Reversing Climate Change: A Three Part Strategy

1. Know This: You Can’t. 

There is actually some psychological comfort to be had in this. The magnitude of the problem is beyond your ability to meaningfully reverse it. On the other hand, the reality of summers with droughts, death and destruction is going to be anything but comfortable. Consider signing up to a philosophy or religion that tells you that there is no reality except the one you create in your mind. Then tell yourself summer is just a mental and cultural construct and go for a walk outside when its 50 degrees, wearing a puffer jacket. These ones by Balenciaga are virtually free, selling for a mere 2.400. Plus, they will match the color of the sun whose rays will now able to reach you without the pesky ozone layer.

2. Recycle. Or Don’t. Either Way, You Won’t Reverse Climate Change 

As narcissistic as you are, the climate crisis humbles you by showing you how utterly insignificant you are. Compared to the ecologically destructive capacities of corporations and states, your puny refusal to recycle pales into insignificance. Even if you dutifully spend hours a day removing un-recycled garbage and dumping it in a wildlife sanctuary from the back of your electric vehicle (powered by a lithium-ion battery with an oversized carbon footprint), your efforts will ultimately have done nothing to bring about the impending end of human life on earth. 100 corporations alone spew out more than 70% of global emissions. Incidentally, the term carbon footprint comes from a British Petroleum ad in which members of the public were asked if they knew what their carbon footprint was. Most did not. This is what corporations, and their indentured servants called nation states, do to deflect attention and responsibility for climate change off themselves and on to you. Don’t be fooled by this. You’re smarter than that. You know you’re not really that important. 

*Unless you’re Jeff Bezos and you’re reading this. In that case you and your penis-shaped rockets really are going to be one of the reasons life on earth will come to an end. But you too, are safe. In our grotesque globalized capitalist economy, nobody will question whether you should have the right to own this much in a world that you, singularly, have done so much to ruin. When the mob comes for you, you’ll be able to fly high into the sky as we worry about the next mega-corporation that uses democratic systems of government like a flushable toilet wipe.

3. Throw Paint on a Painting in a Gallery

This won’t reverse climate change either. But, you will find, there is something poignant about how most people will react when you do this. The outrage expressed over paint being thrown on a priceless work of art (although chances are if it’s in a gallery or a museum it’s overpriced rather than priceless) far exceeds the outrage exhibited as people across the world lose their homes, their rivers, even their children to droughts, famines and wildfires exacerbated by global heating. If the depraved irony of this brings a smile to your face, consider that smiling is far from the worst thing to be doing as the world comes to a slow, burning end.

Dr. Abdul Rahman Mustafa ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Islamischen Normlehre am Paderborner Institut für Islamische Theologie.

#environment #capitalism #climate

Trimum war eine reine Kopfgeburt

Trimum war anfangs eine reine Kopfgeburt. Als 2011 unter dem Dach der Internationalen Bachakademie Stuttgart der Plan für ein dreijähriges interreligiöses Musikprojekt entstand, wussten die damals Beteiligten wenig über den interreligiösen Dialog und hatten noch nie von einer „Komparativen Theologie“ gehört. Von Anfang an war klar: Wir Musiker*innen allein würden dieser Aufgabe nicht gewachsen sein. Also suchten wir uns beratende Unterstützung und fanden sie an verschiedenen Universitäten. Meist blieb es bei einer einmaligen Begegnung. Allein der Kontakt zum ZeKK blieb bestehen und verstetigte sich. Die damaligen Doktorandinnen Serap Ermiş, Cordula Heupts und Tuba Isik wurden zu dauerhaften Beraterinnen, später zu festen Ensemble-Mitgliedern und guten Freundinnen, die mit Trimum durch dick und dünn gingen. Gemeinsam tasteten wir uns von einem Versuch zum nächsten, probierten vieles aus und lernten aus unserem gemeinsamen Scheitern und Gelingen. Der Weg zu unserem ersten Gemeinschaftswerk von 2015 mit dem Titel „Die vielen Stimmen Davids“ war für uns alle eine abenteuerliche, mitunter herausfordernde und letztlich beglückende Erfahrung.

Seither fühlten wir uns dem ZeKK verbunden – wenn auch in den letzten Jahren eher im „Schlummermodus“. Doch jüngst hat die Fernbeziehung nach Paderborn eine kräftige Vitaminspritze erhalten. Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich auf der Rückfahrt von einem gemeinsamen interreligiösen und musikalischen Friedensgebet, das uns Gelegenheit bot, einander neu kennenzulernen und das zugleich den Auftakt zu einer künftigen Kooperation im Rahmen des Forums für Komparative Theologie bildete.

Die Idee zu dieser neuerlichen Zusammenarbeit entstand, als ich Klaus von Stosch von unserem neuen Themenschwerpunkt „Musik und Klima“ berichtete. Trimum hat sich in den letzten Jahren verändert. Zwar sind unsere Projekte auch weiterhin interreligiös und interdiszipinär besetzt. Doch die Interreligiosität unseres Teams ist für uns allmählich zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie bleibt ein wichtiges Merkmal unserer Arbeit, muss aber nicht mehr so stark betont werden, wie in der Anfangszeit. Stattdessen sind wir dazu übergegangen, unsere dialogische und prozessorientierte Arbeitsweise auch auf andere aktuelle Themen und gesellschaftliche Fragestellungen anzuwenden. Wie kann Musik zu einer Unterstützung für Menschen werden, die vor Krieg und Unterdrückung geflohen sind und in einer fremden Gesellschaft Fuß fassen wollen? Welche Musik braucht ein Stadtteil, in dem Menschen aus über 150 Herkunftsländern leben? Wie kann man Musik in Zeiten der Pandemie nutzen, um auch ohne digitale Hilfsmittel „Nähe auf Abstand“ zu ermöglichen?

Seit 2019 ist eine neue Fragestellung ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit gerückt: Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Musik, interkulturellem Dialog und der Klimakrise? Auch hier hatten wir anfangs mehr Fragen als Antworten. Wie wirken sich die Klimaveränderungen auf das kulturelle Erbe der Menschheit aus? Wo ist unser kulturell geprägtes Handeln Teil des Problems? Wie kann es zu einem Teil von Lösungen werden? Oder auch, ganz praktisch gefragt: Wie kann die Klimabewegung bunter und diverser werden? Wie lassen sich mehr Menschen für ein suffizientes und zukunftsfähiges „gutes Leben“ begeistern? Welche neuen Erzählungen, Bilder, Traditionen und Rituale brauchen wir, um die sozial-ökologische Transformation anschaulich zu vermitteln und mit Leben zu füllen?

Ich freue mich sehr darauf, dass ich diesen Fragen nun auch im Rahmen des CTSI Bonn und des Forums für Komparative Theologie nachgehen kann. Ein Jahr lang darf ich Cordula Heupts vertreten und von Bonn aus als Fachfremder am Aufbau der neuen Kooperationsplattform mitarbeiten.

Eine nächste wichtige Station dieser Zusammenarbeit wird eine Zukunftswerkstatt „Kultur und Klimaschutz“ sein, die vom 27. bis 29. Oktober in Bonn stattfinden wird. Gemeinsam mit der Klima-Allianz Deutschland und Germanwatch werden wir aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die vielfältigen Wechselbeziehung zwischen Kultur und Klimakrise schauen. Der Begriff „Kultur“ soll dabei bewusst in seiner ganzen Breite und Mehrdeutigkeit verstanden werden: Von den großen Kulturinstitutionen über die freie Szene bis hin zur Alltagskultur oder zur prägenden Kraft religiöser und kulturell vermittelter Werte. Aus den Ideen, Fragen und Anliegen der Teilnehmenden wird zu Beginn der Zukunftswerkstatt eine gemeinsame Agenda entstehen, die dann im Laufe der drei Tage mit Leben gefüllt wird. Und weil auch Trimum mit von der Partie ist, werden wir es uns sicher nicht entgehen lassen, zwischendurch zum interkulturellen und interreligiösen Singen einzuladen.

Worauf das Ganze zielt? Was am Ende dabei herauskommen soll? Ich weiß es nicht.

Trimum war eine reine Kopfgeburt. Hätte diese Idee damals nicht im Zusammenwirken jüdischer, christlicher und muslimischer Musikerinnen, Theologen, Komponisten und Wissenschaftlerinnen Gestalt angenommen, dann wäre das Vorhaben sehr schnell wieder zu Ende gewesen. Auch die Idee, Musik und interreligiösen Dialog für den Klimaschutz fruchtbar zu machen, ist momentan eine solche Kopfgeburt. Ob sie sich eines Tages bewahrheiten wird, weiß ich nicht. Aber eines weiß ich: Es lohnt sich, es zu versuchen. Sich auf den Weg zu machen, sich von einem Versuch zum nächsten zu tasten und aus dem gemeinsamen Scheitern und Gelingen zu lernen.

(Anmeldungen oder Rückfragen zur Zukunftswerkstatt bitte an klima@trimum.de).

Bernhard König ist Komponist, Hörspielmacher, Konzertpädagoge und Leiter des Musikprojekts TRIMUM.

#Interreligiös #Musik #TRIMUM #Friedensgebet

Morgen ist es zu spät;[1]

Die Neubewertung der Friedenstheologie von Papst Franziskus im Lichte der aktuellen Geschehnisse


Wir erleben tagtäglich, welche wichtige Rolle die Religionen auf gesellschaftspolitischer Ebene spielen. Menschen werden aufgrund ihres religiösen und/oder ethnischen Hintergrunds diskriminiert. Es kommt zu (anti)religiös-motivierten Handlungen, die gesellschaftspolitische Auswirkungen auf internationaler Ebene haben. Politiker:innen benutzen (anti)religiös-motivierte Argumente in ihren angeblich rein politischen Polemiken. All dies zeigt, dass „Religion“ in unseren säkularisierten Gesellschaften immer noch eine wichtige Rolle spielt. Die aktuellen Geschehnisse sind Zeugnisse dafür.

Nach der Tötung eines Jugendlichen mit Migrationshintergrund, nach der Zuschreibung, seine Identität als „muslimisch“ zu lesen, kam es in Frankreich zu gewaltsamen Ausschreitungen. Dieses Geschehnis ist ein Ergebnis einer jahrelang-verleugneten rassistisch begründeten Spaltung Frankreichs.[1]

Die Koranverbrennung in Schweden am Opferfest vergangene Woche hat scharfen Protest in mehreren muslimischen Ländern ausgelöst. „Verbote von Anti-Koran-Demonstrationen waren zuvor von Gerichten mit Verweis auf die Redefreiheit aufgehoben worden.“[2] Dies hat politische Konsequenzen für Stockholm, denn Ankara kann den Nato-Beitritt Schwedens erschweren. So verschärft sich die Spannung zwischen zwei Ländern. „Ankara wirft Stockholm vor, islamfeindliche Stimmungen im Land mindestens zu tolerieren – unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit“.[3]

Die aktuellen Ereignisse in Frankreich und Schweden sollten in einem breiteren Kontext gesehen werden. In der Welt, vor allem in der westlichen Welt, werden der Islam und die Muslim:innen in den letzten Jahrzehnten überwiegend als Feindbilder stilisiert. Beispiele dafür: In den USA wurde unter Trump ein Reiseverbot erlassen, das im Wesentlichen ein „Verbot für Muslim:innen“ war, mit dem „sie“ daran gehindert werden sollten, das Land zu betreten. In Indien werden Gesetze erlassen – ermutigt durch einige religiös-nationalistische Tendenzen –, die Muslimen die Staatsbürgerschaft streitig machen. In Frankreich vertritt der Präsident 2020 als Reaktion auf ein Verbrechen, das jemand „im Namen des Islam“ begangen hat, eine negative Position gegenüber dieser Religion als Ganze und erklärt sie zu „einer Religion, die heute überall in der Welt in einer Krise steckt“ und drängt auf die Notwendigkeit, einen „Islam des Lumières“ (Islam der Aufklärung) aufzubauen.[4] Diese Reaktion des französischen Präsidenten, die eine Art Gleichstellung von „Islam“ mit „Islamismus“ implizierte, führte zu einem Wutausbruch in der muslimischen Welt und heizte die antiwestliche Stimmung wieder an. Sie brachte unter anderem den türkischen Präsidenten dazu, sein französisches Gegenüber offen anzugreifen.

Während sich gläubige Muslim:innen durch die antimuslimischen Aktionen im Westen und das Schweigen der meisten Behörden und Politiker:innen im Namen der „Meinungsfreiheit“ beleidigt fühlen, könnten die positiven Schritte von Papst Franziskus in Richtung Frieden von sehr großer Bedeutung sein. Vor allem seine jüngste Reaktion auf Koranverbrennung kann als eine sehr konstruktive Geste der Solidarität in einer Zeit der religiös-grundierten Krisen verstanden werden. „Ich bin entrüstet und angewidert von diesen Vorgängen“, sagte der Papst. Jedes Buch, das als heilig gelte, müsse, so Franziskus, aus Respekt gegenüber den Gläubigen respektiert werden. „Die Redefreiheit sollte niemals als Mittel benutzt werden, um andere zu verachten – und dies zu erlauben, sollte zurückgewiesen und verurteilt werden“.[5]

Von Beginn seiner Aufgabe als neuer Papst an hat Franziskus einige sehr wichtige Schritte für den Weltfrieden unternommen, sowohl auf der theoretischen als auch auf der praktischen Ebene.

Die Papst-Enzyklika „Fratelli Tutti“ erschien auch zu einem kritischen Zeitpunkt, an dem die Welt einerseits mit zunehmender Islamophobie und der damit wachsenden Fremden- und Islamfeindlichkeit in der westlichen Gesellschaft, andererseits mit Islamismus und Salafismus und damit verbundenen Hassreden von der Kanzel konfrontiert war. Heute stehen wir dem erschreckenden Phänomen des wachsenden Rassismus, Nationalismus und Rechtspopulismus in der ganzen Welt gegenüber, in denen die Religionen manipuliert werden. Daher ist die aktuelle Reaktion des Papstes wie es auch seine päpstlichen Dokumente zum Thema Frieden von äußerster Wichtigkeit im gegenwärtigen kritischen politischen Klima. Sie bedeuten viel in einer Zeit, in der „Religion“ erneut in den Vordergrund gerückt wird, um wieder für politische Interessen genutzt zu werden. Die Welt scheint auf einen „Kampf der Zivilisationen/ Kulturen“ zuzusteuern, in dem „Religion“ eine wichtige Rolle spielt, um den aggressiven Diskurs über kulturelle, nationale, ethnische und sogar rassistische Überlegenheit zu befeuern.

Um diese religiös-ethnisch grundierten Spannungen zu beenden oder mindesten zu entschärfen, können und sollten die religiösen Autoritäten und Theolog:innen schnellstmöglich eine aktivere Rolle für den Frieden übernehmen. Denn, morgen ist es zu spät![6]


[1] „Blackout – Morgen ist es zu spät“ (2012) ist der Titel eines Technik-Thrillers des österreichischen Autors Marc Elsberg. Das Buch ist der SPIEGEL-Bestseller.

[1] https://www.nytimes.com/2023/07/02/france-nahel-soccer-hijab.html

[2] https://www.spiegel.de/panorama/papst-franziskus-verurteilt-koran-verbrennung-in-schweden-a-3aff16f9-f4b8-4fe8-b8e3-774deb6e1f89

[3] https://www.tagesspiegel.de/internationales/antiislamischer-protest-in-stockholm-koranverbrennung-ist-barbarisch-und-schrecklich-10062178.html

[4] Dazu mehr unter:https://www.euronews.com/2020/11/02/macron-and-islam-what-has-the-french-president-actually-said-to-outrage-the-muslim-world

[5] https://www.spiegel.de/panorama/papst-franziskus-verurteilt-koran-verbrennung-in-schweden-a-3aff16f9-f4b8-4fe8-b8e3-774deb6e1f89

[6] Die Autorin dieses Blog-Textes hat zwei Beiträge zur Friedenstheologie von Papst Franziskus, vgl.:

Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden; Der Beitrag von Papst Franziskus zum Weltfrieden. Eine Betrachtung aus muslimischer Sicht“, in Papst Franziskus: Mensch des Friedens. Zum friedenstheologischen Profil des aktuellen Pontifikats, Herder, S. 111-127, 2022.

Fratelli e sorelle tutti; Die Sozialenzyklika aus islamischer Sicht“, Amos-international 1/2021, S. 27–35.

Bild von Wikimedia

Dr. Seyedeh Saeideh Mir Sadri ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Islamische Systematische Theologie am Paderborner Institut für Islamische Theologie der Universität Paderborn.

#Islamfeindlichkeit #PapstFranziskus #Islamophobie #Politik

Nicht normal

Ich bin 1985 geboren und kann mich aus heutiger Sicht an keinen Mangel erinnern. Klar, es gab nicht jedes Spielzeug und ein Studienjahr in Harvard war später auch nicht drin, aber aufs Ganze gesehen war alles im Überfluss da. Dass es mir und vermutlich vielen anderen nur so vorkam, habe ich erst in den vergangenen Jahren – mit der Corona-Pandemie und den konkreten Auswirkungen eines Krieges auf europäischem Boden – zu realisieren begonnen. Dass Ressourcen nicht unendlich sind, wusste ich natürlich immer irgendwie (oder zumindest kommt es mir jetzt so vor). Aber erst jetzt, im Angesicht bereits im Juni verbrannter Grünflächen, dämmert mir, was endliche Lebensgrundlagen existentiell für mich und meine Familie bedeuten.

Ebenso dämmert mir, dass das ständig wiederholte Mantra kapitalistischer Gesellschaften, es möge schnellstmöglich wieder normal werden, an der Wirklichkeit schlicht vorbeiläuft. Das Normale von gestern kommt nicht aus ohne ein gehöriges Maß an Realitätsverweigerung – auch und vor allem, weil zunehmend klar wird, dass es aus Gründen sozialer und ökologischer Gerechtigkeit ein anderes Normal braucht. Das gute ist nicht automatisch auch das richtige Leben. Wer aber einmal ernsthaft versucht hat, sein Leben nicht am eigenen Glück, sondern am moralisch Richtigen auszurichten, der wird an zwei Erfahrungen nicht vorbeigekommen sein: Erstens, Gutes tun macht das eigene Leben nicht unbedingt besser. Und zweitens – noch deutlich frustrierender – scheint die Welt durch das eigene Handeln überhaupt nicht besser zu werden.

Auch religiöse Menschen stecken natürlich in diesem Dilemma, die Welt verbessern zu wollen und an den Grenzen der eigenen Möglichkeiten und dem Widerstand der Welt zu scheitern. Den christlichen Glauben unterscheidet aber von Utopien an dieser Stelle ein ziemlich harter Realismus: Weder wirst Du die Welt retten, noch Deine eigene Glückseligkeit sichern können. Das ist die conditio humana, das menschliche Normal. Die Frage ist, ob Du glaubst, dass es trotzdem sinnvoll und richtig ist, für die Welt und die Menschen zu tun, was Dir möglich ist. – Ob Du glaubst, dass es nicht gleichgültig ist, dem Leiden Deiner Nächsten in Liebe und Freundschaft oder in Egoisums und Zynismus zu begegnen. Christlicher oder sogar religiöser Glaube überhaupt hat mit einer Stabilisierung dieser Spannung aus anthropologischem Realismus und existentiellem Optimismus zu tun. Er artikuliert das Vertrauen, dass der Einsatz für das Gute (trotz allem) nicht sinnlos ist. Der Glaube kann so entdeckt werden als Ressource für ein Handeln, das nicht vor dem neuen Normal flüchten, sondern es zum Guten verändern will. Ein so verstandener Glaube hat auch säkularen Gesellschaften bleibend etwas zu sagen.

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Prof. Dr. Aaron Langenfeld ist Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät Paderborn.

#Glaube #Realität #Ökologie #Krisen

Mimaamakim… Aus der Tiefe

Ich begleite die letzten Tage im Leben eines Menschen, der für mich unentbehrlich war.

Das ist eine sehr schwierige, emotionale und unvergleichliche Aufgabe. Die Konfrontation mit der Endlichkeit, mit den Grenzen und Wegen angesichts des Leidens und den Möglichkeiten, damit umzugehen, wirft uns in ein Paralleluniversum von Erfahrungen, ich erlebe es wie einen langen, dunklen Tunnel…

GESUNDHEIT UND KRANKHEIT, LEBEN UND TOD sind die grundlegendsten Umstände, die die Suche nach Spiritualität, Religiosität und Antworten auf Glück und Leid begünstigen. In unserem modernen Verständnis sind es zuerst die Umstände, dann wenden wir uns Gott zu.

Zwei grundlegende Texte der Tora lehren jedoch, dass die Genealogie der Ereignisse umgekehrt ist, auch wenn dies schwer zu akzeptieren ist. Es handelt sich um zwei Prüfungen für zwei Männer des Glaubens, Abraham und Hiob.

Gott prüfte Abraham, lesen wir in Gen. 22, und er prüfte ihn mit einer unmöglichen Forderung: Er sollte seinen eigenen Sohn töten. Welcher Mensch würde eine solche Prüfung auf sich nehmen und trotzdem leben? Oder wie kann man ein Mensch des Glaubens bleiben, nachdem man eine solche Prüfung bestanden hat?

Und außerdem (und das wäre das Thema eines anderen Blogs), warum Gott als ein so grausamer Gott dargestellt wird, der eine Wahl zwischen absoluter elterlicher Liebe und absoluter göttlicher Liebe verlangt.

Der zweite Bezug ist das Buch Ijob, dessen Text das Vertrauen auf Gott auch in der größten Not betont: Es ist selbstverständlich, Gott zu danken, wenn man den sonnigen Weg des Lebens geht. Was aber, wenn Schatten auf einen fallen? Wäre es nicht eher zu erwarten, dass man sich über Gott ärgert, ihn herausfordert und verflucht? 

Der Gott Israels ist ein Gott, der prüft, der Prüfungen zulässt (in Hiob), der dann aber in unseren Texten das Opfer des Sohnes nicht konkretisiert und den reich belohnt, der trotz Verlust von allem (durch die Hand des Satans, verfeinert den Text) seine Treue bewahrt.

Die Tatsache, dass das Gute und das Böse in Gottes Hand liegen, lädt dazu ein, das Leiden als das Menschlichste zu akzeptieren, das die Erfahrung des Lebens mit sich bringt. Das Leiden wird nicht als ein Schlagwort der Stärke und der Resilienz, nicht als schicksalhaftes Verhängnis, sondern als ein lebenswichtiger Rahmen verstanden, der uns vor dem Abgrund auf die Probe stellt und uns aus der Tiefe aufschreien lässt, wie es Psalm 130 tut. In der Antwort, die wir erhalten und die so sehr, aber nicht nur, von uns abhängt, öffnet sich der Weg zu Ausgleich, Heilung und Weisheit.

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Liliana Furman ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Pnina Navè Levinson Seminar für Jüdische Studien der Universität Paderborn.

#Leiden #Schmerz #Glaube #Probe #Widerstand #Kräfte

Gott ist queer

Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2023 in Nürnberg endete am vergangenen Sonntag mit einem Abschlussgottesdienst, der für Schlagzeilen sorgt.[1] Im Fokus steht die Predigt von Pastor Quinton Ceasar, der in der Losung „Jetzt ist die Zeit“ (Mk 1,15) den Auftrag sieht, Veränderungen nicht aufzuschieben, sich nicht mit einem „Die Zeit wird kommen“ zufrieden zu geben. Er spricht von Veränderungen hin zu Gerechtigkeit und betont, dass Liebe ohne Gerechtigkeit nicht zu verwirklichen ist. Nächstenliebe braucht Solidarität mit denen, die marginalisiert und diskriminiert werden. Allerdings nicht von oben herab, sondern im Miteinander auf Augenhöhe. Das erfordert das Verlassen von Happyland, ein Begriff, den er von Tupoka Ogette[2] übernimmt. In Happyland leben diejenigen, die dank ihrer Privilegien keine Diskriminierungserfahrungen machen und am liebsten auch nichts mit Diskriminierungen zu tun haben wollen. Sätze wie „Ich sehe keine Hautfarbe, keine Behinderung, kein Geschlecht.“[3] seien nach Ceasar Ausdruck des Wegsehens. Problematisch ist es, wenn dieses Wegsehen mit Glaubensaussagen verbunden wird, die die eigene privilegierte Position nicht reflektieren und somit zu Plattitüden werden. Vielmehr noch: Sie werden zu einer Gefahr. Ich schließe mich dieser Einschätzung an. Wenn eine Aussage wie „Gott liebt uns alle gleich“ aus Happyland heraus getroffen wird, gleicht das einer Lüge, wenn im selben Moment Menschen diskriminiert werden. Ceasar bringt es auf den Punkt: „Gott ist parteiisch.“[4] Gott sieht die Vielfalt an Hautfarben und Geschlechtern und sieht vor allem Diskriminierungen, die Menschen vornehmen. Gott steht an der Seite der Marginalisierten.

Die befreiende Botschaft, die damit einhergeht, dass Gott an der Seite der marginalisierten und diskriminierten Menschen steht, wird schon lange nach außen getragen.[5] Sie erreicht vorrangig diejenigen, die sie brauchen, eben die Marginalisierten und Diskriminierten. Durch die Predigt auf dem Kirchentag trifft sie auf die Ohren einer großen Menge an Menschen an unterschiedlichsten gesellschaftlichen Standorten. Für Menschen in Happyland gleicht die Botschaft mitunter einer Bedrohung, hätte sie doch in der Umsetzung zur Konsequenz, die eigenen Privilegien zu reflektieren und im Einsatz für Gerechtigkeit zu nutzen. Das erklärt für mich auch den Trubel rund um die wohl am stärksten diskutierte Aussage aus der Predigt: „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer.“[6] Worum geht es hier? Es scheint mir zum einen darum zu gehen, dass „queer“ nicht in seiner begrifflichen Ganzheit verstanden wird. So ist z.B. in einem Kommentar zur Predigt folgende Definition zu finden: „Queer ist zu verstehen als Sammelbegriff für Personen, deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, die also etwa schwul, lesbisch, bi-, trans-, oder intersexuell sind.“[7] Das kritische und dekonstruierende Potenzial des Begriffs als Perspektivbegriff wird hier nicht genannt. Mit „Gott ist queer“ muss nicht gemeint sein, dass Gott ein Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung zugeschrieben wird. „Gott ist queer“ kann auch bedeuten, dass Gott nicht normativ auf Menschen blickt. Es kann bedeuten, dass in der Gottebenbildlichkeit Menschen dazu befähigt, gar aufgefordert sind, Normen zu hinterfragen und aufzulösen, wenn diese zu Benachteiligungen führen. Und das würde bedeuten, Happyland zu verlassen, sich aktiv für Gerechtigkeit einzusetzen, auf eigene Bevorteilung zu verzichten. Konkret bedeutet das, und da kann ich mich den Impulsen von Ceasar nur anschließen, sich um das Abmildern der Klimakatastrophe zu bemühen, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einzutreten und religiöse Orte zu Safer Spaces für Menschen zu machen, die diese bisher nicht als solche wahrnehmen.

Zum anderen hinterlassen die kritischen und feindlichen Kommentare zur Predigt den Eindruck, dass einer gewissen Angst vor Unordnung und Vielfalt Ausdruck verliehen wird. Es ist davon die Rede, dass die Predigt konservative Christ*innen kränke.[8] Ich frage mich, was als Kränkung wahrgenommen wird. Wird „Gott ist queer“ so interpretiert, dass Gott nur queer ist und sonst nichts anderes? Geht es darum, dass Deutungshoheiten infrage gestellt werden? Diese Predigt irritiert Normativitäten, was an der Frage danach deutlich wird, ob es sich um eine offizielle Predigt oder einen Nischenvortrag handelt.[9] Konservatives Christentum wird dadurch zum Normalfall erklärt, die Predigt als Abweichung davon wird kritisiert und marginalisiert, in eine Nische gedrängt. Der Wunsch nach einer möglichst homogenen Kirche scheint durch, Vielfalt wird als riskant wahrgenommen. Dieser Wunsch wirkt auf mich sehr bedrohlich und ich hoffe, dass die Predigt selbst und die Diskussion rund um diese einen Anstoß geben, um noch stärker als bisher über Vielfalt innerhalb von Glaubensgemeinschaften ins Gespräch zu kommen, Privilegien zu reflektieren, Diskriminierungen nicht auszublenden und Aussagen wie „Gott ist queer“ zu nutzen, um einen konstruktiven und respektvollen Umgang mit Ambiguität einzuüben, kurz gesagt: den Weg raus aus Happyland zu gehen.


[1] Z.B. „Kirchentag schließt mit Gaga-Predigt: ‚Gott ist queer!‘“ (https://pleiteticker.de/kirchentag-schliesst-mit-gaga-predigt-gott-ist-queer/, 14.06.2023).

[2] Ogette, Tupoka: exit RACISM. Rassismuskritisch denken lernen, Münster 2017.

[3] BR24live: Gottesdienst beschließt Kirchentag in Nürnberg | BR24, Minute 32:52 (https://www.youtube.com/watch?v=-H31NLj2F0g, 14.06.2023).

[4] Ebd., Minute 35:49.

[5] Diverse Befreiungstheologien basieren auf dieser Botschaft, darunter auch queere Theologien.

[6] BR24live: Gottesdienst beschließt Kirchentag in Nürnberg | BR24, Minute 34:42 (https://www.youtube.com/watch?v=-H31NLj2F0g, 14.06.2023).

[7] Gansewindt, Till: „Gott ist queer“: Mitteldeutsche Kirchen diskutieren über Kirchentag-Predigt (https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/kirchentag-gott-ist-queer-diskussion-mitteldeutschland-100.html, 14.06.2023).

[8] Vgl. Kunze, Romina: „Gott ist queer“: Abschlusspredigt des Kirchentags in Bayern sorgt für Wirbel (https://www.merkur.de/deutschland/viral-ceasar-pastor-gott-ist-queer-abschlusspredigt-evangelischer-kirchentags-geht-92337783.html, 14.06.2023).

[9] Vgl. ebd.

  • Bild von Vera Uppenkamp

Dr. Vera Uppenkamp ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Religionspädagogik unter besonderer Berücksichtigung von Inklusion am Evangelischen Institut der Universität Paderborn.

#queer #Kirchentag #Gerechtigkeit

Heil in Zeiten von Un-Heil

Befragt man Google im Mai 2023 nach dem Ukraine-Krieg, liefert die Suchmaschine konkrete Zahlen zu Todesfällen (mind. 62.295), zu verletzten bzw. verwundeten (mind. 59.244), zu vermissten (mind. 15.000) und zu geflüchteten Menschen (ca. 17 Mio.).[1] Die blanken Zahlen lassen das Ausmaß der Zerstörung und der damit einhergehenden Leiden und des Leides, des Un-Heils, aus der Perspektive nicht mittelbar Betroffener auf abstrakte Weise erahnen. Gerade im Umgang mit vom Krieg materiell, physisch und psychisch geschädigten Menschen drängt sich die Frage nach „Heilung“ und „Heil“ auf.

Auch das Markusevangelium, das in die Zeit des Jüdisch-Römischen Kriegs um 70 n. Chr. datiert wird, verarbeitet jene Kriegserfahrungen, in deren historischem Kontext es steht. Wie aber begegnet das Evangelium angesichts solcher Kriegserfahrungen der Frage nach „Heil“?

Begrifflich ist es dem Verb sōzein implizit, das insgesamt 13-mal im Evangelium vorkommt und im Deutschen die Bedeutungen heilengesundmachen, retten trägt. Es steht bei Markus immer im Sinne von Leben erhalten / bewahren / rettenaus der Todesgefahr oder angesichts des drohenden Endgerichts. Insgesamt 6-mal begegnet sōzein in markinischen Wundererzählungen und steht dann auffällig im Zusammenhang mit dem Glauben (Pistis); markant im von Jesus an Heilungsbedürftige gesprochenen formelhaften Satz: „Dein Glaube hat dir geholfen“ (vgl. Mk 5,34; 10,52). Der Zusammenhang von „Glaube“ und „Heilung“ bzw. „Rettung“ wird vom markinischen Jesus selbst vorgegeben.[2]

Bereits im Titel in Mk 1,1 wird Jesus als Christos und als Sohn Gottes vorgestellt und diese Vorstellung im anschließenden Prolog in Mk 1,2–15 expliziert. Der Prolog beginnt mit einem Schriftzitat aus Jes 40,3, Mal 3,4 und Ex 23,30, um das Auftreten Johannes des Täufers (in Mk 1,4–8) als Erfüllung der Schrift zu kennzeichnen und das Folgegeschehen in dieses Licht zu stellen. Durch gezielt eingespielte intertextuelle Bezüge insbesondere auf das Jesajabuch (vgl. Jes 42,1; 52,7; 61,1)LXX wird Jesus in Mk 1,9–15 als der vom Propheten Jesaja in Aussicht gestellte Freudenbote präsentiert und „erkennbar mit dem prophetischen, gesalbten Verkündiger des Heils aus Jes 61,1f.“[3] identifiziert. In Jesu Taufe in Mk 1,11 durch die göttliche Stimme als Gottessohn benannt, erweist er sich in der Versuchung durch den Satan in Mk 1,12f. als solcher. Wird die Evangeliumsverkündigung Jesu in Mk 1,14f. unter Rückgriff auf Jes 52,7LXX mit der Ankündigung des Friedensboten erzählt, der Gutes predigt und Heil verkündigt, wird Jesus mit Mk 1,14f. zu demjenigen Geistbegabten, der in Entsprechung zu Jes 61,1 die künftige Gottesherrschaft verkündigt. Mit dieser christologischen Vorstellung Jesu im Prolog verbindet sich eine auf das Heil ausgerichtete Bedeutung seines verkündigenden und heilenden Wirkens. Mit ihr gibt der Gottessohn einen Hinweis auf die nahegekommene Gottesherrschaft, an die das Heil geknüpft ist. Das Heil wird bei Markus also theozentrisch gedacht und besteht darin, an der Herrschaft Gottes zu partizipieren, d. h. schließlich: gerettet zu werden und das ewige Leben (bei Gott) zu haben (vgl. Mk 10,17.23–27).

Einer Überschrift ähnlich charakterisiert also die Verkündigung in Mk 1,14f. das folgende Wirken des geistgesalbten Gottessohnes. Als solcher ist Jesus vollmächtiger Bote Gottes (vgl. Mk 1,2.22.27; 5,6f.), der die Gottesherrschaft ankündigt und in dessen Wirken sich Gottes Handeln in der Welt zugleich realisiert. Die endgültige Realisierung der Herrschaft Gottes kann allerdings erst durch den Menschensohn herbeigeführt werden, wie es die Ankündigungen des Menschensohnes in Mk 8,31; 9,31; 10,33–34 und Mk 14,62 theologisch entfalten. Jesu irdisches Wirken als Wirken des vollmächtigen (Heils-)Boten Gottes, durch den Gott selbst wirkt, bildet eine Vorausschau auf das endzeitliche Heil: „Die Präsenz eschatologischen Heils ist an die Person Jesu gekoppelt – wo er ist, geschieht Heil.“[4]

Das wird insbesondere in Jesu Wunderwirken deutlich, das als eine anfängliche Realisierung endzeitlichen Heils zu lesen ist und zugleich einen Ausblick auf jene Heilszeit gibt, an der diejenigen Teil haben, die bei Jesus sind (z. B. Mk 3,14f.31–35) und ihm nachfolgen (Mk 1,16–20; 8,34f.).

Untrennbar mit seinem Wunderwirken verbunden ist − wo nicht explizit, da implizit – der Glaube. Zu diesem ruft der markinische Jesus im Rahmen seiner Evangeliumsverkündigung in Mk 1,14f. auf, die seinem Wirken insgesamt programmatisch überschrieben ist: „Glaubt an das Evangelium.“

„Glaube wird im Markusevangelium als Gottesglauben (vgl. 11,22) im Sinne eines unbedingten und uneingeschränkten (vgl. Mk 5,36: μόνον πίστευε) Vertrauens auf den Schöpfergott, dem alles möglich ist (10,27; 14,36), verstanden. Durch das uneingeschränkte Vertrauen auf Gott – das sich besonders im Gebet manifestiert (11,24–25; 9,29) – erfährt man, dass die Macht Gottes in der Gegenwart wirksam wird (11,23–25; 9,23). Die als Glaubenserzählungen erzählten Heilungserzählungen (2,1–12; 5,21–43; 9,14–29) illustrieren dies […].“[5]

So gibt die Erfahrung, gar Teilhabe am von Jesus gewirkten Heil des Schöpfergottes Ausblick auf die Herrschaft Gottes in der Gestalt einer endzeitlichen Neuschöpfung (vgl. Mk 7,31–37). Die Nachfolge bildet auf Grundlage des Glaubens im markinischen Konzept die Voraussetzung einer Partizipation an ihr, d. h. der Teilhabe am Heil. Für die ersten Adressaten des Evangeliums, die wie das Evangelium selbst im historischen Kontext des Jüdisch-Römischen Krieges anzusiedeln sind, eröffnet das Markusevangelium neben der vermittelten Erfahrung und Erinnerung an das Heilswirken Jesu also einen Ausblick auf das endzeitliche Heil bei Gott, das sich in ihrer Nachfolge realisiert.

So gelesen vermag das Markusevangelium auch in heutigen Krisenzeiten ein Hoffnungstext zu sein, in dem uns in der Erinnerung an das Wirken Jesu nicht nur Heil(ung) begegnet, sondern Heil in Aussicht gestellt wird.


[1] Die vorgestellten Zahlen bilden den Stand vom 26. Mai 2023 ab und basieren z. T. auf Schätzungen.

[2] Vgl. Frey, Jörg, Von Jesus zur neutestamentlichen Theologie. Kleine Schriften II (WUNT 368), Tübingen 2016, 557.

[3] Frey, Jesus, 563. 

[4] Du Toit, David S. Du, Heil und Unheil: Die Soteriologie des Markusevangeliums, in: Ders. / Gerber, Christine / Zimmermann, Christiane (Hgg.), Sōtēria: Salvation in Early Christianity and Antiquity. Festschrift in Honour of Cilliers Breytenbach (NovT.Sup 175), Leiden 2019, 193f.

[5] Du Toit, Heil, 193.

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Saskia Breuer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Biblischen Theologie und befasst sich mit dem Neuen Testament am Institut für Katholische Theologie der Universität Paderborn.

#Ukrainekrieg #Heil #Markusevangelium

Reflektierter Religionsunterricht?

Der Religionsunterricht hat laut Lehrplan die Aufgabe die religiöse Dialog- und Urteilsfähigkeit zu entwickeln und zu fördern. Damit einher geht auch, dass die Schüler*innen lernen sollen, ihren Glauben zu reflektieren. Dies ist ein Lernprozess, der von den Lehrkräften aktiv mitgestaltet werden muss. Wer wird aber heute noch Religionslehrer*in? Aufgrund der Säkularisierung und dem Missbrauchsskandal sinken die Zahlen der Studierenden für das Fach Katholische Religionslehre dramatisch. Man entscheidet sich für dieses Fach nicht mehr, weil es „leicht“ ist. Wer dieses Studium wählt, bringt eine gewisse Passion mit und trifft ganz bewusst eine Entscheidung dafür. Wer aber sind diese Studierende, die trotz aller Unruhe Katholische Religionslehre studieren?

Im Rahmen meines Seminars an der Uni habe ich den Theologiestudierenden mehrere soziologische Fragen gestellt: Kommen Sie vom Land oder aus der Stadt? Haben Sie Geschwister? Sind Sie in einem behüteten Elternhaus aufgewachsen? Haben Sie ein Ehrenamt ausgeführt? Sind Sie als Kind regelmäßig in die Kirche gegangen? Meine Fragen zielten eindeutig darauf hin, dass der Großteil der Studierenden dem Milieu der Konservativ-Bürgerlichen zugeordnet werden kann und das Ergebnis ließ kaum Zweifel offen: Über 80% der Studierenden kamen vom Land, waren in der Kindheit regelmäßig in der Kirche und hatten ein behütetes Elternhaus. Sogar 100% der Studierenden haben Geschwister und fast 70% führten ein Ehrenamt aus. Das Theologiestudium scheint somit eine ganz gewisse Klientel anzusprechen. Wenn man die Sinus-Milieu-Studie hinzuzieht, würde bei diesen Studierenden vom konservativ-bürgerlichen Milieu gesprochen werden. Dies beeinflusst auch die Religionspädagogik und den Religionsunterricht in nicht unerheblichem Maße, da viele Schüler*innen den Anschluss an die Religionen verloren zu haben scheinen. Die (angehenden) Religionslehrkräfte und auch die Religionspädagog*innen müssen dies vor Augen haben. Gerade wenn sie aus dem konservativ-bürgerlichen Milieu kommen, müssen sie immer wieder auf die Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen, die sich größtenteils nicht mehr mit den klassischen religiösen Weltbildern identifizieren können oder zum Beispiel aus prekären Verhältnissen kommen. Herausfordernd ist das für die Lehrkräfte insbesondere auch, da Schulbücher ebenfalls oft noch klare konservativ-bürgerliche Rollenbilder vertreten und somit Schüler*innen aus anderen Milieus gar nicht abgeholt werden. Wenn im Religionsunterricht beispielsweise die Familie als Thema behandelt wird, müssen sich die Religionslehrkräfte bewusst sein, dass ein Großteil der Schülerschaft eben nicht aus einer ländlichen Familie mit mehreren Kindern mit regelmäßigen Kirchbesuchen kommt. Vielmehr muss der Religionsunterricht so konzipiert werden, dass gerade auch die Schüler*innen, die noch keine oder kaum Erfahrungen mit Religion gemacht haben, Zugang zu den religiösen Themen finden und sprachfähig in der Religion gemacht werden. Dies ist ein komplexer Prozess, der die eigene Reflexion des Handelns als Lehrkraft immer wieder erfordert und daher so herausfordernd ist.

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Julian Heise ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich für Religionspädagogik unter besonderer Berücksichtigung von Inklusion an der Universität Paderborn.

#Schule #Religionsunterricht #Milieu #Religion #Reflexion

Die kritische Männlichkeitsforschung in der Theologie

In den letzten Jahrzehnten hat die Männlichkeitsforschung einen bedeutenden Wandel erfahren. Während das Thema zuvor oft vernachlässigt wurde, haben Forscher*innen wie Björn Krondorfer, Martin Fischer oder Ruth Heß begonnen, kritisch über männliche Identität und Geschlechterrollen im theologischen Kontext nachzudenken.[1]Durch Beiträge wie die des Migrationsforschers Michael Tunç[2] hat sich diese Entwicklung nun auch zunehmend auf die islamische Theologie ausgeweitet. Doch was sind die Forschungsabsichten der kritischen Männlichkeitsforschung und wie kann sie sowohl der christlichen als auch der islamischen Theologie weiterhelfen?

Grundlegend formuliert, befasst sich die kritische Männlichkeitsforschung mit der Analyse und Dekonstruktion traditioneller Männlichkeitsbilder in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. In Bezug auf die Theologie zielt sie darauf ab, die Vorstellungen von Männlichkeit innerhalb der religiösen Lehren und Praktiken zu untersuchen und aufzubrechen. Dabei wird deutlich, dass Männlichkeit nicht als ein statisches und unveränderliches Konzept betrachtet werden sollte, sondern als soziale Konstruktion, die von historischen, kulturellen und religiösen Einflüssen geprägt ist. Sie versteht sich somit, ausgehend von den Errungenschaften des Feminismus und einer sensiblen Auseinandersetzung mit den Fragestellungen rund um das Thema Genderkonstruktionen als Kritik an patriarchalischen Vorstellungen. In diesen wurden und werden Männer traditionell als das Haupt der Familie und der Gemeinschaft angesehen, während Frauen eher eine unterstützende und dienende Rolle zugewiesen bekamen und bekommen. Diese Rollenverteilung wurde oft mit religiösen Argumenten gerechtfertigt und als Teil der göttlichen Ordnung betrachtet. Durch die Auseinandersetzung mit theologischen Texten und Traditionen suchen Forscher*innen nach neuen Interpretationen, die Geschlechtergerechtigkeit und einen gleichberechtigten Umgang mit männlichen und weiblichen Identitäten fördern.[3]

In der christlichen Theologie spielt die kritische Männlichkeitsforschung eine zentrale Rolle dabei, traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit zu hinterfragen und aufzuzeigen, wie diese Vorstellungen zur Unterdrückung von Frauen beitragen konnten und immer noch können. Es geht folglich darum, biblische Texte und theologische Traditionen neu zu interpretieren und eine Theologie zu entwickeln, die auf Gleichstellung, Partnerschaft und Respekt basiert. Dieser Ansatz ermutigt Männer dazu, sowohl ihre Privilegien als auch ihre Nachteile innerhalb patriarchaler Gesellschaftsstrukturen zu reflektieren und aktiv an der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit mitzuwirken. 

Ähnlich wie in der christlichen Theologie hat die kritische Männlichkeitsforschung auch in der islamischen Theologie an Bedeutung gewonnen. Sie hinterfragt die traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit, die in einigen islamischen Gemeinschaften vorhanden sind, und ermutigt zu einer Neubewertung der Rolle und Verantwortung von Männern im religiösen Kontext. Die islamisch-kritische Männlichkeitsforschung setzt sich für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der Gesellschaft und in religiösen Institutionen ein und betont die Wichtigkeit einer geschlechtergerechten Interpretation der islamischen Texte. Hier kann sie auf die wichtigen Vorarbeiten der islamischen Frauen- und Geschlechterforschung aufbauen.

Exemplarisch für diesen neuen Weg der theologischen Reflexion steht dafür die erst kürzlich stattgefundene und von ihrer historischen Bedeutung nicht zu unterschätzende Tagung „Eine Frage des Geschlechts? Islamisch-theologische Perspektiven für eine gendergerechte Theologie der Gegenwart“, die vom 11. bis 13. Mai 2023 in Münster stattfand und sich dem begrüßenswerten Versuch widmete, die islamische Frauen- und Geschlechterforschung als eigenständige theologische Disziplin zu systematisieren.[4] Die sich bereits im Etablierungsprozess befindliche Frauen- und Geschlechterforschung kann Synergien mit der kritischen Männlichkeitsforschung schaffen, indem sie gemeinsam traditionelle Vorstellungen hinterfragen und so zur Entwicklung einer inklusiveren und gendergerechteren Theologie der Gegenwart beitragen. Da die Geschlechterforschung als solche etablierte Normen und Traditionen infragestellt, ist eine symbiotische Zusammenarbeit zwischen Frauen- und kritischer Männlichkeitsforschung auch aus dem Grund zu wünschen, um den spürbaren Widerstand und die bestehenden Herausforderungen adäquat begegnen zu können. 


[1] Martin Fischer, Ruth Heß, Systematisch theologische Männerforschung als Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter, in: Heike Walz/ David Plüss (Hg.), Theologie und Geschlecht. Dialoge querbeet, Zürich/Berlin 2008, S. 158-190. Björn Krondorfer, Die Religion entdeckt den ‚Mann’. Kritische Männerforschung in Religion

und Theologie, Schlangenbrut 115 (2011), 35-37.

[2] Michael Tunç, Männlichkeitskritik, Islam und Transformation in Forschung Praxis. In: Cibedo-Beiträge 4 (2021), 161-167.

[3] Besonders: Dina El Omari, Koranische Geschlechterrollen in Schöpfung und Eschatologie. Versuch einer historisch-literaturwissenschaftlichen Korankommentierung (Islamische Theologie im Aufbruch 2), Freiburg i. Br. 2021.

[4] https://www.uni-muenster.de/ZIT/interkulturelle_religionspaedagogik/arbeitsstelle_islamisch-theologische_genderforschung/Tagung_Eine_Frage_des_Geschlechts.html (26.05.2023). 

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David Koch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Koran und Koranexegese am Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der Universität Münster.

#Männlichkeit #Geschlechterforschung #Gesellschaft #Respekt

Ein gemeinsames Wort

Die Haltung der Kirche zum Islam zeichnet sich seit dem Zweiten Vatikanum durch „Hochachtung“ aus. So hat es die Erklärung Nostra Aetate formuliert und dort eine Reihe von Gemeinsamkeiten aufgelistet, die beide Traditionen eng miteinander verbindet. Ohne diese Grundlage wäre es undenkbar, dass sich heute sogar ein Papst von muslimischen Gesprächspartnern in seinen Schriften inspirieren lässt und dies explizit herausstellt.[1] Dabei verläuft der Dialog auf höchster kirchlicher Ebene nicht ohne Irritationen. Im Jahr 2006 war es die Erinnerung an ein Gespräch zwischen zwei Protagonisten des 14. Jahrhunderts, die diese wertschätzende Gesprächsgrundlage auf die Probe stellte. In seiner berühmten Regensburger Rede hatte Benedikt XVI. sich darauf bezogen, um das Verhältnis von Glaube und Vernunft zu illustrieren. Dabei ging es ihm offenkundig weniger um interreligiöse Fragen, und er selbst hat im Rückblick deutlich gemacht, dass die Zitate nicht seine eigene Position spiegeln sollten. Dennoch ist es kaum verwunderlich, dass die Rede Benedikts XVI., der zu diesem Zeitpunkt nicht länger Regensburger Professor, sondern Papst war, zu Empörung führte.

Unter den vielen deutlichen, teils protestierenden, teils erklärenden Reaktionen ragte eine heraus, die bis heute Früchte trägt. Ein Jahr nach der Papstrede, im Herbst 2007, unterzeichneten 138 muslimische Gelehrte einen Offenen Brief an Benedikt XVI. und andere Kirchenführer unter dem koranisch inspirierten Titel „A Common Word Between Us and You“. Der Text ist keine polemische Erwiderung, sondern eine Einladung, sich an einen gemeinsamen Grund zu erinnern, ohne Unterschiede zwischen den Religionen zu verwischen. Er tut dies, indem er das Thema prominent in den Mittelpunkt rückt, das auch Benedikt XVI. in seiner viel beachteten ersten Enzyklika Deus Caritas Est als „Mitte des christlichen Glaubens“ herausgestellt hatte: Liebe. So erinnert das Dokument an die Verpflichtung aller Gläubigen, sich für den Frieden zu engagieren und hält fest: „The basis for this peace and understanding already exists. It is part of the very foundational principles of both faiths: love of the One God, and love of the neighbour.“[2] Das „A Common Word“-Dokument nimmt dabei auch das Judentum in den Blick und ist weit davon entfernt, Unterschiede zwischen den Religionen weichzuspülen: „Whilst Islam and Christianity are obviously different religions – and whilst there is no minimising some of their formal differences – it is clear that the Two Greatest Commandments are an area of common ground and a link between the Qur’an, the Torah and the New Testament.“[3] Gerade bleibenden Differenzen wertschätzend begegnen zu können, ist ein Grundanliegen Komparativer Theologie, und auch hier kann die vom Offenen Brief betonte Liebe geeignete Erinnerung sein, nicht vorschnelle Vereinnahmung, sondern Anerkennung des Anderen anzuzielen.[4]

Es ist wohl kein Zufall, dass der Hauptautor des Offenen Briefes Offenen Briefes, H.R.H. Prinz Ghazi bin Muhammad, Philosophieprofessor und Berater des jordanischen Königs in religiösen Fragen, bereits seine Doktorarbeiten dem Thema der Liebe gewidmet hat. Vom 12. Bis 14. Juni wird er in den Bonner Annemarie-Schimmel-Lectures seine jüngsten Forschungen dazu einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Anmeldungen sind noch möglich. Für die Paderborner und Bonner Zentren der Komparativen Theologie kann dies eine Inspiration sein, die Zusammenarbeit zu vertiefen und sich vom Geist des Offenen Briefes anregen zu lassen. Dessen Schlusssatz lautet: „So let our differences not cause hatred and strife between us. Let us vie with each other only in righteousness and good works. Let us respect each other, be fair, just and kind to another and live in sincere peace, harmony and mutual goodwill.“


[1] So Papst Franziskus in seiner Enzyklika Fratelli Tutti (https://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20201003_enciclica-fratelli-tutti.html), 5. 

[2] A Common Word, Summary and Abridgement.

[3] A Common Word, III.

[4] Vgl. dazu Klaus von Stosch, Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen, Paderborn 2012, 97f. 

Lukas Wiesenhütter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Systematische Theologie unter besonderer Berücksichtigung gesellschaftlicher Herausforderungen der Katholisch-Theologischen Fakultät Bonn.

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