Reversing Climate Change: A Three Part Strategy

1. Know This: You Can’t. 

There is actually some psychological comfort to be had in this. The magnitude of the problem is beyond your ability to meaningfully reverse it. On the other hand, the reality of summers with droughts, death and destruction is going to be anything but comfortable. Consider signing up to a philosophy or religion that tells you that there is no reality except the one you create in your mind. Then tell yourself summer is just a mental and cultural construct and go for a walk outside when its 50 degrees, wearing a puffer jacket. These ones by Balenciaga are virtually free, selling for a mere 2.400. Plus, they will match the color of the sun whose rays will now able to reach you without the pesky ozone layer.

2. Recycle. Or Don’t. Either Way, You Won’t Reverse Climate Change 

As narcissistic as you are, the climate crisis humbles you by showing you how utterly insignificant you are. Compared to the ecologically destructive capacities of corporations and states, your puny refusal to recycle pales into insignificance. Even if you dutifully spend hours a day removing un-recycled garbage and dumping it in a wildlife sanctuary from the back of your electric vehicle (powered by a lithium-ion battery with an oversized carbon footprint), your efforts will ultimately have done nothing to bring about the impending end of human life on earth. 100 corporations alone spew out more than 70% of global emissions. Incidentally, the term carbon footprint comes from a British Petroleum ad in which members of the public were asked if they knew what their carbon footprint was. Most did not. This is what corporations, and their indentured servants called nation states, do to deflect attention and responsibility for climate change off themselves and on to you. Don’t be fooled by this. You’re smarter than that. You know you’re not really that important. 

*Unless you’re Jeff Bezos and you’re reading this. In that case you and your penis-shaped rockets really are going to be one of the reasons life on earth will come to an end. But you too, are safe. In our grotesque globalized capitalist economy, nobody will question whether you should have the right to own this much in a world that you, singularly, have done so much to ruin. When the mob comes for you, you’ll be able to fly high into the sky as we worry about the next mega-corporation that uses democratic systems of government like a flushable toilet wipe.

3. Throw Paint on a Painting in a Gallery

This won’t reverse climate change either. But, you will find, there is something poignant about how most people will react when you do this. The outrage expressed over paint being thrown on a priceless work of art (although chances are if it’s in a gallery or a museum it’s overpriced rather than priceless) far exceeds the outrage exhibited as people across the world lose their homes, their rivers, even their children to droughts, famines and wildfires exacerbated by global heating. If the depraved irony of this brings a smile to your face, consider that smiling is far from the worst thing to be doing as the world comes to a slow, burning end.

Dr. Abdul Rahman Mustafa ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Islamischen Normlehre am Paderborner Institut für Islamische Theologie.

#environment #capitalism #climate

Trimum war eine reine Kopfgeburt

Trimum war anfangs eine reine Kopfgeburt. Als 2011 unter dem Dach der Internationalen Bachakademie Stuttgart der Plan für ein dreijähriges interreligiöses Musikprojekt entstand, wussten die damals Beteiligten wenig über den interreligiösen Dialog und hatten noch nie von einer „Komparativen Theologie“ gehört. Von Anfang an war klar: Wir Musiker*innen allein würden dieser Aufgabe nicht gewachsen sein. Also suchten wir uns beratende Unterstützung und fanden sie an verschiedenen Universitäten. Meist blieb es bei einer einmaligen Begegnung. Allein der Kontakt zum ZeKK blieb bestehen und verstetigte sich. Die damaligen Doktorandinnen Serap Ermiş, Cordula Heupts und Tuba Isik wurden zu dauerhaften Beraterinnen, später zu festen Ensemble-Mitgliedern und guten Freundinnen, die mit Trimum durch dick und dünn gingen. Gemeinsam tasteten wir uns von einem Versuch zum nächsten, probierten vieles aus und lernten aus unserem gemeinsamen Scheitern und Gelingen. Der Weg zu unserem ersten Gemeinschaftswerk von 2015 mit dem Titel „Die vielen Stimmen Davids“ war für uns alle eine abenteuerliche, mitunter herausfordernde und letztlich beglückende Erfahrung.

Seither fühlten wir uns dem ZeKK verbunden – wenn auch in den letzten Jahren eher im „Schlummermodus“. Doch jüngst hat die Fernbeziehung nach Paderborn eine kräftige Vitaminspritze erhalten. Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich auf der Rückfahrt von einem gemeinsamen interreligiösen und musikalischen Friedensgebet, das uns Gelegenheit bot, einander neu kennenzulernen und das zugleich den Auftakt zu einer künftigen Kooperation im Rahmen des Forums für Komparative Theologie bildete.

Die Idee zu dieser neuerlichen Zusammenarbeit entstand, als ich Klaus von Stosch von unserem neuen Themenschwerpunkt „Musik und Klima“ berichtete. Trimum hat sich in den letzten Jahren verändert. Zwar sind unsere Projekte auch weiterhin interreligiös und interdiszipinär besetzt. Doch die Interreligiosität unseres Teams ist für uns allmählich zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie bleibt ein wichtiges Merkmal unserer Arbeit, muss aber nicht mehr so stark betont werden, wie in der Anfangszeit. Stattdessen sind wir dazu übergegangen, unsere dialogische und prozessorientierte Arbeitsweise auch auf andere aktuelle Themen und gesellschaftliche Fragestellungen anzuwenden. Wie kann Musik zu einer Unterstützung für Menschen werden, die vor Krieg und Unterdrückung geflohen sind und in einer fremden Gesellschaft Fuß fassen wollen? Welche Musik braucht ein Stadtteil, in dem Menschen aus über 150 Herkunftsländern leben? Wie kann man Musik in Zeiten der Pandemie nutzen, um auch ohne digitale Hilfsmittel „Nähe auf Abstand“ zu ermöglichen?

Seit 2019 ist eine neue Fragestellung ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit gerückt: Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Musik, interkulturellem Dialog und der Klimakrise? Auch hier hatten wir anfangs mehr Fragen als Antworten. Wie wirken sich die Klimaveränderungen auf das kulturelle Erbe der Menschheit aus? Wo ist unser kulturell geprägtes Handeln Teil des Problems? Wie kann es zu einem Teil von Lösungen werden? Oder auch, ganz praktisch gefragt: Wie kann die Klimabewegung bunter und diverser werden? Wie lassen sich mehr Menschen für ein suffizientes und zukunftsfähiges „gutes Leben“ begeistern? Welche neuen Erzählungen, Bilder, Traditionen und Rituale brauchen wir, um die sozial-ökologische Transformation anschaulich zu vermitteln und mit Leben zu füllen?

Ich freue mich sehr darauf, dass ich diesen Fragen nun auch im Rahmen des CTSI Bonn und des Forums für Komparative Theologie nachgehen kann. Ein Jahr lang darf ich Cordula Heupts vertreten und von Bonn aus als Fachfremder am Aufbau der neuen Kooperationsplattform mitarbeiten.

Eine nächste wichtige Station dieser Zusammenarbeit wird eine Zukunftswerkstatt „Kultur und Klimaschutz“ sein, die vom 27. bis 29. Oktober in Bonn stattfinden wird. Gemeinsam mit der Klima-Allianz Deutschland und Germanwatch werden wir aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die vielfältigen Wechselbeziehung zwischen Kultur und Klimakrise schauen. Der Begriff „Kultur“ soll dabei bewusst in seiner ganzen Breite und Mehrdeutigkeit verstanden werden: Von den großen Kulturinstitutionen über die freie Szene bis hin zur Alltagskultur oder zur prägenden Kraft religiöser und kulturell vermittelter Werte. Aus den Ideen, Fragen und Anliegen der Teilnehmenden wird zu Beginn der Zukunftswerkstatt eine gemeinsame Agenda entstehen, die dann im Laufe der drei Tage mit Leben gefüllt wird. Und weil auch Trimum mit von der Partie ist, werden wir es uns sicher nicht entgehen lassen, zwischendurch zum interkulturellen und interreligiösen Singen einzuladen.

Worauf das Ganze zielt? Was am Ende dabei herauskommen soll? Ich weiß es nicht.

Trimum war eine reine Kopfgeburt. Hätte diese Idee damals nicht im Zusammenwirken jüdischer, christlicher und muslimischer Musikerinnen, Theologen, Komponisten und Wissenschaftlerinnen Gestalt angenommen, dann wäre das Vorhaben sehr schnell wieder zu Ende gewesen. Auch die Idee, Musik und interreligiösen Dialog für den Klimaschutz fruchtbar zu machen, ist momentan eine solche Kopfgeburt. Ob sie sich eines Tages bewahrheiten wird, weiß ich nicht. Aber eines weiß ich: Es lohnt sich, es zu versuchen. Sich auf den Weg zu machen, sich von einem Versuch zum nächsten zu tasten und aus dem gemeinsamen Scheitern und Gelingen zu lernen.

(Anmeldungen oder Rückfragen zur Zukunftswerkstatt bitte an klima@trimum.de).

Bernhard König ist Komponist, Hörspielmacher, Konzertpädagoge und Leiter des Musikprojekts TRIMUM.

#Interreligiös #Musik #TRIMUM #Friedensgebet

Morgen ist es zu spät;[1]

Die Neubewertung der Friedenstheologie von Papst Franziskus im Lichte der aktuellen Geschehnisse


Wir erleben tagtäglich, welche wichtige Rolle die Religionen auf gesellschaftspolitischer Ebene spielen. Menschen werden aufgrund ihres religiösen und/oder ethnischen Hintergrunds diskriminiert. Es kommt zu (anti)religiös-motivierten Handlungen, die gesellschaftspolitische Auswirkungen auf internationaler Ebene haben. Politiker:innen benutzen (anti)religiös-motivierte Argumente in ihren angeblich rein politischen Polemiken. All dies zeigt, dass „Religion“ in unseren säkularisierten Gesellschaften immer noch eine wichtige Rolle spielt. Die aktuellen Geschehnisse sind Zeugnisse dafür.

Nach der Tötung eines Jugendlichen mit Migrationshintergrund, nach der Zuschreibung, seine Identität als „muslimisch“ zu lesen, kam es in Frankreich zu gewaltsamen Ausschreitungen. Dieses Geschehnis ist ein Ergebnis einer jahrelang-verleugneten rassistisch begründeten Spaltung Frankreichs.[1]

Die Koranverbrennung in Schweden am Opferfest vergangene Woche hat scharfen Protest in mehreren muslimischen Ländern ausgelöst. „Verbote von Anti-Koran-Demonstrationen waren zuvor von Gerichten mit Verweis auf die Redefreiheit aufgehoben worden.“[2] Dies hat politische Konsequenzen für Stockholm, denn Ankara kann den Nato-Beitritt Schwedens erschweren. So verschärft sich die Spannung zwischen zwei Ländern. „Ankara wirft Stockholm vor, islamfeindliche Stimmungen im Land mindestens zu tolerieren – unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit“.[3]

Die aktuellen Ereignisse in Frankreich und Schweden sollten in einem breiteren Kontext gesehen werden. In der Welt, vor allem in der westlichen Welt, werden der Islam und die Muslim:innen in den letzten Jahrzehnten überwiegend als Feindbilder stilisiert. Beispiele dafür: In den USA wurde unter Trump ein Reiseverbot erlassen, das im Wesentlichen ein „Verbot für Muslim:innen“ war, mit dem „sie“ daran gehindert werden sollten, das Land zu betreten. In Indien werden Gesetze erlassen – ermutigt durch einige religiös-nationalistische Tendenzen –, die Muslimen die Staatsbürgerschaft streitig machen. In Frankreich vertritt der Präsident 2020 als Reaktion auf ein Verbrechen, das jemand „im Namen des Islam“ begangen hat, eine negative Position gegenüber dieser Religion als Ganze und erklärt sie zu „einer Religion, die heute überall in der Welt in einer Krise steckt“ und drängt auf die Notwendigkeit, einen „Islam des Lumières“ (Islam der Aufklärung) aufzubauen.[4] Diese Reaktion des französischen Präsidenten, die eine Art Gleichstellung von „Islam“ mit „Islamismus“ implizierte, führte zu einem Wutausbruch in der muslimischen Welt und heizte die antiwestliche Stimmung wieder an. Sie brachte unter anderem den türkischen Präsidenten dazu, sein französisches Gegenüber offen anzugreifen.

Während sich gläubige Muslim:innen durch die antimuslimischen Aktionen im Westen und das Schweigen der meisten Behörden und Politiker:innen im Namen der „Meinungsfreiheit“ beleidigt fühlen, könnten die positiven Schritte von Papst Franziskus in Richtung Frieden von sehr großer Bedeutung sein. Vor allem seine jüngste Reaktion auf Koranverbrennung kann als eine sehr konstruktive Geste der Solidarität in einer Zeit der religiös-grundierten Krisen verstanden werden. „Ich bin entrüstet und angewidert von diesen Vorgängen“, sagte der Papst. Jedes Buch, das als heilig gelte, müsse, so Franziskus, aus Respekt gegenüber den Gläubigen respektiert werden. „Die Redefreiheit sollte niemals als Mittel benutzt werden, um andere zu verachten – und dies zu erlauben, sollte zurückgewiesen und verurteilt werden“.[5]

Von Beginn seiner Aufgabe als neuer Papst an hat Franziskus einige sehr wichtige Schritte für den Weltfrieden unternommen, sowohl auf der theoretischen als auch auf der praktischen Ebene.

Die Papst-Enzyklika „Fratelli Tutti“ erschien auch zu einem kritischen Zeitpunkt, an dem die Welt einerseits mit zunehmender Islamophobie und der damit wachsenden Fremden- und Islamfeindlichkeit in der westlichen Gesellschaft, andererseits mit Islamismus und Salafismus und damit verbundenen Hassreden von der Kanzel konfrontiert war. Heute stehen wir dem erschreckenden Phänomen des wachsenden Rassismus, Nationalismus und Rechtspopulismus in der ganzen Welt gegenüber, in denen die Religionen manipuliert werden. Daher ist die aktuelle Reaktion des Papstes wie es auch seine päpstlichen Dokumente zum Thema Frieden von äußerster Wichtigkeit im gegenwärtigen kritischen politischen Klima. Sie bedeuten viel in einer Zeit, in der „Religion“ erneut in den Vordergrund gerückt wird, um wieder für politische Interessen genutzt zu werden. Die Welt scheint auf einen „Kampf der Zivilisationen/ Kulturen“ zuzusteuern, in dem „Religion“ eine wichtige Rolle spielt, um den aggressiven Diskurs über kulturelle, nationale, ethnische und sogar rassistische Überlegenheit zu befeuern.

Um diese religiös-ethnisch grundierten Spannungen zu beenden oder mindesten zu entschärfen, können und sollten die religiösen Autoritäten und Theolog:innen schnellstmöglich eine aktivere Rolle für den Frieden übernehmen. Denn, morgen ist es zu spät![6]


[1] „Blackout – Morgen ist es zu spät“ (2012) ist der Titel eines Technik-Thrillers des österreichischen Autors Marc Elsberg. Das Buch ist der SPIEGEL-Bestseller.

[1] https://www.nytimes.com/2023/07/02/france-nahel-soccer-hijab.html

[2] https://www.spiegel.de/panorama/papst-franziskus-verurteilt-koran-verbrennung-in-schweden-a-3aff16f9-f4b8-4fe8-b8e3-774deb6e1f89

[3] https://www.tagesspiegel.de/internationales/antiislamischer-protest-in-stockholm-koranverbrennung-ist-barbarisch-und-schrecklich-10062178.html

[4] Dazu mehr unter:https://www.euronews.com/2020/11/02/macron-and-islam-what-has-the-french-president-actually-said-to-outrage-the-muslim-world

[5] https://www.spiegel.de/panorama/papst-franziskus-verurteilt-koran-verbrennung-in-schweden-a-3aff16f9-f4b8-4fe8-b8e3-774deb6e1f89

[6] Die Autorin dieses Blog-Textes hat zwei Beiträge zur Friedenstheologie von Papst Franziskus, vgl.:

Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden; Der Beitrag von Papst Franziskus zum Weltfrieden. Eine Betrachtung aus muslimischer Sicht“, in Papst Franziskus: Mensch des Friedens. Zum friedenstheologischen Profil des aktuellen Pontifikats, Herder, S. 111-127, 2022.

Fratelli e sorelle tutti; Die Sozialenzyklika aus islamischer Sicht“, Amos-international 1/2021, S. 27–35.

Bild von Wikimedia

Dr. Seyedeh Saeideh Mir Sadri ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Islamische Systematische Theologie am Paderborner Institut für Islamische Theologie der Universität Paderborn.

#Islamfeindlichkeit #PapstFranziskus #Islamophobie #Politik

Nicht normal

Ich bin 1985 geboren und kann mich aus heutiger Sicht an keinen Mangel erinnern. Klar, es gab nicht jedes Spielzeug und ein Studienjahr in Harvard war später auch nicht drin, aber aufs Ganze gesehen war alles im Überfluss da. Dass es mir und vermutlich vielen anderen nur so vorkam, habe ich erst in den vergangenen Jahren – mit der Corona-Pandemie und den konkreten Auswirkungen eines Krieges auf europäischem Boden – zu realisieren begonnen. Dass Ressourcen nicht unendlich sind, wusste ich natürlich immer irgendwie (oder zumindest kommt es mir jetzt so vor). Aber erst jetzt, im Angesicht bereits im Juni verbrannter Grünflächen, dämmert mir, was endliche Lebensgrundlagen existentiell für mich und meine Familie bedeuten.

Ebenso dämmert mir, dass das ständig wiederholte Mantra kapitalistischer Gesellschaften, es möge schnellstmöglich wieder normal werden, an der Wirklichkeit schlicht vorbeiläuft. Das Normale von gestern kommt nicht aus ohne ein gehöriges Maß an Realitätsverweigerung – auch und vor allem, weil zunehmend klar wird, dass es aus Gründen sozialer und ökologischer Gerechtigkeit ein anderes Normal braucht. Das gute ist nicht automatisch auch das richtige Leben. Wer aber einmal ernsthaft versucht hat, sein Leben nicht am eigenen Glück, sondern am moralisch Richtigen auszurichten, der wird an zwei Erfahrungen nicht vorbeigekommen sein: Erstens, Gutes tun macht das eigene Leben nicht unbedingt besser. Und zweitens – noch deutlich frustrierender – scheint die Welt durch das eigene Handeln überhaupt nicht besser zu werden.

Auch religiöse Menschen stecken natürlich in diesem Dilemma, die Welt verbessern zu wollen und an den Grenzen der eigenen Möglichkeiten und dem Widerstand der Welt zu scheitern. Den christlichen Glauben unterscheidet aber von Utopien an dieser Stelle ein ziemlich harter Realismus: Weder wirst Du die Welt retten, noch Deine eigene Glückseligkeit sichern können. Das ist die conditio humana, das menschliche Normal. Die Frage ist, ob Du glaubst, dass es trotzdem sinnvoll und richtig ist, für die Welt und die Menschen zu tun, was Dir möglich ist. – Ob Du glaubst, dass es nicht gleichgültig ist, dem Leiden Deiner Nächsten in Liebe und Freundschaft oder in Egoisums und Zynismus zu begegnen. Christlicher oder sogar religiöser Glaube überhaupt hat mit einer Stabilisierung dieser Spannung aus anthropologischem Realismus und existentiellem Optimismus zu tun. Er artikuliert das Vertrauen, dass der Einsatz für das Gute (trotz allem) nicht sinnlos ist. Der Glaube kann so entdeckt werden als Ressource für ein Handeln, das nicht vor dem neuen Normal flüchten, sondern es zum Guten verändern will. Ein so verstandener Glaube hat auch säkularen Gesellschaften bleibend etwas zu sagen.

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Prof. Dr. Aaron Langenfeld ist Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät Paderborn.

#Glaube #Realität #Ökologie #Krisen

Mimaamakim… Aus der Tiefe

Ich begleite die letzten Tage im Leben eines Menschen, der für mich unentbehrlich war.

Das ist eine sehr schwierige, emotionale und unvergleichliche Aufgabe. Die Konfrontation mit der Endlichkeit, mit den Grenzen und Wegen angesichts des Leidens und den Möglichkeiten, damit umzugehen, wirft uns in ein Paralleluniversum von Erfahrungen, ich erlebe es wie einen langen, dunklen Tunnel…

GESUNDHEIT UND KRANKHEIT, LEBEN UND TOD sind die grundlegendsten Umstände, die die Suche nach Spiritualität, Religiosität und Antworten auf Glück und Leid begünstigen. In unserem modernen Verständnis sind es zuerst die Umstände, dann wenden wir uns Gott zu.

Zwei grundlegende Texte der Tora lehren jedoch, dass die Genealogie der Ereignisse umgekehrt ist, auch wenn dies schwer zu akzeptieren ist. Es handelt sich um zwei Prüfungen für zwei Männer des Glaubens, Abraham und Hiob.

Gott prüfte Abraham, lesen wir in Gen. 22, und er prüfte ihn mit einer unmöglichen Forderung: Er sollte seinen eigenen Sohn töten. Welcher Mensch würde eine solche Prüfung auf sich nehmen und trotzdem leben? Oder wie kann man ein Mensch des Glaubens bleiben, nachdem man eine solche Prüfung bestanden hat?

Und außerdem (und das wäre das Thema eines anderen Blogs), warum Gott als ein so grausamer Gott dargestellt wird, der eine Wahl zwischen absoluter elterlicher Liebe und absoluter göttlicher Liebe verlangt.

Der zweite Bezug ist das Buch Ijob, dessen Text das Vertrauen auf Gott auch in der größten Not betont: Es ist selbstverständlich, Gott zu danken, wenn man den sonnigen Weg des Lebens geht. Was aber, wenn Schatten auf einen fallen? Wäre es nicht eher zu erwarten, dass man sich über Gott ärgert, ihn herausfordert und verflucht? 

Der Gott Israels ist ein Gott, der prüft, der Prüfungen zulässt (in Hiob), der dann aber in unseren Texten das Opfer des Sohnes nicht konkretisiert und den reich belohnt, der trotz Verlust von allem (durch die Hand des Satans, verfeinert den Text) seine Treue bewahrt.

Die Tatsache, dass das Gute und das Böse in Gottes Hand liegen, lädt dazu ein, das Leiden als das Menschlichste zu akzeptieren, das die Erfahrung des Lebens mit sich bringt. Das Leiden wird nicht als ein Schlagwort der Stärke und der Resilienz, nicht als schicksalhaftes Verhängnis, sondern als ein lebenswichtiger Rahmen verstanden, der uns vor dem Abgrund auf die Probe stellt und uns aus der Tiefe aufschreien lässt, wie es Psalm 130 tut. In der Antwort, die wir erhalten und die so sehr, aber nicht nur, von uns abhängt, öffnet sich der Weg zu Ausgleich, Heilung und Weisheit.

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Liliana Furman ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Pnina Navè Levinson Seminar für Jüdische Studien der Universität Paderborn.

#Leiden #Schmerz #Glaube #Probe #Widerstand #Kräfte

Gott ist queer

Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2023 in Nürnberg endete am vergangenen Sonntag mit einem Abschlussgottesdienst, der für Schlagzeilen sorgt.[1] Im Fokus steht die Predigt von Pastor Quinton Ceasar, der in der Losung „Jetzt ist die Zeit“ (Mk 1,15) den Auftrag sieht, Veränderungen nicht aufzuschieben, sich nicht mit einem „Die Zeit wird kommen“ zufrieden zu geben. Er spricht von Veränderungen hin zu Gerechtigkeit und betont, dass Liebe ohne Gerechtigkeit nicht zu verwirklichen ist. Nächstenliebe braucht Solidarität mit denen, die marginalisiert und diskriminiert werden. Allerdings nicht von oben herab, sondern im Miteinander auf Augenhöhe. Das erfordert das Verlassen von Happyland, ein Begriff, den er von Tupoka Ogette[2] übernimmt. In Happyland leben diejenigen, die dank ihrer Privilegien keine Diskriminierungserfahrungen machen und am liebsten auch nichts mit Diskriminierungen zu tun haben wollen. Sätze wie „Ich sehe keine Hautfarbe, keine Behinderung, kein Geschlecht.“[3] seien nach Ceasar Ausdruck des Wegsehens. Problematisch ist es, wenn dieses Wegsehen mit Glaubensaussagen verbunden wird, die die eigene privilegierte Position nicht reflektieren und somit zu Plattitüden werden. Vielmehr noch: Sie werden zu einer Gefahr. Ich schließe mich dieser Einschätzung an. Wenn eine Aussage wie „Gott liebt uns alle gleich“ aus Happyland heraus getroffen wird, gleicht das einer Lüge, wenn im selben Moment Menschen diskriminiert werden. Ceasar bringt es auf den Punkt: „Gott ist parteiisch.“[4] Gott sieht die Vielfalt an Hautfarben und Geschlechtern und sieht vor allem Diskriminierungen, die Menschen vornehmen. Gott steht an der Seite der Marginalisierten.

Die befreiende Botschaft, die damit einhergeht, dass Gott an der Seite der marginalisierten und diskriminierten Menschen steht, wird schon lange nach außen getragen.[5] Sie erreicht vorrangig diejenigen, die sie brauchen, eben die Marginalisierten und Diskriminierten. Durch die Predigt auf dem Kirchentag trifft sie auf die Ohren einer großen Menge an Menschen an unterschiedlichsten gesellschaftlichen Standorten. Für Menschen in Happyland gleicht die Botschaft mitunter einer Bedrohung, hätte sie doch in der Umsetzung zur Konsequenz, die eigenen Privilegien zu reflektieren und im Einsatz für Gerechtigkeit zu nutzen. Das erklärt für mich auch den Trubel rund um die wohl am stärksten diskutierte Aussage aus der Predigt: „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer.“[6] Worum geht es hier? Es scheint mir zum einen darum zu gehen, dass „queer“ nicht in seiner begrifflichen Ganzheit verstanden wird. So ist z.B. in einem Kommentar zur Predigt folgende Definition zu finden: „Queer ist zu verstehen als Sammelbegriff für Personen, deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, die also etwa schwul, lesbisch, bi-, trans-, oder intersexuell sind.“[7] Das kritische und dekonstruierende Potenzial des Begriffs als Perspektivbegriff wird hier nicht genannt. Mit „Gott ist queer“ muss nicht gemeint sein, dass Gott ein Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung zugeschrieben wird. „Gott ist queer“ kann auch bedeuten, dass Gott nicht normativ auf Menschen blickt. Es kann bedeuten, dass in der Gottebenbildlichkeit Menschen dazu befähigt, gar aufgefordert sind, Normen zu hinterfragen und aufzulösen, wenn diese zu Benachteiligungen führen. Und das würde bedeuten, Happyland zu verlassen, sich aktiv für Gerechtigkeit einzusetzen, auf eigene Bevorteilung zu verzichten. Konkret bedeutet das, und da kann ich mich den Impulsen von Ceasar nur anschließen, sich um das Abmildern der Klimakatastrophe zu bemühen, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einzutreten und religiöse Orte zu Safer Spaces für Menschen zu machen, die diese bisher nicht als solche wahrnehmen.

Zum anderen hinterlassen die kritischen und feindlichen Kommentare zur Predigt den Eindruck, dass einer gewissen Angst vor Unordnung und Vielfalt Ausdruck verliehen wird. Es ist davon die Rede, dass die Predigt konservative Christ*innen kränke.[8] Ich frage mich, was als Kränkung wahrgenommen wird. Wird „Gott ist queer“ so interpretiert, dass Gott nur queer ist und sonst nichts anderes? Geht es darum, dass Deutungshoheiten infrage gestellt werden? Diese Predigt irritiert Normativitäten, was an der Frage danach deutlich wird, ob es sich um eine offizielle Predigt oder einen Nischenvortrag handelt.[9] Konservatives Christentum wird dadurch zum Normalfall erklärt, die Predigt als Abweichung davon wird kritisiert und marginalisiert, in eine Nische gedrängt. Der Wunsch nach einer möglichst homogenen Kirche scheint durch, Vielfalt wird als riskant wahrgenommen. Dieser Wunsch wirkt auf mich sehr bedrohlich und ich hoffe, dass die Predigt selbst und die Diskussion rund um diese einen Anstoß geben, um noch stärker als bisher über Vielfalt innerhalb von Glaubensgemeinschaften ins Gespräch zu kommen, Privilegien zu reflektieren, Diskriminierungen nicht auszublenden und Aussagen wie „Gott ist queer“ zu nutzen, um einen konstruktiven und respektvollen Umgang mit Ambiguität einzuüben, kurz gesagt: den Weg raus aus Happyland zu gehen.


[1] Z.B. „Kirchentag schließt mit Gaga-Predigt: ‚Gott ist queer!‘“ (https://pleiteticker.de/kirchentag-schliesst-mit-gaga-predigt-gott-ist-queer/, 14.06.2023).

[2] Ogette, Tupoka: exit RACISM. Rassismuskritisch denken lernen, Münster 2017.

[3] BR24live: Gottesdienst beschließt Kirchentag in Nürnberg | BR24, Minute 32:52 (https://www.youtube.com/watch?v=-H31NLj2F0g, 14.06.2023).

[4] Ebd., Minute 35:49.

[5] Diverse Befreiungstheologien basieren auf dieser Botschaft, darunter auch queere Theologien.

[6] BR24live: Gottesdienst beschließt Kirchentag in Nürnberg | BR24, Minute 34:42 (https://www.youtube.com/watch?v=-H31NLj2F0g, 14.06.2023).

[7] Gansewindt, Till: „Gott ist queer“: Mitteldeutsche Kirchen diskutieren über Kirchentag-Predigt (https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/kirchentag-gott-ist-queer-diskussion-mitteldeutschland-100.html, 14.06.2023).

[8] Vgl. Kunze, Romina: „Gott ist queer“: Abschlusspredigt des Kirchentags in Bayern sorgt für Wirbel (https://www.merkur.de/deutschland/viral-ceasar-pastor-gott-ist-queer-abschlusspredigt-evangelischer-kirchentags-geht-92337783.html, 14.06.2023).

[9] Vgl. ebd.

  • Bild von Vera Uppenkamp

Dr. Vera Uppenkamp ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Religionspädagogik unter besonderer Berücksichtigung von Inklusion am Evangelischen Institut der Universität Paderborn.

#queer #Kirchentag #Gerechtigkeit

„Handeln statt Kriminalisieren“* – zwischen Earth Overshoot Day und Apokalypsen-Blindheit

Die prekären Folgen und irreversiblen Auswirkungen der anthropogenen Veränderungen globaler Ökosysteme haben ein neues geologisches Erdzeitalter eingeleitet. Dass diese Entwicklungen verheerende Folgen haben werden, lässt sich schon lange nicht mehr durch politische Rhetorik oder posthumanistische Technik-Fantasien kaschieren. Auch wenn weltweit immer mehr Menschen immer deutlicher konsequentes, umfassendes und rasches politisches Handeln fordern und gemeinsam mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen auch hier in Deutschland das zivilgesellschaftliche Rückgrat einer grünen Bundesregierung bilden, verändert sich die reale Praxis jedoch nur schleppend, verbleiben rechtliche (Neu-)Regelungen häufig auf der Symptomebene oder missen trans- und internationale Geltungskraft.

So hat Deutschland abermals (!) bereits Anfang Mai seinen Earth Overshoot Day erreicht, d.h. durch Konsumgewohnheiten, Lebensstil und Wirtschaftsweise die natürlichen Ressourcen einer ganzen Erde aufgebraucht. Trotz zahlreicher Erfolge in Einzelbereichen muss also festgehalten werden, dass die Komplexität und Größendimension der ökologischen Probleme die planetaren Kompensationsmechanismen zunehmend destabilisieren und zusammen mit persistenter Umweltzerstörung die Ökosysteme immer schneller zu einem point of no return treiben. Ab diesem Kipppunkt, eine Art ökologischer Singularität, verändern kaum berechenbare Rückkopplungseffekte die natürlichen Ordnungsmuster und zerstören die Grundlagen bisheriger Lebensformen.  Die fehlende Kohärenz und Durchsetzung von klima-, wirtschafts- und entwicklungspolitischen Maßnahmen, aber auch kulturell internalisierte fossile Identitätspraktiken und aneignende Weltbeziehungen gefährden den Erhalt planetarer Ökosysteme als Lebensgrundlage und wirken wie ein Brandbeschleuniger für soziale Ungerechtigkeit und globale Armut. Auch die ökologische Krise trifft wieder einmal diejenigen zuerst, deren Lebensumstände bereits als prekär gelten.

Es fühlt sich vor diesem Hintergrund an – so formuliert die Klimawissenschaftlerin Kathrine Marvel lakonisch – als nehme man an einem Slow-Motion-Horrorfilm teil. Die Beharrungskräfte gelebter Gewohnheiten, strukturell verankerte Externalisierungsdynamiken und schließlich die Destabilisierung friedlicher, internationaler Kooperationen erzeugen ein Ohnmachtsgefühl und münden bei vielen Menschen in eine Apokalypsen-Blindheit.

Und ja, es gehört sicherlich Mut dazu, sich ohne Happy-Ending-Gewissheit den herausfordernden Zukunftsprognosen zu stellen, anstelle in einen hedonistischen Eskapismus oder ethische Gleichgültigkeit zu flüchten. Und ebenso gehört Mut dazu, die strukturellen und kulturellen, notwendigen Schritte für eine sozioökologische Wende zu veranlassen und auch gegen öffentliche Hasstiraden, alltägliche Bequemlichkeit oder materielle Vorteile durchzuhalten. Auch wenn meine Unvertretbarkeit vor Gott mich dazu anhält, das Engagement für eine gerechte und lebensfreundliche Welt als empathisch-sensible Schöpfungsverantwortung zu leben und im eigenen Handeln zu bezeugen, gewinnt dieses Handeln nur durch eine entsprechende strukturelle Verankerung an Wirksamkeit. Diese strukturelle Verankerung wiederum basiert auf dem ausdauernden Einsatz politischer und wissenschaftlicher Verantwortungsträgerinnen, die ökologischen, sozialen, technischen und ökonomischen Fragen in ihren Zusammenhängen zu adressieren und in geltendes EU-Recht zu übersetzen.

Diesen Politikerinnen möchte ich ebenso danken, wie den Klimaaktivistinnen, die im Rahmen ihrer zivilen Möglichkeiten handeln und dadurch die Unaufschiebbarkeit einer „Revolution für das Leben“ (Eva von Redecker) immer wieder wie einen Sprengsatz in die Mitte unserer Gesellschaft tragen. Für uns als Theologinnen gilt es derweil in Theorie und Praxis mutig zu bleiben und darauf zu setzen, dass Gott diese Schöpfung nicht aufgegeben wird, solange wir sie nicht aufgeben.

* https://handeln-statt-kriminalisieren.com/

Bild von Pixabay

Dr. Anne Weber ist Stipendiatin am Graduiertenkolleg „Kirche in Zeiten der Veränderung“ an der Theologischen Fakultät Paderborn und Lehrbeauftragte für das Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften.

#EarthOvershootDay #KlimaKrise #KlimaAktivismus

When Jesus Washes My Feet…

When, a few weeks ago, my PhD supervisor, Klaus von Stosch, who is also ordinated as a deacon in the Catholic Church, asked me whether I would like to join the church service on Maundy Thursday so that he could wash my feet as a symbolic representative of one of Jesus’ disciples, it was with a mixed feeling of shame (he was my “Doktorvater” after all!) and excitement (how many Muslims had ever had the chance of being washed as a disciple of Jesus?!) that I responded positively to him.

It was still Ramadan that day. So, after having my quick breakfast (iftar) that evening, I rushed to the church to perform my (paradoxically) shameful, honourable role. To my great interest, the content of the preaching of my supervisor that evening included the problem of shame, specifically in the context of Maundy Thursday and on the matter of revealing one’s feet barely in front of another human being to be washed. He explained in his preaching how, many years ago, when he was asked for the first time to let his feet be washed by a priest, the presence of the Holy Spirit in him made the shame of the experience fade away and all that remained for him from that experience was the memory of the courage and inspiration that he felt at that moment. It was a very wise choice of content of preaching! Having listened to this, I tried to overcome my shame with almost the same strategy. But…

At the moment of performing the ritual, I realized that the nature of my shame was somehow different from what I had just listened to. My shame was not only due to the fact that I was letting my supervisor, whom I respected so deeply, wash my feet, but also due to the fact that I, as a Muslim woman, had hardly allowed a male person, other than my father, to touch my feet. At that moment, I started asking myself: how would I feel if Jesus himself was doing this? As a Muslim, I always had a deep feeling of respect and appreciation for God’s prophets. I could not imagine that the first thing that I thought, if Jesus himself was washing my feet, would be that he is a man! He, like all other prophets for whom I have a deep feeling of appreciation, is, more than anything, a messenger of God! Reflecting on these thoughts, I was back to my experience of the moment, observing my supervisor now drying my feet with the towel. It was done! I had performed my symbolic role as the disciple of Jesus. Performing this role, interestingly, had nothing to do with conditions such as my lower academic rank (than my supervisor), my being a Muslim, or a woman. Through my participation in this ritual, I had simply experienced the unconditional love of God for all humankind. This experience taught me, one more time, that Divine love or raḥmah toward humankind is greater than all the shame that exists in the world.  

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Nasrin Bani Assadi ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn und am International Center for Comparative Theology and Social Issues.

#interreligious #discipleofJesus #MaundyThursday

Religiöse Sinnsuche auf Abwegen

Endlich ist es Frühling, und das zeigt sich auch in den Innenstädten: Die Fußgängerzonen sind in diesen Wochen wieder so richtig voll, dass es kaum ein Durchkommen gibt. Die Menschen strömen in die Zentren, um sich mit Freund*innen auf ein Eis treffen, sind auf der Suche nach einem neuen Kleidungsstück oder auch einfach nur da, um zu schauen, was man alles nicht so braucht (#WindowShopping). Wenn man das in einer größeren Stadt tut – Paderborn reicht da schon aus – ist es sehr wahrscheinlich, dass man in diesen Tagen an einem besonders stark frequentierten Ort der Fußgängerzone wieder auf sie trifft. Emsige, kontaktfreudige Personen, die mit bunten Flugblättern und Büchlein eifrig und hartnäckig für ihren Glauben werben und nicht müde werden, ihre „ungläubigen“ Mitmenschen vor dem Gericht Gottes zu warnen. Gerade in Ausnahmezuständen gewinnt die Suche nach Halt an immenser Bedeutung – Menschen suchen ihn in Beziehungen, in der Politik, in der Religion. Aber je größer die Ungewissheit ist, desto attraktiver erscheinen auch vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Probleme, denn Angst ist kein guter Berater. Populismen, Verschwörungserzählungen und Formen des politischen und religiösen Extremismus erfahren insbesondere im Angesicht von Katastrophen hohe Resonanz. Wenn ein Unglück geschieht, wie vor zwei Jahren die Flutkatastrophe im Südwesten unseres Landes, oder uns eine Pandemie über Jahre beschäftigt, wissen das auch religiöse Eiferer für sich auszunutzen. Da wird Gott zu einem strafenden Gott, der uns das große Unglück schickt, auf dass wir geläutert werden. Die eigene Form der Frömmigkeit wird als einzig wirksamer Virenschutz dargestellt, ein „rechter“ Glaube an die propagierte Lehre als stabiler Damm gegen Naturkatastrophen.

Die Suche nach (religiöser) Sinngebung ist alt und boomt in der heutigen Zeit aufgrund der aktuellen vielfältigen gesellschaftlichen Möglichkeiten. Der Angebotsdschungel begegnet einem nicht nur auf der Straße, sondern ebenso im eigenen Briefkasten, der anders als unser E-Mail-Postfach nicht mit einem Spam-Filter ausgestattet ist. Stichwort Internet: Auch da tummeln sich natürlich viele Angebote auf den virtuellen Marktplätzen. Diese Fülle und Unübersichtlichkeit machen sich in besonderer Weise „Sekten“ zu nutze. Schon ihre Bezeichnung hat einen abwertenden Beiklang: Beim Begriff „Sekten“ denken wir automatisch an einen Glauben, der jeden anderen Weg zur Erlösung außer dem eigenen ausschließt, gelebt von einer Gruppe von Menschen, die blind einem Anführer folgen – mitunter bis in den Tod. Doch wo hört eine religiöse Gemeinschaft auf und wo fängt eine „Sekte“ bzw. konfliktreiche Gruppe an? Während sich im Christentum bereits im 19. Jahrhundert „religiöse Sondergemeinschaften“ wie die Mormomen, Adventisten und Zeugen Jehovas gebildet haben, haben wir bei „Sekten“ eher die „berühmt-berüchtigten“ Gruppen wie „Peoples Temple“ oder „Scientology“ als Beispiele vor Augen.

In besonderer Weise problematisch sind jedoch jene „Sekten“, die weniger bekannt und auf den ersten Blick nicht als solche durchschaubar sind. Ein aktuelles Beispiel ist die völkische „Anastasia-Bewegung“. Die Bilder ihrer „Familienlandsitze“ wirken im Internet hübsch und idyllisch, doch dahinter steckt ein rechtes Gedankengut. Die zentrale, namensgebende Figur der Bewegung entstammt der zehnbändigen esoterischen „Anastasia“-Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. „Immer wieder kommen in den Büchern antidemokratische, antisemitische und rassistische Vorstellungen zum Ausdruck“, erklärt der evangelische Theologe Matthias Pöhlmann. Sie greifen uralte antisemitische Stereotype wie den vermeintlichen „Wucher“ der Jüdinnen*Juden und ihre Einflüsse auf die Finanzwelt auf; levitische Priester werden als heimliche Drahtzieher im Hintergrund dargestellt, die danach trachten, Anastasia als Erlöserfigur aus dem Weg zu räumen. Und auch die Gefahren von „Shinchonji“ sind nicht sofort erkennbar. Das „Y-Kollektiv“ des öffentlich-rechtlichen Online-Content-Netzwerks hat dazu eine sehenswerte Reportage veröffentlicht, in der YouTube-Beschreibung dazu heißt es: „Es herrscht ein dualistisches Weltbild, ein heiliger Krieg: Gut gegen Böse, Gott vs. Satan. […] Bibelkurse sollen die Lehre schmackhaft machen. Durch Tarn-Organisationen wird lange Zeit verheimlicht, dass Shinchonji dahinter steckt. Die Zielgruppe: junge Menschen.“

Nicht immer kann man all diesem aus dem Weg gehen. Denn auch im eigenen Umfeld, vielleicht sogar der eigenen Familie, werden immer mehr Menschen mit Verschwörungserzählungen, demokratiefeindlichem Gedankengut oder aufdringlichen Einladungen zu externen Gesprächskreisen konfrontiert. Wie geht man damit um, wenn Gemeinde- oder Familienmitglieder abdriften? Eine erste Hilfe leistet die Sekten-Info NRW, die Checklisten, vielfältige Materialien und aktuelle Informationen bereithält. Entscheidend ist aber auch: Häufig fehlt die Sensibilisierung, weshalb vor allem die versteckte Ideologie meist nicht erkannt wird. Tatsächlich sind „Sekten“ und neureligiöse Gemeinschaften ein Feld, das in der Religionspädagog*innen- und Pfarramtsausbildung bisher zu kurz kommt.

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Dr. Stephanie Lerke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Evangelisch-Theologischen Fakultät am Seminar für Praktische Theologie/Religionspädagogik der Johannes Gutenberg Universität Mainz und Lehrbeauftragte am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn, Jan Christian Pinsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn und Lehrbeauftragter am Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

#Aufklärung #ReligiöseBildung #Sekten #Sinnsuche #Verschwörungsglaube #Weltanschauung

Osterwege

In der Mitte der „Osterwoche“ angekommen, blicke ich zurück und nach vorn auf die beiden Evangelien des vergangenen Ostersonntags (Joh 20,1-18) und des kommenden Weißen Sonntags (Joh 20,19-31), welche die Osteroktav rahmen. In diesen Osterevangelien, die aus dem Osterzyklus des Johannesevangeliums stammen, geht es um visionäre Erfahrungen, die angesichts von Tod das Leben verkünden.

Davor und jeweils zu Beginn spiegelt sich jedoch in den Evangelienerzählungen die Karfreitagskrise – der ersehnte Messias ist tot, seine Anhängerschaft orientierungslos und verängstigt, die erwachten Hoffnungen auf ein neues Leben scheinen zerschlagen. Alles aus und vorbei?

Beim Verlust eines geliebten Menschen bricht stets eine Welt zusammen. Wo kann es da Hoffnung geben? Kann es weitergehen?

Ostern zeigt gegenüber den Todes- und Krisenerfahrungen einen Neuanfang auf – Aufbrüche angesichts von Tod und Scheitern, verschiedene Wege und Erfahrungen eines tiefer blickenden „Sehens“, inspirierende Begegnungen, visionäre Zeugnisse.

Im Osterzyklus des Johannesevangeliums sind verschiedene Ostererfahrungen erzählerisch verdichtet an zunächst einem einzigen Tag. An diesem „ersten Tag“ der Woche – der in Entsprechung zur Schöpfungserzählung (vgl. Gen 1,5) gleichsam eine neue Schöpfung einläutet – kommt am frühen Morgen Maria von Magdala zum Grab. Es herrscht Finsternis, sie sucht nach einem Toten. Noch in der Nacht machte sie sich auf den Weg, wie im Hohelied die Liebende ihren Geliebten sucht (Hld 3,1-4). Dann aber ist sie irritiert: der Stein ist weg – ist auch „der Herr“ weg, für immer verloren? Gibt es nicht einmal mehr einen Haftpunkt für die Erinnerung? Ihre Nachricht lässt Petrus und „den Jünger, den Jesus liebte“, ebenfalls zum Grab laufen. Letzterer kommt aufgrund der Zeichen, die er vorfindet, zum österlichen „Sehen“ – doch er kehrt mit Petrus „nach Hause zurück“.

Anschließend macht Maria von Magdala ihre eigene „Sehenserfahrung“ in der Begegnung mit dem Auferstanden (es ist schade, dass in der liturgischen Praxis vielerorts der Auferstandene nach dem Wettlauf der beiden Jünger keinen Auftritt mehr erhält und auch das wichtige Zeugnis der ersten Apostelin ungehört bleibt). Für diese Begegnungserfahrung ist eine doppelte Wende der Weinenden und Klagenden vom Grab als Ort der Trauer nötig, bis sie den Lebendigen – den sie in ihrem beredten Missverständnis als „Hüter des Gartens“ tituliert – erkennt. Bei dieser beglückenden Erfahrung soll sie aber wiederum nicht stehen bleiben (es geht nicht um ein Berührungsverbot), sondern erhält einen Auftrag. Ihre Verkündigung der Osterbotschaft, die in der Formulierung „ich habe den Herrn gesehen“ an prophetische Beauftragungsvisionen erinnert (vgl. z.B. Jes 6), bildet den Auftakt zur Osterwoche.

Im Erzählduktus lässt ihr Osterbekenntnis den Auferstandenen in der Mitte der Gemeinschaft der noch verängstigten Jüngerinnen und Jünger gegenwärtig werden – die „am Abend dieses ersten Tages“ dann eine analoge Erfahrung machen, welche ihre Trauer und Furcht in inspirierte Freude verwandelt. So erfüllt sich Marias Sendung. Wer könnte heute die Rolle der visionären Prophetin und Apostelin in krisengeschüttelter Gesellschaft und Glaubensgemeinschaft einnehmen?

Von dieser gemeinschaftlichen Erfahrung ist allerdings Thomas ausgeschlossen. Er beharrt in der Folge auf eigenem Sehen, scheint handgreifliche Beweise zu brauchen, weist das Zeugnis der anderen, von Jesus Gesandten zurück. Sein Anliegen ist verständlich. Wie könnte auch so unerwartet ein Happy End der erlebten Katastrophensituation eintreten?

Acht Tage darauf, am Beginn einer neuen – in die Zukunft weisenden – Woche wird ihm während einer erneuten Offenbarung des Auferstandenen eine eigene Sehens- und Glaubenserfahrung geschenkt. Demgegenüber werden spätere Generationen auf das „Buch“ (in Joh 20,30 auf das 4. Evangelium bezogen) mit all diesen Geschichten verwiesen, das wie für den Geliebten Jünger „Zeichen“ zur glaubenden Deutung bereithält und so Leben vermittelt. – Inwiefern kann dieses heute ebenso als Quelle der Hoffnung dienen?

Andrea Taschl-Erber ist Professorin für Exegese und Theologie des Neuen Testaments am Institut für Katholische Theologie an der Universität Paderborn.

#Osterevangelien #Hoffnung #Leben #MariavonMagdala