Trimum war eine reine Kopfgeburt

Trimum war anfangs eine reine Kopfgeburt. Als 2011 unter dem Dach der Internationalen Bachakademie Stuttgart der Plan für ein dreijähriges interreligiöses Musikprojekt entstand, wussten die damals Beteiligten wenig über den interreligiösen Dialog und hatten noch nie von einer „Komparativen Theologie“ gehört. Von Anfang an war klar: Wir Musiker*innen allein würden dieser Aufgabe nicht gewachsen sein. Also suchten wir uns beratende Unterstützung und fanden sie an verschiedenen Universitäten. Meist blieb es bei einer einmaligen Begegnung. Allein der Kontakt zum ZeKK blieb bestehen und verstetigte sich. Die damaligen Doktorandinnen Serap Ermiş, Cordula Heupts und Tuba Isik wurden zu dauerhaften Beraterinnen, später zu festen Ensemble-Mitgliedern und guten Freundinnen, die mit Trimum durch dick und dünn gingen. Gemeinsam tasteten wir uns von einem Versuch zum nächsten, probierten vieles aus und lernten aus unserem gemeinsamen Scheitern und Gelingen. Der Weg zu unserem ersten Gemeinschaftswerk von 2015 mit dem Titel „Die vielen Stimmen Davids“ war für uns alle eine abenteuerliche, mitunter herausfordernde und letztlich beglückende Erfahrung.

Seither fühlten wir uns dem ZeKK verbunden – wenn auch in den letzten Jahren eher im „Schlummermodus“. Doch jüngst hat die Fernbeziehung nach Paderborn eine kräftige Vitaminspritze erhalten. Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich auf der Rückfahrt von einem gemeinsamen interreligiösen und musikalischen Friedensgebet, das uns Gelegenheit bot, einander neu kennenzulernen und das zugleich den Auftakt zu einer künftigen Kooperation im Rahmen des Forums für Komparative Theologie bildete.

Die Idee zu dieser neuerlichen Zusammenarbeit entstand, als ich Klaus von Stosch von unserem neuen Themenschwerpunkt „Musik und Klima“ berichtete. Trimum hat sich in den letzten Jahren verändert. Zwar sind unsere Projekte auch weiterhin interreligiös und interdiszipinär besetzt. Doch die Interreligiosität unseres Teams ist für uns allmählich zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie bleibt ein wichtiges Merkmal unserer Arbeit, muss aber nicht mehr so stark betont werden, wie in der Anfangszeit. Stattdessen sind wir dazu übergegangen, unsere dialogische und prozessorientierte Arbeitsweise auch auf andere aktuelle Themen und gesellschaftliche Fragestellungen anzuwenden. Wie kann Musik zu einer Unterstützung für Menschen werden, die vor Krieg und Unterdrückung geflohen sind und in einer fremden Gesellschaft Fuß fassen wollen? Welche Musik braucht ein Stadtteil, in dem Menschen aus über 150 Herkunftsländern leben? Wie kann man Musik in Zeiten der Pandemie nutzen, um auch ohne digitale Hilfsmittel „Nähe auf Abstand“ zu ermöglichen?

Seit 2019 ist eine neue Fragestellung ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit gerückt: Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Musik, interkulturellem Dialog und der Klimakrise? Auch hier hatten wir anfangs mehr Fragen als Antworten. Wie wirken sich die Klimaveränderungen auf das kulturelle Erbe der Menschheit aus? Wo ist unser kulturell geprägtes Handeln Teil des Problems? Wie kann es zu einem Teil von Lösungen werden? Oder auch, ganz praktisch gefragt: Wie kann die Klimabewegung bunter und diverser werden? Wie lassen sich mehr Menschen für ein suffizientes und zukunftsfähiges „gutes Leben“ begeistern? Welche neuen Erzählungen, Bilder, Traditionen und Rituale brauchen wir, um die sozial-ökologische Transformation anschaulich zu vermitteln und mit Leben zu füllen?

Ich freue mich sehr darauf, dass ich diesen Fragen nun auch im Rahmen des CTSI Bonn und des Forums für Komparative Theologie nachgehen kann. Ein Jahr lang darf ich Cordula Heupts vertreten und von Bonn aus als Fachfremder am Aufbau der neuen Kooperationsplattform mitarbeiten.

Eine nächste wichtige Station dieser Zusammenarbeit wird eine Zukunftswerkstatt „Kultur und Klimaschutz“ sein, die vom 27. bis 29. Oktober in Bonn stattfinden wird. Gemeinsam mit der Klima-Allianz Deutschland und Germanwatch werden wir aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die vielfältigen Wechselbeziehung zwischen Kultur und Klimakrise schauen. Der Begriff „Kultur“ soll dabei bewusst in seiner ganzen Breite und Mehrdeutigkeit verstanden werden: Von den großen Kulturinstitutionen über die freie Szene bis hin zur Alltagskultur oder zur prägenden Kraft religiöser und kulturell vermittelter Werte. Aus den Ideen, Fragen und Anliegen der Teilnehmenden wird zu Beginn der Zukunftswerkstatt eine gemeinsame Agenda entstehen, die dann im Laufe der drei Tage mit Leben gefüllt wird. Und weil auch Trimum mit von der Partie ist, werden wir es uns sicher nicht entgehen lassen, zwischendurch zum interkulturellen und interreligiösen Singen einzuladen.

Worauf das Ganze zielt? Was am Ende dabei herauskommen soll? Ich weiß es nicht.

Trimum war eine reine Kopfgeburt. Hätte diese Idee damals nicht im Zusammenwirken jüdischer, christlicher und muslimischer Musikerinnen, Theologen, Komponisten und Wissenschaftlerinnen Gestalt angenommen, dann wäre das Vorhaben sehr schnell wieder zu Ende gewesen. Auch die Idee, Musik und interreligiösen Dialog für den Klimaschutz fruchtbar zu machen, ist momentan eine solche Kopfgeburt. Ob sie sich eines Tages bewahrheiten wird, weiß ich nicht. Aber eines weiß ich: Es lohnt sich, es zu versuchen. Sich auf den Weg zu machen, sich von einem Versuch zum nächsten zu tasten und aus dem gemeinsamen Scheitern und Gelingen zu lernen.

(Anmeldungen oder Rückfragen zur Zukunftswerkstatt bitte an klima@trimum.de).

Bernhard König ist Komponist, Hörspielmacher, Konzertpädagoge und Leiter des Musikprojekts TRIMUM.

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