lässt sich von außen gesehen in vielen spirituellen Praktiken oder auch Ordensregeln vermuten. Ich denke hier zuerst an die Regel des Heiligen Benedikt.
Ich jedenfalls war sehr überrascht, dass die Gemeinschaft ihre Gemeinsamkeit in der spirituellen Tiefe der Psalmen fand. Bei näherem Hinsehen fand ich diese Gemeinsamkeit sehr verständlich. In den Psalmen finden sich die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens, das Lob und die Klage, die Erfahrung der Menschen im Gespräch mit Gott, die Geschichten und Gestalten der Bibel , die poetische und musikalische Weise und vieles mehr…
Auch im interreligiösen Dialog mit Jüdinnen und Juden sowie mit Muslim*innen haben die Psalmen meiner Erfahrung nach oft eine große verbindende Bedeutung. Sie sind nicht nur Teil der Hebräischen Bibel und der Gebetstradition des Judentums. Auch der Sprache des Korans ist der der Psalmen sehr ähnlich, wie u.a. Angelika Neuwirth festgestellt hat. Auch wenn das Beten der Psalmen in den religiösen Traditionen natürlich sehr unterschiedlich verankert ist, so scheint doch auch hier das poetisch verfasste Gespräch mit Gott, wie es die Psalmen in großartiger Weise festhalten, eine Basis dieser drei Traditionen zu sein.

Dr. Cordula Heupts ist Leitung der Abteilung „Glauben im Dialog“ im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn. Sie wurde promoviert an der Theologischen Fakultät Paderborn zur Theologischen Ästhetik im Gespräch zwischen Christentum und Islam


