Die Digitalisierung bewegt uns alle, ob privat, im Lehrkontext oder im Hinblick auf die Entwicklung unserer Gesellschaft. Neue Technologien bringen nicht nur ethische Herausforderungen mit sich, sondern lassen uns auch grundlegende Fragen neu stellen: Wie verstehen wir uns als Menschen? Welche grundlegenden Eigenschaften des Menschseins sind durch die kommenden Entwicklungen in Gefahr? Welche Art von Beziehung zu anderen Menschen erachten wir als notwendig für ein gelungenes Leben? Das sind alles Fragen der Anthropologie, ein Fach, das sowohl in den Kulturwissenschaften als auch in Philosophie und Theologie angesiedelt ist: ein ideales Thema für unser Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften.
Doch welchen Mehrwert hat es, wenn Theologinnen und Theologen sich mit diesen Fragen beschäftigen? Erstens unterscheidet sich das Menschenbild bestimmter religiöser Traditionen in manchen Punkten von einem säkularen oder gar naturalistischen Verständnis. Zweitens könnten gesellschaftlich-technologische Entwicklungen wichtige Voraussetzungen für den Glauben unterminieren, wie etwa Religionsfreiheit, die Möglichkeit von Spiritualität und Charakterformung oder Kontingenzbewusstsein. Drittens gibt es spezifische Herausforderung wie auch Chancen von künstlicher Intelligenz und virtueller Realitäten für die religiöse Praxis: Kann und darf man digital Eucharistie feiern oder virtuell nach Mekka pilgern? Kann und darf man menschliche Bewusstseine technologisch verbinden, um eine religiöse Einheitserfahrung zu erlangen? Sollte man religiöse Gefühle mithilfe von spirituellen Enhancements auch denen ermöglichen, die sich als „religiös unmusikalisch“ verstehen?
All diesen Fragen geht die aktuelle Ringvorlesung „Anthropologie der Digitalisierung“ des Zentrums für Komparative Theologie nach. Den Auftakt hierzu machte in der vergangenen Woche Professor Benedikt Schmidt von der Humboldt-Universität zu Berlin. Er promovierte in Freiburg bei Eberhard Schockenhoff zum Verhältnis von autonomer Vernunft und Offenbarung in der theologischen Ethik. Unter der Leitfrage „Wie kann ich der werden, der ich sein soll?“ stellte der Gastreferent eine mögliche Perspektive theologischer Ethik auf die Digitalisierung vor.
Schmidt nannte Elon Musk „einen der großen Visionäre unserer Zeit“. Allerdings müsse das Versprechen der Digitalisierung, den Menschen als Objekt visionärer Gestaltung zu betrachten, anthropologisch und ethisch eingeordnet werden. Anhand des Themenfeldes der öffentlichen Kommunikation arbeitete Schmidt beispielhaft heraus, welche Gefahren etwa für die Demokratie bestehen, wenn der öffentliche Diskurs sich in großen Teilen auf privatwirtschaftliche, gewinnorientierte Plattformen verlagere. Der Deutsche Ethikrat habe unmissverständlich auf negative Entwicklungen hingewiesen.
Eine vollkommen „smarte Ordnung“, in welcher die Bedürfnisse der Menschen zwar bestmöglich befriedigt wären, liefe der Selbstbestimmung des Menschen zuwider. Diese Selbstbestimmung des Menschen stellte Schmidt als zentrales ethisches Kriterium bei der Bewertung der Digitalisierung dar.
Schmidt stellte anschließend drei Leitbilder des guten Lebens vor: Elon Musk stand stellvertretend für die „digitale Existenz“ der „Ingenieure“; Friedrich Nietzsche wurde als Vertreter der „ästhetischen Existenz“ der „Genies“ herangezogen; Repräsentant der „religiösen Existenz“ der „Heiligen“ war Jesus. Das Leitbild der „religiösen Existenz“ unterscheidet sich vom Leitbild der „digitalen Existenz“ vor allem durch die Dimension der Transzendenz, die unbedingte Affirmation der Person (auch durch Selbstliebe), das sittlich Gute als Werthorizont sowie das relationale Eingebundensein in eine Beziehungswelt. Gemeinsam seien den drei Leitbildern jeweils Formen der Selbstüberwindung.
Meine Einschätzung: Technologien können uns nicht dabei helfen, eine Vorstellung des guten Lebens zu erhalten. Vielmehr besteht die Gefahr, dass verschiedene Interessengruppen versuchen, mithilfe digitaler Technologien uns Werte und Ziele zu „implantieren“, die letztlich nicht zu einem gelungenen Leben führen. Wenn wir allerdings einen klaren Kompass, klare Leitbilder, klare Vorstellungen von einem „guten Leben“ haben – ob nun philosophisch oder religiös begründet – dann können wir neue Technologien verantwortungsvoll nutzen, um diesem Ziel schrittweise näher zu kommen.
PD Dr. Johannes Grössl vertritt aktuell die Professur für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie an der Universität Paderborn.
Religious culpability is the sense of duty or accountability that people experience in the context of their religious beliefs and behaviors. It includes the moral, ethical, and spiritual aspects of faith, which shape people’s conceptions of right and wrong and influence their behaviors and decisions.
At its core, religious culpability is rooted in the belief that individuals are accountable for their actions before a divine authority or moral standard. Many religious traditions teach that adherence to religious teachings and principles is essential for leading a virtuous and righteous life. When individuals deviate from these standards or commit moral transgressions, they may experience feelings of guilt, remorse, or self-reproach. This sense of moral responsibility is intrinsic to religious identity and shapes believers‘ understanding of their relationship with the divine.
The causes of religious culpability are multifaceted and may vary depending on individual beliefs, cultural influences, and religious teachings. Moral failings, such as lying, cheating, or harming others, can trigger feelings of guilt and remorse. Religious scrutiny, whether internal or external, may lead individuals to judge themselves harshly for perceived moral lapses or deviations from religious norms. Additionally, religious upbringing, parental influences, and societal expectations can shape individuals‘ beliefs about morality and contribute to the development of religious culpability.
The implications of religious culpability are significant and can have far-reaching effects on individuals‘ psychological, social, and spiritual well-being. Religious culpability can cause psychological symptoms such as anxiety, sadness, or low self-esteem. Believers may endure inner anguish as they struggle with emotions of worthlessness or inadequacy in their connection with the divine. Religious guilt may have an influence on interpersonal relationships and communal dynamics, since people may feel pressured to comply to religious standards or expectations.
Despite its potential harmful implications, religious culpability may also act as a spur for moral development and ethical thinking. It can encourage people to admit their sins, ask for forgiveness, and strive for moral growth. Individuals may endeavor to atone for their perceived faults and restore their sense of moral integrity by engaging in acts of repentance, charity, or religious practice.
To summarize, religious culpability is an important part of religious experience, expressing people’s feeling of moral obligation and accountability within their faith traditions. While it may cause psychological suffering and interpersonal strife, it may also provide moral inspiration and spiritual refreshment. Religious leaders and believers may negotiate the challenges of religious guilt by cultivating empathetic, supportive communities and encouraging ethical contemplation and moral growth.
Nadia Saad ist ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Paderborner Institut für Islamische Theologie der Universität Paderborn.
Das Wort „Religion“ ist im 16. Jahrhundert in die deutsche Sprache gekommen. Rasch hat man es in Verbindung mit dem Wort „Freiheit“ gebraucht. Die Koppelung von „Religion und Freiheit“ wurde zu einer festen Redewendung – einer von vielen, in denen das mehrdeutige neue Wort erschien. Gemeint war damit die Freiheit von Landesherrn und Stadtregierungen, für ihre Gebiete vom alten Glauben der lateinischen Kirche abzugehen und einen neuen, den lutherischen Glauben für verbindlich zu erklären. Unter diesem obrigkeitlichen Schutz erhielt eine Glaubensgemeinschaft, die eine Minderheit darstellte, das Recht, ihren Glauben zu bekennen, zu lehren, durch neue Formen von Andacht und Gottesdienst auszuüben. Entscheidend war, dass diese Glaubensfreiheit durch den Reichstagsabschied von 1555 rechtlich festgeschrieben wurde. Als „Augsburger Religionsfriede“ bezeichnet, sprachen die Lutheraner diesem Gesetz Verfassungsrang zu. Mit ihm wurde die Religionsfreiheit zu einem Bestandteil der allgemeinen Rechtsordnung gemacht – insofern politisiert. Politisch war die Religionsfreiheit, weil sie den Landesherrn und Städten ein Recht gab, das zuvor beim Kaiser gelegen hatte. Er hatte sich als Schutzherr der Kirche gesehen. D.h. Religionsfreiheit hieß in Deutschland Verlagerung von Hoheitsrechten zu den Regionalgewalten – eine Weichenstellung in Richtung föderaler Verfassungsordnung. Politisch war die Religionsfreiheit aber auch, weil sie seit damals stets als Bestandteil von öffentlicher Ordnung begriffen wurde: als Verfassungsrecht. Religionsfreiheit wurde zu etwas, das alle angeht, nicht nur die Glaubensgruppen, die sie schützt. So ist das bis heute geblieben, auch wenn es noch einer langen Entwicklung bedurfte, ehe Religionsfreiheit auch die Bedeutung von persönlicher Gewissensfreiheit annahm – oder das Recht, keine Religion zu haben, vor Bekenntniszwang geschützt zu sein.
Prof. Dr. Johannes Süßmann ist Professor am Historischen Institut im Bereich Frühe Neuzeit an der Universität Paderborn.
Angesichts der Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten und an vielen anderen Orten werden vielerorts Friedensgebete gehalten. Der Friede wird dabei von Gott erbeten, mit anderen Worten: Friede wird als Gabe Gottes verstanden. Wird Friede christlicherseits somit als etwas verstanden, das ausschließlich auf Gott zurückgeht, sodass Menschen nichts dazu beitragen können?
Diese Frage ist mit Bezug auf biblische Aussagen wie in Psalm 34, 15 mit einem „Nein“ zu beantworten. Dieser Psalmvers hat folgenden Wortlaut: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!“ Er war der Losungstext für den 10. Januar dieses Jahres. Der zu dieser Losung ausgesuchte neutestamentliche Lehrtext lautet: „Lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander“ (Römer 14, 19). In diesen beiden Bibelversen begegnet nicht die Vorstellung von Frieden als einer Gabe Gottes, die nur erbeten werden kann, sondern vielmehr die eines Ziels, das Menschen erreichen sollen und können. Heißt dies, dass der Friede keine Gabe Gottes ist, die erbeten werden kann? Nein, Friede ist eine Gabe Gottes – eine Gabe freilich, die mit einer Aufgabe verbunden ist, der Aufgabe, sich für den Frieden einzusetzen, ihn zu suchen, ihm nachzujagen und dem nachzustreben, was ihm dient, um es mit den Worten dieses Losungstextes und dieses Lehrtextes zu sagen.
Wenn Friede keineswegs selbstverständlich ist, sondern Engagement seitens der Menschen erfordert, stellt sich die Frage, wie dieses Engagement konkret Gestalt annehmen kann. Im Neuen Testament ist die Antwort auf diese Frage die Forderung der Feindesliebe – zweifellos die schwerste Forderung an Jesu damalige Jünger*innen wie auch an alle später lebenden Menschen, die sich bemühen, ihr Leben in der Nachfolge Jesu zu gestalten.
Wie kann sie gelebt werden, die Feindesliebe? Als conditio sine qua non ist die Bereitschaft zur Vergebung zu nennen. Auch sie – die Bereitschaft, zu vergeben – hat im christlichen Glauben und seiner gelebten Praxis einen hohen Stellenwert – einen so hohen, dass sie im bedeutendsten christlichen Gebet, dem Vaterunser, ihren Ort hat: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“. Die Vergebung, um die mit diesen Worten gebeten wird, ist ebenso lebensnotwendig wie das tägliche Brot, um das Gott in der unmittelbar vorhergehenden Bitte gebeten wird. Und so sind diese beiden Bitten durch das Wort „und“ miteinander verbunden: „Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld“. Die Bitte im Vaterunser, in der um Vergebung gebeten wird, ist in aller nur möglichen Kürze formuliert: „Und vergib uns unsere Schuld“. Aber auf diese Bitte folgt ein Nachsatz. Allein dies ist bemerkenswert, denn diese Bitte ist die einzige im gesamten Vaterunser, die mit einem Nachsatz versehen ist. Dieser Nachsatz lautet: „wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“. Damit werden göttliches und menschliches Handeln zueinander in Beziehung gesetzt. Christ*innen, die letztlich immer auf die Vergebung durch Gott angewiesen sind, können ihn nicht aufrichtig um seine Vergebung bitten, wenn sie selber nicht bereit sind, ihren Nächsten zu vergeben, die ihnen gegenüber schuldig geworden sind. Dem entspricht die Aussage, die im Matthäusevangelium unmittelbar auf das Vaterunser folgt: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (Mt 6,14f.).
Damit diese Erkenntnis jedoch nicht zu einer belanglosen theologischen Richtigkeit verkommt, sondern gelebt werden kann, gilt es wahr- und ernstzunehmen, wie schwer es ist, Menschen zu vergeben, unter denen man gelitten hat. Vergebung gehört zu den Begriffen, die nicht leichtfertig in den Mund genommen werden sollten. Denn er benennt eine der schwersten Herausforderungen, vor die Menschen gestellt werden können. Christoph Huppenbauer hat in seinem vor zehn Jahren erschienenen Buch ‚Vergebung – Zumutung des Glaubens. Herausforderung für kirchliches Handeln‘ (Rosengarten bei Hamburg: Steinmann Verlag 2014) herausgestellt, wie schwer es für Opfer von Gewalt ist, Vergebung zu praktizieren – und zugleich aufgezeigt, dass der Vergebung eine befreiende Kraft innewohnt, die den Teufelskreis von Vergeltung, von Rache durchbrechen kann. Die Möglichkeit der Vergebung ist etwas überaus Wertvolles; sie kann den Weg zu Versöhnung und Frieden ebnen.
Aber die Möglichkeit der Vergebung kann auch pervertiert werden, wenn von den Opfern von Gewalt, sei es direkt, sei es indirekt, eingefordert wird, sie müssten den Täter*innen, die ihnen Gewalt angetan haben, vergeben. Die am 25. Januar dieses Jahres der Öffentlichkeit präsentierte Aufarbeitungsstudie ForuM zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie und die anschließende Auseinandersetzung mit dieser Studie zeigen, dass eben dies geschehen ist, indem Opfer sexualisierter Gewalt unter moralischen Druck gesetzt worden sind, ihren Täter*innen zu vergeben. Die Forderung zu vergeben dürfen Menschen nie an andere stellen, sondern – wenn überhaupt – nur an sich selbst. Und auch dies ist kritisch zu hinterfragen, denn jemand sollte nur dann vergeben, wenn er bzw. sie dazu in der Lage ist, und nicht, weil er bzw. sie moralischen Maßstäben genügen möchte, die eine Überforderung darstellen können.
Bedeutet dies nun, dass Feindesliebe und Vergebung realitätsfern sind? Nein; es gibt zutiefst ermutigende Beispiele dafür, dass es gelingen kann, Feindesliebe und Vergebung nicht nur in der Theorie gutzuheißen, sondern in der Praxis eines Lebens, das durch erlebte und erlittene Gewalt zutiefst geprägt ist, zu leben. Ein Beispiel dafür ist der Parents Circle, ein Zusammenschluss von mehr als 500 israelischen und palästinensischen Familien, die durch den Konflikt zwischen ihren Völkern Kinder oder nahe Angehörige verloren haben und sich gemeinsam für Versöhnung, Dialog und Frieden einsetzen. Diese Initiative wurde bereits mit etlichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Dass israelische Eltern, deren Kind von Palästinensern getötet wurde, und palästinensische Eltern, deren Kind von Israelis getötet wurde, sich treffen, um sich gemeinsam für den Frieden zwischen ihren beiden Völkern einzusetzen, zeigt, dass Feindesliebe möglich ist.
Die christliche Feindesliebe kann also den Weg zu Frieden ebnen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche Christ*innen dies als den einzigen Weg zum Frieden ansehen und somit Pazifist*innen sind. Christ*innen bilden als Kirche einen Teil der Gesellschaft ab; gibt es unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Frage, wie Friede erreicht werden kann, in der Gesellschaft, so gibt es sie auch in der Kirche. Um auch dies anhand von konkreten Beispielen darzulegen: Der frühere Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes hatte im Jahr 1993 anlässlich des Krieges im ehemaligen Jugoslawien zum militärischen Eingreifen in Bosnien aufgerufen und sich dabei auf den Artikel 16 der Confessio Augustana (Augsburgisches Bekenntnis von 1530) berufen, in dem vom „bellum iustum“, vom „gerechten Krieg“, die Rede ist. Dies löste damals eine heftige Kontroverse innerhalb der Kirche aus. Diese Debatte erlebte in unseren Tagen gleichsam eine Neuauflage, als Annette Kurschus, die mittlerweile ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Auffassung vertrat, dass Waffenlieferungen an die Ukraine mit christlichen Grundsätzen zu vereinbaren seien. In einem online veröffentlichten Interview des Nachrichtenmagazins ‚Spiegel‘ sagte sie: „Die Menschen in der Ukraine haben ein Recht auf Verteidigung. Und es gibt auch das christliche Gebot der Nothilfe, wenn Menschen ermordet, gefoltert, erniedrigt, vertrieben werden.“ In einer weiteren Äußerung hat sie die Waffenlieferungen ebenfalls direkt mit dem christlichen Glauben in Verbindung gebracht: „Waffen für die Ukraine sind Pflicht christlicher Nächstenliebe.“ Diesen Aussagen von Annette Kurschus wurde von anderen Christ*innen z.T. heftig widersprochen. Ich nenne nur zwei Beispiele: Margot Käßmann, ebenfalls ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, spricht sich mit Vehemenz gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus, da diese dem Frieden nicht dienen würden. Auch in der Stellungnahme ‚Christ*innen sagen Nein zu Waffenlieferungen und Aufrüstung‘ von einer Gruppe von Pfarrer*innen der württembergischen Landeskirche wird die Auffassung vertreten, dass eine militärische Unterstützung der Ukraine keine dauerhafte Friedensperspektive biete (vgl. Susanne Büttner, Zum andauernden Krieg in der Ukraine. Württembergischer Friedensaufruf zum Reformationstag an Kirche und Politik, in: Deutsches Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt 123, 11/2023, S. 700f.). Diese Vielfalt von Positionen gibt es in der Kirche; sie muss in der Kirche ausgehalten werden und sie kann auch ausgehalten werden.
PD Dr. Hans-Christoph Goßmann ist Privatdozent an der Universität Paderborn im Bereich Religionspädagogik/ Praktische Theologie am Evangelischen Institut.