
Kirchengeschichtliche und systematisch-theologische Reflexionen hängen eng zusammen. So zeigt es u. a. ein aktueller Sammelband im Themenfeld der Schuld- und Rechtfertigungstheologie, an dem sich Katharina von Kellenbach mit einem Aufsatz beteiligt hat. Gleichzeitig wird eine ihrer früheren Publikationen in einem weiteren Aufsatz des Bandes aufgegriffen. Der Band wird vom Verlag folgendermaßen zusammengefasst (vgl. Abstract auf der Homepage, Zugriff: 27.01.25):
Das »Wort des Bruderrates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum politischen Weg unseres Volkes« vom 8. August 1947 benannte erstmals selbstkritisch die politische Mitverantwortung der evangelischen Kirchen für den Aufstieg des Nationalsozialismus. Man bemühte sich um konkrete Analysen, wonach eine entschiedene Umkehr im Denken notwendig sei. Das »Darmstädter Wort«, von Hans Joachim Iwand entworfen, war von Anfang an umstritten. Obwohl es nie offiziell angenommen wurde, zeigte es erhebliche Wirkung. Der vorliegende Band versammelt Aufsätze zur Entstehung, zum Inhalt und zur Rezeption des Darmstädter Wortes. Er fragt danach, welche Rolle Schuldbekenntnisse gesellschaftlich spielen können und in welchen Problemkonstellationen heute von Schuld gesprochen werden muss – der Schuld der »Väter« wie auch der eigenen.
In ihrem Aufsatz „Freigesprochen von der Schuld“ (S. 203–217) untersucht Katharina von Kellenbach die Unterschiede zwischen Rechtfertigung—einem zentralen theologischen Thema—und Selbstrechtfertigung am Beispiel eines intimen Briefwechsels zweier ehemaliger „Kameraden“. Die Freundschaft dieser beiden hochrangigen NS-Funktionäre aus Riga, die beide nach dem Krieg ihre Familien und Karrieren in Westdeutschland aufbauten, zerbricht unter dem Missverständnis der Rechtfertigung als „Befreiung von der Schuld“. Denn der eine bleibt überzeugt und versteht sich trotz gerichtlichen Verurteilung als „nicht schuldig“, während der andere die „Befreiung“ 1945 als existentielle Krise fast nicht überlebt.
Von Kellenbachs biographischer und autobiographischer Zugang zu Schuld, Rechtfertigung und Versöhnung ist auch Thema des Aufsatzes von Marco Hofheinz „Wir sind in die Irre gegangen“. Das „Darmstädter Wort“ aus der Perspektive neuerer zeitgeschichtlicher Forschungen und Fragestellungen zum Umgang mit Schuld in der frühen Nachkriegszeit (S. 61–104) im Sammelband. Unter der Teilüberschrift „Vergebung ohne Reue? Versöhnung ohne Einbeziehung der Opfer? Katharina von Kellenbachs Problematisierung des kirchlichen Umgangs mit Schuld nach dem Krieg“ (S. 66–81) würdigt er ausführlich Kellenbachs Monographie „The Mark of Cain“.

Er verweist dabei u. a. auf die Rezension zu „The Mark of Cain“ von Jutta Koslowski aus dem Jahr 2016, die als kurzer deutschsprachiger Einblick dienen kann. Für Interessierte: Die Rezension ist dreifach veröffentlicht, in der Ökumenischen Rundschau, Jg. 65, Ht. 4, 2016, S. 593–598, im Freiburger Rundbrief, Neue Folge, Jg. 23, Ht. 4, 2016, S. 299–302 und in Enxing, Julia/Peetz, Katharina (Hg.): Contritio. Annäherungen an Schuld, Scham und Reue (Beihefte zur Ökumenischen Rundschau, Bd. 114), Leipzig 2017, S. 74–80. Hofheinz‘ Rezeption von Kellenbachs ebenso kirchengeschichtlich wie systematisch-theologisch relevanter Monografie macht noch einmal deutlich, wie eng die elementaren theologischen Topoi Schuld und Rechtfertigung verwoben sind.
Bibliographische Angaben des Sammelbandes: Hertog, Gerard den; Hofheinz, Marco; Neddens, Christian (Hg.) (2025): »Von der Schuld der Väter wie von unserer eigenen«. Das Darmstädter Wort von 1947 und die Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft heute. Evangelische Verlagsanstalt. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt.
Bibliographische Angaben der Monographie: Kellenbach, Katharina von (2013): The Mark of Cain. Guilt and Denial in the Post-War Lives of Nazi Perpetrators. Oxford, New York, Auckland, Cape Town: Oxford University Press.