Breaking News: Erste Umfragetrends aus dem Museum in der Kaiserpfalz!

Viele Besucher in und aus Paderborn haben sich schon an meinen Umfragen im Stadtmuseum, im Schlossmuseum, im Heinz-Nixdorf-MuseumsForum und im Museum in der Kaiserpfalz beteiligt. Dafür meinen herzlichen Dank, besonders auch an die Angestellten der Häuser, die die ausgefüllten Fragebögen für mich entgegennehmen.

Die endgültigen Ergebnisse sollen zwar erst im August vorgestellt werden. Doch bei Durchsicht der bislang gesammelten Antworten lassen sich schon einige Trends ausmachen. Heutiges Beispiel: das Museum in der Kaiserpfalz.

Das Museum präsentiert archäologische Funde aus Stadt und Region, behandelt aber Ereignisse, deren Bedeutung weit über das Örtliche hinausreichen: mittelalterliches Reisekönigtum, Karl der Große, sein Treffen mit Leo III., die Missionierung der Sachsen etc. Was interessiert die Besucher? Ist es die lokale oder die globale Dimension des Museums?

Um dies herauszufinden werden Besucher gebeten, ihr Interesse an den Themenkomplexen „Archäologie, allgemein“, „Mittelalterliche Geschichte“ (globale Dimension), „Stadtarchäologie Paderborns“ und „Paderborner Stadtgeschichte“ (lokale Dimension) zu bewerten. 0 = kein Interesse, 10 = besonders leidenschaftliches Interesse.

Die gerundeten Durchschnittswerte bei Touristen lauten:

Archäologie, allgemein: 6,8

Mittelalterliche Geschichte: 7,2

Stadtarchäologie Paderborns: 5,2

Paderborner Stadtgeschichte: 5,2

Die gerundeten Durchschnittswerte bei Einheimischen lauten:

Archäologie, allgemein: 5,4

Mittelalterliche Geschichte: 6,3

Stadtarchäologie Paderborns: 5,5

Paderborner Stadtgeschichte: 5,8

In beiden Gruppen überwiegt folglich das Interesse an der Mittelalterlichen Geschichte gegenüber der Lokalgeschichte. Allerdings ist dieser Unterschied bei den Touristen um einiges deutlicher.

Dazu passt ein zweiter Befund, der sich aus den Antworten auf die Frage ergibt, „Die ausgestellten archäologischen Funde sind für Sie in erster Linie…“:

Die ausgestellten Urnen, Töpfe und Münzen werden von 66% der Touristen als „Sachquellen zur mittelalterlichen Geschichte“ angesehen und von nur von etwa 25% als „Sachquellen für die Paderborner Geschichte“. Einheimische sehen das etwas anders. Für die erste Option votierten hier nur 42% und für letztere immerhin 37%.

Für Paderborner Museumsgänger in der Kaiserpfalz scheint die „Paderborner Dimension“ des Gezeigten folglich wichtiger zu sein, als für die Besucher von Auswärts!

Herzliche Grüße und bis Bald!

Ihr Paul Duschner

Mit den Gaststudenten aus Le Mans durch die Stadtgeschichte

Wer eine berufliche Laufbahn bei einer europäischen Institution anstrebt, findet in Paderborn das passende Universitätsfach: „Europäische Studien“. Gemeinsam mit der Universität der französischen Partnerstadt Le Mans betrieben, vermittelt er seinen Studierenden fundierte historische, kulturelle und sprachliche Kompetenzen für die Arbeit auf internationaler Ebene, beispielsweise bei der Europäischen Union. Studierende aus Paderborn verbringen während ihrer Bachelor-Zeit ein ganzes Jahr an der Universität Le Mans. Es finden regelmäßig wechselseitige Besuche statt. Diese Woche ist eine Gruppe französischer Studierender zu Gast in Paderborn: Sie möchten vor ihrem Auslandsaufenthalt erste Eindrücke von der Stadt und ihrer Universität gewinnen.

Als „Kulturerbe“-Student habe ich im Jahre 2016 selbst ein Auslandssemester in Le Mans verbracht. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die reizende Altstadt mit ihren kleinen Kunstgalerien und Antiquitätenläden, die prachtvolle Kathedrale und die spätantike Stadtmauer. Es ist mir daher eine besondere Freude, einen der französischen Gäste bei mir aufnehmen zu können: Adrien ist angehender „Europa“-Student. Dank zahlreicher Deutschlandreisen und zweier Praktika in der Tourismusbranche beherrscht er unsere Sprache bereits annähernd perfekt. Nach dem Studium möchte er im internationalen Jugendaustausch arbeiten, als Sprachlehrer oder bei einem europaweit agierenden Unternehmen. Besonders wichtig ist es ihm, dabei einen Beitrag für die Völkerverständigung in Europa leisten zu können.

Heute Nachmittag habe ich als Stadtschreiber die Studierenden aus Le Mans für einige Stunden begleitet: Zuerst bei ihrem deutsch-französischen Picknick auf den Paderwiesen und dann bei einer historischen Stadtführung. Angeführt von dem Paderborner Geschichtsprofessor Johannes Süßmann konnten die Gäste an vier besonders geschichtsträchtigen Orten etwas über die enge historische Verbindung zwischen Paderborn und Frankreich lernen und über die Wirkmächtigkeit historischer Mythen.

  1. Paderquellen und Kaiserpfalzen: Wie Süßmann den Gästen erklärte, entspringt hier Deutschlands kürzester Fluss, dem die Stadt Namen und Existenz verdankt. „Born“ ist nämlich ein altes Wort für „Brunnen“, daher ist in frühen Urkunden von „Patris Born“ die Rede, dem „Brunnen des Vaters“. Aufgrund dieses Wasservorkommens gründete Karl der Große im
    In jeder Hinsicht die Quelle der Stadt!

    Jahre 776 genau hier Stadt und Kaiserpfalz. Letztere diente als Stützpunkt für die Unterwerfung der „heidnischen“ Sachsen. Sie war schon im folgenden Jahre Schauplatz der ersten allgemeinen fränkischen Reichsversammlung. 799 empfing Karl der Große hier den aus Rom geflohenen Papst Leo III, ein Treffen, das in die berühmte Kaiserkrönung zu Weihnachten des Jahres 800 mündete. Paderborn sei daher in vielerlei Hinsicht auch für die französische Geschichte ein wichtiger Erinnerungsort.

Das Gebiet um Paderquellen und Kaiserpfalzen, wie es sich dem Besucher heute darbietet, ist nach Süßmann aber ein Produkt der 1970er Jahre. Erst in Folge der Zerstörungen des 2. Weltkriegs und der archäologischen Grabungen wurden ab 1964 die historischen Fundamente der Pfalzen sowohl Karls als auch des späteren ottonischen Kaisers Heinrich II. freigelegt. Letztere habe man im alten Stile wiederaufgebaut, um bewusst an Paderborns alte Geschichte anknüpfen zu können. Dem Wunsch den illustren Frankenherrscher besser greifen zu können, war nach Süßmann auch die Deutung eines alten Treppenhauses als „Thron Karls des Großen“ geschuldet.

Ein weiteres wichtiges Bindeglied zwischen Frankreich und Paderborn stellt der Heilige Liborius da. Dessen Gebeine wurden im Jahre 836 aus Le Mans verbracht, um die Autorität der hiesigen Missionsbischöfe zu stärken. Von mal mehr mal weniger intensiven Pilgerströmen aufgesucht, wurde Liborius zum wichtigen Symbol des Paderborner Katholizismus. Nicht umsonst ließ ein protestantischer Kriegsherr, der die Stadt im Dreißigjährigen Krieg eroberte, den Schrein demonstrativ einschmelzen und aus dem Metall Münzen prägen.

Laut einer von Süßmann erzählten Legende hat der Heilige sich für dieses Sakrileg revanchiert: So soll Liborius bewirkt haben, dass Frankreich nach dem Krieg seine schützende Hand über Stadt und Bistum gehalten hat. Eine Angliederung an das protestantische Hessen-Kassel konnte so verhindert werden! In Folge dieser bis ins 18. Jh. ausgeprägten „French Connection“ war Paderborn laut Süßmann „fast eine französische Kolonie gewesen“, auch wenn dies manch Zeitgenosse nicht gerne hören würde. Viel Geld für den lokalen Kirchenbau sei aber aus Frankreich geflossen.

  1. Paradiesportal des Paderborner Doms: Dieses stellt nach Süßmann ein weiteres Beispiel für französischen Einfluss da. Die aus dem frühen 13. Jh. stammenden Figuren entsprachen nämlich einer Innovation der französischen Gotik. Sie wurden erst nachträglich in das romanische Säulenportal eingefügt. Ähnlich innovativ war seinerzeit die zentrale Marienfigur, bei der es sich um die älteste derartige Darstellung der Gottesmutter in Deutschland handeln könnte. Bis dahin sei es nämlich üblich gewesen, sie nicht in stehender, sondern in sitzender Haltung darzustellen. Auffällig sei auch die lebendige Haltung des kleinen Jesus. Er
    Rechts im Bilde der schreibende Stadtschreiber.

    wurde nicht mehr als König, sondern primär als Kind dargestellt, das mit seiner Mutter spielt, laut Süßmann ein Ausdruck von Verbürgerlichung.

Den Gästen empfahl Süßmann, bei Gelegenheit die heutige Krypta des Heiligen Liborius im Dom zu besuchen. Dessen Verehrung habe während des 19. Jh. nachhaltig an Bedeutung gewonnen, vor allem in Opposition zu Bemühungen um die Trennung von Staat und Kirche. Die Pracht des jährlich begangenen Libori-Fests ist nach Süßmann eines der „Überbleibsel aus dem Kulturkampf“ gegen die preußisch-liberale Regierung.

  1. Paderborner Rathausfassade: Bei dieser handelt es sich um eine der eindrucksvollsten in Deutschland. Pracht und Gestaltung sind Ausdruck des städtischen Selbstbewusstseins im frühen 17. Jh., als eine zeitweise mehrheitlich protestantische Bürgerschaft ihre Emanzipation von der katholischen bischöflichen Stadtherrschaft anstrebte. Auf die heute nicht mehr vorhandene protestantische Stadtkirche ausgerichtet, ist die Rathausfassade nach Süßmann ein „Baudenkmal dieses Kampfes um Paderborn“ und ein „Programmbau für kommunale Selbstverwaltung“. Ihre Achsensymmetrie sei damals modern gewesen und damit ein Ausdruck für eine neue politische Gesinnung. Die Arkaden sollten dort versammelten Menschen Schutz vor Regen bieten, aber vor allem nach italienischem Vorbild einen öffentlichen Raum der Kommune markieren.

Der von Jesuiten beeinflusste Bischof Dietrich von Fürstenberg (1546 – 1618) wollte derartige republikanisch-protestantische Umtriebe in „seiner“ Stadt allerdings nicht dulden. Er ließ sogar einen Bürgermeister als Hochverräter enthaupten. Als architektonisches Gegengewicht zum Rathaus entstanden Schloss Neuhaus und die Wewelsburg, deren Geschichten daher besonders eng mit der Stadtgeschichte Paderborns verknüpft sind.

  1. Barocke Jesuitenkirche: Bei der Rückgewinnung der Paderborner Bevölkerung für den Katholizismus spielten die von Dietrich von Fürstenberg in die Stadt geholten Jesuiten eine zentrale Rolle. Mit französischem Geld wurde Ende des 17. Jh. die prächtige barocke Jesuitenkirche errichtet. Ihr Vorplatz diente als Bühne für Jesuitendramen und als Ausgangspunkt für die liturgischen Prozessionen, mit denen der Stadtraum systematisch zurückgewonnen wurde. So wurde Paderborn wieder zu einer mehrheitlich katholisch geprägten Stadt, trotz des anfänglichen Fortlebens eines „Untergrundprotestantismus“.
Last but not least bei der Stadtführung: Die Jesuiten als treibende Kraft hinter der Rekatholisierung Paderborns ab dem 17. Jh.

Neben der Jesuitenkirche finden sich das alte Jesuitengymnasium und die heutige Theologische Fakultät, die damals die jesuitische Universität beherbergte. Letztere begründete die Tradition Paderborns als Universitätsstadt. Sie diente den Jesuiten bis zu ihrer Schließung durch den preußischen Staat im 19. Jh. als Kaderschmiede und „assessment centre“. Da kein Schulgeld erhoben wurde, konnten hier kluge Nachwuchskräfte auch aus ärmeren Schichten für kirchliche Ämter in den Zentren Köln und Rom ausgebildet werden.

Prägt den Kamp wie sonst nur die Venus: das Denkmal des Jesuiten Friedrich Spee.

Einer der dortigen Professoren, Friedrich Spee (1591 – 1635), wird bis heute mit einem Denkmal geehrt. So verfasste er eine besonders engagierte Schrift gegen den Einsatz der Folter bei Hexenprozessen, da diese zwangsläufig zu einem Geständnis führen muss. Aufgrund dieser These musste er Paderborn verlassen und floh nach Trier, wo er Pestkranke behandelte und deshalb selbst an dieser Krankheit verstarb. Später ist er von der Kirche seelig gesprochen worden.

Durch die Teilnahme an der historischen Führung, deren Inhalt ich nur stark verkürzt (wenn nicht gar verfälscht) wiedergeben konnte, habe ich nicht nur viel Neues über die Paderborner Geschichte gelernt. Sie hat mir auch vor Augen geführt, wie gut man diese Geschichte aus dem heutigen Stadtbild ablesen kann, sofern man über das entsprechende Wissen verfügt. Neben dem Besuch der stadtgeschichtlichen Museen ist daher auch die Teilnahme an einer vergleichbaren Führung mit Nachdruck zu empfehlen.

Unsere Gäste aus Le Mans haben in jedem Falle einen spannenden ersten Einblick in die Geschichte und Architektur der Stadt bekommen, den viele bei ihrer baldigen Rückkehr als Erasmus-Studierende vertiefen werden!

Herzliche Grüße und bis bald,

Ihr Paul Duschner

Mit den Kulturerbenden in Berlin! Bilder einer Exkursion.

Kulturerblich interessierte Studierende der hiesigen Universität verbringen die erste Woche des Sommersemesters traditionell nicht im Hörsaal, sondern auf Exkursion. Diesmal ging es unter Leitung von Frau Prof. Eva-Maria Seng ins schöne Berlin, zur Betrachtung der hauptstädtischen Denkmal- und Museumslandschaft. Besucht wurden Einrichtungen von gänzlich verschiedener Größe und Ausrichtung: vom international bekannten „Blockbuster“-Museum zur örtlich verankerten Kunstgalerie. Dabei gab es stets die Möglichkeit zur Diskussion mit Museumsleitern, Wissenschaftlern, Ausstellungsmachern und Kulturpolitikern, die sich trotz laufender Projekte die Zeit genommen haben. Ihnen sei besonders gedankt!

Der Reisegruppe gehörte neben Professorin, Mitarbeiterinnen und fünf Studierenden auch meine Person als Stadtschreiber an. Ein Exkursionsbericht soll in der künftigen Ausgabe der „Historischen Mitteilungen“ erscheinen. So werde ich mich an dieser Stelle auf einige visuelle Eindrücke beschränken. Soviel aber vorweg:

Einen inhaltlichen Schwerpunkt des kompakten viertätigen Programms bildeten die Chancen und Risiken des just im Entstehen begriffenen Humboldt Forum im künftigen Berliner Stadtschloss. Daneben ging es um die Erinnerung an die Opfer der Nazi-Genozide an Juden, Sinti und Roma sowie an jene Deutschen, die den Nazis Widerstand geleistet haben. Besucht wurden die Baustelle des Berliner Stadtschlosses mit der Humboldt-Box, das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, das Museum Europäischer Kulturen und das ehemalige Ethnologische Museum in Dahlem, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt, das „Neue Museum“ und die Galerie Parterre.

Führung durch das „Museum Europäischer Kulturen“ (MEK) mit Frau Prof. Tietmeyer : Exkursionsteilnehmer bewundern einen mediterranen Prunkwagen, den Kaiser Wilhelm II. einst von einer Reise nach Sizilien mitgebracht hat.
Besuch der familienfreundlichen Ausstellung „100% Wolle“ im MEK.
Zwei mutige Lehramts-Studierende wagen sich auf den Rücken des Riesenschafs, dessen Pelz es dem Besucher erlauben soll, ein Gespür für verschiedene Wollsorten zu entwickeln.
Mit der Frühgeschichtlerin Frau Dr. Bertram durch das „Neue Museum“. Hier findet sich u.a. die westberühmte Büste der Nofretete, deren Photographieren allerdings aus konservatorischen Gründen untersagt ist.
Auf der Suche nach dem richtigen Verhältnis zwischen zentralisierter Kulturpolitik und lokaler Initiative: engagierte Diskussionsrunde in der Galerie Parterre mit dem ehemaligen Berliner Kultursenator Thomas Flierl.
Dem Hungertod knapp entkommen!

Eindrücke aus der größten Ägyptensammlung des Ruhrgebiets

Die größte Sammlung ägyptischer Altertümer im Ruhrgebiet gibt es zwar nicht in Paderborn. Doch glücklicherweise befindet sie sich im Museum einer Stadt, die mit dem Zug in unter einer Stunde und ohne lästiges Umsteigen zu erreichen ist: im Gustav-Lübcke-Museum im schönen Hamm. Bereits im späten 19. Jh. hatten sich die dortigen Bürger eine eigene Mumie gewünscht. So gründete man 1886 einen entsprechenden Verein, sammelte Geld durch die Ausgabe von Anteilsscheinen und schritt noch im selben Jahr zur Tat. Die gekaufte „Hammer Mumie“ steht zwar am Anfang der städtischen Ägyptensammlung. Erhalten geblieben ist sie uns aber leider nicht. Wie unzählige weitere Kulturgüter hat sie die Zerstörungen des 2. Weltkriegs nicht überlebt und ist daher nur als Photo in der heutigen Ausstellung vertreten. Was im Gustav-Lübcke-Museum im Original zu sehen ist, stammt vor allem aus dem Besitz des Mannes, nach dem das Haus benannt wurde: der Kunstsammler, Freimaurer und erste Museumsdirektor Gustav Lübcke (1868-1925).

Schwer beeindruckend: Steinsarkophag eines ägyptischen Würdenträgers. Davor stehen zwei Kanopen, die Gefäße in denen die Innerein des Verstorbenen nach dessen Mumifizierung aufbewahrt wurden.

In ihrer Gesamtheit bieten die Objekte einen Einblick in die materielle Kultur und Kunst des alten Ägypten, von der Zeit des Alten Reichs bis ins frühe Mittelalter. Ferner spiegeln sie auch die Interessen und Möglichkeiten der Sammler des späten 19. und frühen 20 Jh. wider. Damals war es für wohlhabende Europäer noch ohne Weiteres möglich, Altertümer in großer Menge aus dem Land des Nils zu beziehen bzw. als Souvenir mit nach Hause zu nehmen. Erst im Jahre 1981 sollte die ägyptische Regierung diesen Aktivitäten mit einem allgemeinen Ausfuhrverbot den Riegel vorschieben.

Viele der Objekte sind daher entweder von sich aus klein, oder auf ein Format zugeschnitten, das Mobilität ermöglicht. Prominente Ausnahme stellt im Hammer Museum ein massiver steinerner Sarg eines ägyptischen Würdenträgers dar. Dieser hätte zu keiner Zeit in eine Reisetasche gepasst! Doch er zeugt, wie die ehemalige „Hammer Mumie“, vom besonderen Interesse der Europäer an den Bestattungsriten der alten Ägypter.

Kleiner Helfer für das Jenseits: Blauer Fayence-Uschabti neben seinem Uschabti-Kasten.

Zu meinen Lieblingsobjekten in jeder derartigen Ausstellung gehören die Uschabtis: kleine mumienförmige Skulpturen aus Stein, Ton, Holz oder Fayence, die den Verstorbenen seit dem späten 3. Jahrtausend v. Chr. ins Grab gelegt wurden. Meist handelt es sich um Darstellungen von Männern mit typisch ägyptischer Frisur und Kinnbart. Ihre Arme sind vor der Brust gekreuzt und in ihren Händen halten sie kleine, aufgemalte Werkzeuge. Diese sollten sie benutzen, um für den Verstorbenen in der Totenwelt zu arbeiten. In den Gräbern der Reichen und Schönen finden sie sich daher zu Hunderten. Für einen Pharao konnten es über tausend Uschabtis werden. Zu ihrer Aufbewahrung dienten spezielle Uschabti-Kästen, von denen einer im Hammer Museum bewundert werden kann.

Macht macht schön: Ägyptische Herrscherin im Relief.

Anhand einiger Kalksteinreliefs können die Besonderheiten der ägyptischen Bildhauerkunst nachvollzogen werden. So ging es bei der Darstellung einer Königin nicht darum, ein naturgetreues Porträt anzufertigen. Vielmehr erscheint die Monarchin unabhängig von ihrem tatsächlichen Alter und ihrer körperlichen Verfassung als junge, athletische Frau. Jeder Bestandteil ihres Körpers ist aus der Perspektive abgebildet, die dessen Wesen und makellosen Zustand am besten verdeutlicht. So sieht man den Kopf von der Seite – das Auge blickt uns aber frontal entgegen. Der Oberkörper mit seinen kräftigen Schultern ist uns gleichermaßen zugewandt, während wir die weibliche Rundung von der Seite sehen etc.

Noch viel mehr könnte an dieser Stelle geschrieben werden, sei es über einzelne Objekte, sei es über die Ausstellung, die ihren Besuchern einen sehr anschaulichen Gang durch die ägyptische Geschichte bietet. Sie zu besuchen, kann ich jedem Paderborner sehr empfehlen, sofern er oder sie es nicht ohnehin schon längst getan haben.

Herzliche Grüße und bis bald!

Ihr Paul Duschner

Umfrage im Museum in der Kaiserpfalz hat begonnen!

Seit letztem Donnerstag können sich die Besucher des Museums in der Kaiserpfalz an einer kleinen Stadtschreiber-Umfrage beteiligen. Wie im Falle des Stadtmuseums gibt es einen knapp doppelseitigen Fragebogen, dessen Bearbeitung höchstens 5 Minuten in Anspruch nehmen sollte. Wer ihn ausgefüllt hat, kann auch hier einen Büchergutschein gewinnen.

Ziel der Umfrage ist es zu ermitteln, was die Menschen ins Pfalzmuseum treibt: Ist es ein allgemeines Interesse für die Archäologie, für das Mittelalter, oder ist es ein spezielles Interesse für die frühe Geschichte Paderborns? Bestehen hierbei Unterschiede zwischen Besuchern aus der einheimischen Bevölkerung und solchen, die von weither als Touristen in die Stadt gekommen sind? Wie sehen es die Studierenden?

Werden Exponate wie die Medusen aus der Paderquelle in erster Linie als historische Sachquellen verstanden oder als zeitlose Kunstwerke? Im ersteren Falle: Sind es Sachquellen zur Lokal- oder zur Globalgeschichte?

Auch soll in Erfahrung gebracht werden, welche Bedeutung die ehemaligen Kaiserpfalzen für das (Selbst-)Bewusstsein der heutigen Paderborner genießen. Sind sie und ihre Erbauer ein wichtiger Teil der städtischen Identität?

Die Ergebnisse werden Teil meiner Untersuchung zur Paderborner Museumslandschaft bilden, die im August im Rahmen eines öffentlichen Vortrags präsentiert wird. Ich bedanke mich schon jetzt ganz herzlich bei allen Teilnehmern an dieser und meinen anderen Umfragen. Sehr verpflichtet bin ich auch den netten MuseumsmitarbeiterInnen, die die ausgefüllten Fragebögen und Lose entgegennehmen.

Frohe Ostern!

Ihr Paul Duschner

Die Medusen aus der Paderquelle

Auch die frühe Siedlungsgeschichte Paderborns, bzw. des Gebiets auf dem Paderborn heute steht, wird im Museum in der Kaiserpfalz behandelt. Zwei besonders herausragende Exponate sind die runden, grün patinierten Bronzebleche.  Gefunden wurden sie im Jahre 1934, angeblich im Paderquellgebiet. Sie lassen sich auf das 7. oder 6. vorchristliche Jahrhundert datieren, wurden im etruskischen Norditalien hergestellt und erst nach langer Reise in der Paderquelle versenkt. Vielleicht dienten sie zuletzt als Opfergaben, als Geschenk für eine uns nicht bekannte Gottheit der Quelle.

Wertgegenstände in Gewässern zu versenken, war im vorchristlichen Europa jedenfalls eine weit verbreitete religiöse Praxis. Vielleicht bildet sie den historischen Kern von so mancher Sage aus späteren Jahrhunderten. Bekommt nicht der legendäre König Artus sein Schwert gereicht von einer mysteriösen Frau aus einem See und muss dieses Schwert nicht nach seinem Tode zurück ins Wasser geworfen werden! Auch der skandinavische Held Beowulf findet ein altes Schwert auf dem Grund eines Sees, gerade rechtzeitig um damit ein menschenfressendes Ungetüm zu enthaupten.

Hergestellt wurden die beiden Bronzebleche um den Schild oder Brustpanzer eines etruskischen Soldaten zu zieren. Wie genau sie ihren Weg in die Region Paderborn gefunden haben, können wir nicht mehr rekonstruieren. Wurden sie von einem Händler über die Alpen gekarrt und verkauft? Oder waren sie Teil einen Gabentauschs unter Reichen und Schönen? Gut bekannt ist nämlich, dass die einheimischen Eliten der frühen Eisenzeit große Fans mediterraner Produkte waren. Neben großen Mengen Wein fand so manch Meisterwerk des antiken Kunsthandwerks den Weg nach Norden. Ein besonders berühmtes Beispiel ist der „Krater von Vix“, ein etwa 1,60m hohes Bronzegefäß, gefunden im Grab einer keltischen Aristokratin im nördlichen Frankreich.

Noch etwas haben der „Krater von Vix“ und die beiden Bronzebleche im Pfalzmuseum gemeinsam:  Auf beiden können wir ein rundliches Gesicht mit großen Glubschaugen erkennen und einem breiten Mund mit spitzen Zähnen. Dargestellt ist Medusa, eines der bekanntesten Ungeheuer der klassischen Mythologie. Ihr Angesicht finden wir auch auf zahlreichen antiken Münzen.

Einst soll Medusa eine Frau von besonderer Schönheit gewesen sein. Der Meeresgott Poseidon stellte ihr nach und fiel ausgerechnet im Tempel der Athena, der Göttin der Weisheit, über sie her. Das erzürnte die Göttin, deren Rache für die Ruhestörung sich wohlgemerkt nicht gegen den mächtigen Täter, sondern gegen sein Opfer richtete: Athena verwandelte Medusa in eine Kreatur von hässlichem Antlitz. Wer es erblickte, musste sich vor Schreck auf der Stelle in einen Stein verwandeln. Anstelle der Haare trug die Unglückliche fortan ein Büschel lebender Schlangen auf dem Kopf. Letzteren abzuschlagen oblag dem griechischem Helden Perseus!

Angeblich wuchs Perseus auf einer Insel in der Ägäis auf, in der sicheren Obhut seiner alleinerziehenden Mutter. Deren Zuneigung wollte er mit keinem Schwiegervater teilen. Sogar den Avancen des Königs stellte er sich entgegen. Letzterer wusste sich allerdings zu helfen: Er schickte Perseus einfach auf ein gefährliches Abenteuer, von dem er hoffte, dass er nie zurückkehren würde. Der Junge sollte die Medusa finden, ihr den Kopf abschlagen und diesen als Geschenk für den König zurückbringen!

Allein wäre Perseus an dieser Aufgabe mit Sicherheit gescheitert. Schließlich hätte bereits ein einziger Blick in das Angesicht des Monsters gereicht, um den Jüngling mit Ödipus-Komplex in einen leblosen Felsklotz zu verwandeln. Doch er bekam göttliche Hilfe. Athena, die ihren Hass auf Medusa immer noch nicht überwunden hatte, schenkte dem angehenden Helden ein scharfes Schwert, ein Paar geflügelter Sandalen mit denen er zum Versteck der Medusa fliegen konnte und einen Spiegel. Letzterer war entscheidend. Dank ihm musste Perseus sein gefährliches Opfer nämlich nicht direkt ansehen. Er beobachtete Medusa nur im Spiegel, näherte sich im Rückwärtsgang und … zack. Kopf ab und schnell in einen Lederbeutel!

Glücklich wurde der König, der von Perseus den Kopf der Medusa gefordert hatte, übrigens nicht. Sobald er seinem Geschenk nämlich ins Gesicht sah, verwandelte er sich in einen Stein. Tödlich war Medusas Blick auch über ihren Tod hinaus…

Der Trick mit dem Spiegel wurde aber wenige Jahrtausende später wieder versucht, als die britische Zauberschule Hogwarts ebenfalls von einem Monster mit fatalem Blick heimgesucht wurde. Allerdings war das Ergebnis diesmal durchwachsen: Hermine wurde durch den Anblick des Basilisken im Spiegel zwar nicht gänzlich versteinert. Doch musste sie den Rest des zweiten Harry Potter-Bands im Koma verbringen.

Doch zurück zu den Medusen auf unseren Bronzeblechen. Auf den Schilden und Rüstungen etruskischer Krieger sollten sie potenziellen Feinden einen Schrecken einjagen: sie ebenfalls, zumindest im übertragenen Sinne, in Stein verwandeln! Wer glaubt dem standhalten zu können, kann sich im Pfalzmuseum selbst auf die Probe stellen. Wer nicht in Panik aus dem Museum rennt, ist dann herzlich eingeladen, sich im Foyer an einer meiner kleinen Stadtschreiber-Umfragen zu beteiligen.

Frohe Ostern und bis bald!

Ihr Paul Duschner

Die erste Besucherumfrage ist angelaufen!

Die erste von insgesamt fünf Umfragen für meine Betrachtung der Paderborner Museumslandschaft ist vor einigen Tagen angelaufen. Besucher des Stadtmuseums sind jetzt herzlich eingeladen, nach ihrem Gang durch die Ausstellung einen kleinen Fragekatalog auszufüllen. Keine Angst: Experimente haben ergeben, dass es nicht länger als 2-5 Minuten dauert. Lange Besinnungsaufsätze werden nicht verlangt. Vielmehr ist ein simples Kreuz meist ausreichend. Begründungen sind natürlich stets möglich und erwünscht, bleiben aber optional.

Privates muss nicht offengelegt werden. So lassen sich Datenskandale, wie jene um Facebook, von vorne herein ausschließen! Lediglich ein paar allgemeine Angaben zur Person müssen erhoben werden, wie jene nach Alter, Geschlecht und gefühlter Identität, z.B.: „Sehen Sie sich selbst als PaderbornerIn?“ Auch wird nach einem besonders museumsrelevanten Hobby gefragt: „Sind Sie selbst aktiver Kulturgut-Sammler (Kunstwerke, Antiquitäten, Münzen, etc.)?“ Eine meiner Hypothesen lautet: Wer selbst Altes und Schönes sammelt, wird im Museum öfter zum Sammlungsbuch greifen.

Speziell für langjährige Kenner der Paderborner Museumslandschaft finden sich die Fragen: „Haben Sie das ehemalige Stadtmuseum im Adam-und-Eva-Haus gekannt?“ Und: „Wenn ja, gefällt Ihnen das neue Stadtmuseum besser?“

Andere Fragen lauten:

„Hat der Besuch der Ausstellung persönliche Erinnerungen an Erlebnisse in Paderborn geweckt?“

„Haben Sie den Besuch der Ausstellung als Anregung empfunden, sich näher mit der Stadtentwicklung und -kultur zu befassen?“

„Gibt es wichtige Themen zur Stadtentwicklung und -kultur, die Ihrer Meinung nach nicht behandelt werden?“

Bei jedem Fragebogen findet sich außerdem ein Los, auf dem der Teilnehmer seine E-Mail-Adresse angeben kann. Nach Abschluss der Umfrage (wohl im Mai) wird ein Gewinner gezogen. Als Paderborner bekommt man einen Gutschein für 20 Euro an einer örtlichen Buchhandlung der eigenen Wahl. Wer als Tourist aus fernen Landen gekommen ist, kann sich stattdessen über einen international einsetzbaren Amazon-Gutschein freuen!

Für eine rege Teilnahme an dieser und den kommenden Umfragen (Stichwort: Pfalzmuseum und HNF) wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Herzliche Grüße und bis bald!

Ihr Paul Duschner

Kaiserpfalzmuseum, Teil 2: Grabbeigaben!

Auf die Pracht des Herrscherhofs, bzw. deren Überreste, folgen Objekte aus dem Leben der „einfachen Menschen“ der Region. Einen allumfassenden Einblick in die materielle Kultur der Spätantike und des frühen Mittelalters kann man allerdings nicht erwarten. Der Grund: Es kann nur ausgestellt werden, was sich über Jahrtausende erhalten hat. Derartige Objekte haben meist zweierlei gemeinsam.

Die Schatten der Vergangenheit, deren materielle Kultur nur bruchstückhaft erhalten geblieben ist.

Erstens: Sie wurden aus unorganischen Materialien hergestellt, die über Jahrtausende im feuchten Boden nicht verfault sind. Zwar ist überaus wahrscheinlich, dass die Bauernkinder zu Zeiten Karls des Großen mit Strohpuppen gespielt haben, sich kleine Boote aus Zweigen bastelten und diese in die Pader tauchten. Archäologische Hinterlassenschaften dieses Treibens können wir aber nicht erwarten. Vielmehr sind es Perlen und Töpfe aus gebranntem Ton, eiserne Werkzeuge und Waffen sowie Münzen, die der Spaten der Ausgräber ans Tageslicht und in die Museumsvitrine befördert hat. Auch sehen diese Objekte keinesfalls mehr aus wie früher. Farben sind verblasst und metallene Oberflächen korrodiert. Wir sprechen von einer „Patina“, die aus mehreren Schichten besteht und je nach Bodenverhältnissen eine unterschiedliche Färbung aufweisen kann. Lediglich im Falle der Münzen aus Edelmetall können wir davon ausgehen, dass sie ihr Erscheinungsbild weitgehend gewahrt haben.

Nicht nur am Kaiserhofe legten Damen auf eine elegante Erscheinung wert, wie diese frühmittelalterlichen Perlen belegen.

Zweitens: Die besterhaltenen Objekte stammen aus Gräbern. Dort hinein wurden die seinerzeit schönsten Töpferwerke und Schmuckstücke gelegt und damit aus dem täglichen Verkehr genommen, ehe sie abgenutzt und beschädigt waren. Waffen und Werkzeuge wären ferner nach dem Ende ihrer Nützlichkeit immer wieder eingeschmolzen worden. Zu kostbar war Eisen, als dass man sie einfach entsorgt hätte. So hat nur überdauert, was dem Schmelzofen durch Verlorengehen entrinnen konnte, oder weil es in ein sicheres Grab gelegt wurde.

Bleibt nur die Frage, warum die Menschen der Region ihren Verstorbenen diese Dinge mit ins Grab legten. Eine oft gehörte Antwort lautet: Es handelt sich um Ausrüstung für ein Leben nach dem Tode. Doch das ist reine Spekulation! Uns liegen nämlich keine „germanischen“ Glaubensbekenntnisse aus der Zeit vor. Lediglich aus den Federn christlicher Autoren stammen einige Ausführungen, die wir allerdings mit großer Vorsicht genießen müssen. Sie geben nämlich in keiner Weise die religiösen Vorstellungen der Beschriebenen wieder, sondern lediglich die christliche Sicht auf diese. Wie sehr letztere durch das Alte Testament bestimmt war, zeigt die immer wiederkehrende Behauptung, die „Heiden“ würden selbstgemachte „Götzen“ verehren. Ihren Ursprung hat dieses Klischee beim Goldenen Kalb.

Deutlich älter als Homer: Eine bronzezeitliche Graburne aus dem Gebiet der heutigen Innenstadt.

So wissen wir nicht, wie sich die Menschen der Region vor Ankunft des Christentums ihr Jenseits vorstellten, was man dorthin mitbringen musste und was bei Versäumnis drohte. Dass selbst die reichsten Grabbeigaben aber keinesfalls dem Verstorbenen zu Gute kommen müssen, verrät uns der griechische Dichter Homer aus dem 7. Jh. v. Chr., dem wir die Geschichte vom Trojanischen Krieg verdanken. Er lässt seinen prominentesten Helden, den listigen Griechenkönig Odysseus, zum Besuch bei den Toten in die Unterwelt hinabsteigen. Diese existieren allerdings nur als „Schatten“ ihrer früheren selbst, ohne jede Lebenskraft und Freude. So teilt der vor Troja gefallene Achilles seinem früheren Kampfgefährten in bitterer Klage mit, dass er jetzt lieber ein Tagelöhner unter den Lebenden wäre als ein König unter den Toten. Die üppigen Grabbeigaben, mit denen Odysseus und die anderen Griechen das Grab des Achilles gefüllt hatten, haben letzterem folglich absolut nichts genutzt!

Frühmittelalterliche Graburne.

Für die Existenz reicher Grabbeigaben gibt es allerdings auch eine andere, nicht-religiöse Erklärung. Demnach dienen sie vor allem der Selbstdarstellung der Hinterbliebenen. Durch das öffentliche Versenken einiger Wertstücke an der Seite des Toten wurde der eigene Wohlstand demonstriert. Ferner konnte man den Anschein vermeiden, übermäßig vom Ableben eines anderen Menschen profitieren zu wollen. So und durch deutliches Zuschaustellen der eigenen Betroffenheit wurde der Verdacht vermieden, womöglich seine Hände im Spiel gehabt zu haben. Bis heute wird bekanntlich öffentlich getrauert und ein Teil des Erbes in Todesanzeigen, Begräbnisfeiern und edle Särge investiert! Auch letzterer ist, wenn man es Recht sieht, eine teure Grabbeigabe. Unähnlich sind unsere Sitten denen der Vorfahren also nicht.

Herzliche Grüße und bis bald!

Paul Duschner

Ein Gang durchs Kaiserpfalzmuseum (Teil 1)

Zwar ist die frühste Geschichte Paderborns, oder besser gesagt des Gebiets auf dem Paderborn heute steht, auch im neuen Stadtmuseum vertreten. Von ihr zeugen die ausgestellten archäologischen Sammlungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde mit ihren Urnen und Töpfen aus Bronze und Ton. Speziell den Anfängen der Stadt ist jedoch ein anderes stadtgeschichtliches Museum gewidmet: das Museum in der Kaiserpfalz, gelegen zwischen Dom und Paderquellgebiet.

Für mich ist das Museum auch ein Ort persönlicher Erinnerung. Ich assoziiere es eng mit meiner ersten Ankunft in Paderborn vor zwei Jahren, zu Beginn meines „Kulturerbe“-Studiums an der hiesigen Universität. Stadt, Bewohner und künftige Kommilitoninnen waren mir noch gänzlich unbekannt. Lediglich mit der Person Karls des Großen war ich bereits gut vertraut. So habe ich die Erkundung meiner neuen Wahlheimat mit „seinem“ Museum begonnen.

Von allen Paderborner Museen halte ich es für das stimmungsvollste. Das mag zum einen an seiner Unterbringung an einem besonders geschichtsträchtigen Ort liegen: in dem rekonstruierten Pfalzgebäude Kaiser Heinrichs II. aus dem 11. Jh., unmittelbar neben den Überresten der noch älteren Pfalz Karls des Großen.

Der Beginn der Dauerausstellung ist der Geschichte der archäologischen Grabungen gewidmet, der wir unser Wissen über die Kaiserpfalzen verdanken. Dazu gibt es einen Lehrfilm und eine große Wandkarte, die die Stätte aus der Vogelperspektive zeigt.

Schon zu Zeiten Karls des Großen: Ohne Moos nichts los!

Erster Schwerpunkt ist dann das Thema „Reisekönigtum“. Hier erfährt der Besucher, dass es sich weder bei der Pfalz Karls, noch bei der Pfalz Heinrichs II., um einen ständigen Herrschersitz handelte. Vielmehr haben wir es mit einem periodisch genutzten Stützpunkt zu tun, in dem der Kaiser immer dann einkehren konnte, wenn er sich mit seinem Hof in der Gegend befand. Ständige Rundreisen, die ihn in die verschiedenen Teile seines Reichs führten, waren für den mittelalterlichen Herrscher nämlich eine anstrengende Notwendigkeit. Nur bei regelmäßigem, persönlichem Erscheinen konnte er sich der fortdauernden Loyalität seiner Untertanen sicher sein, die ihrerseits die Möglichkeit bekamen, Anliegen und Streitigkeiten vor den Thron zu bringen. Ferner wäre ohnehin keine Stadt auf Dauer in der Lage gewesen, den Herrscher samt Hof zu verköstigen. Auch das nötigte die hohen Herren zum regelmäßigen Ortswechsel. Dass wir sie dennoch nicht bemitleiden müssen, zeigt der weitere Verlauf der Ausstellung.

Von wegen kahle Wände: Überreste einer anspruchsvollen Bemalung.

Einen Eindruck vom Leben der „Reichen und Schönen“ um Karl den Großen vermitteln die im nächsten Raum ausgestellten archäologischen Funde. Wer bis dahin geglaubt hatte, diese hätten zwischen tristen Mauern aus blankem Stein hausen müssen, wird schnell eines Besseren belehrt: Baufragmente belegen eine aufwendige Bemalung mit Mustern und Schriftzügen in warmen Farben. Auch bunte Glasfenster hat es gegeben, wenn auch nur in Scherben erhalten. Wer ein vollständiges Exemplar sehen möchte, kann dieses jedoch in England finden, zufälligerweise in eben jenem Museum, in dem ich vor fünf Jahren mein erstes museumspädagogisches Praktikum absolviert habe: das Museum beim Kloster des bekannten Mönchs Beda Venerabilis. In der Kaiserpfalz ist dieses nur in Form eines Photos vertreten.

Der Rest vom Fest: Kochtöpfe und Tierknochen aus der Zeit Karls des Großen.

Von reich bedeckten Speisetafeln zeugen originale Überreste und moderne Museumskopien kostbarer Trinkgefäße aus Glas und Ton, die sich Karls Mannen auch aus entfernten Regionen zukommen ließen. Auf ihr Bemühen, sich selbst und ihren Ehefrauen ein standesgemäßes Erscheinungsbild zu verpassen, lassen vereinzelt erhaltene goldene Schmuckstücke schließen.

Ergänzt wird die Präsentation der archäologischen Funde durch eine virtuelle Animation und kleine Modelle des Pfalzkomplexes, von dem bekanntlich nur noch einige Mauerreste im Original zu sehen sind. So bekommt der Besucher einen spannenden Einblick in das Leben am Hofe Karl des Großen, dem einzigen Paderborner Hausbesitzer, dessen Bekanntheit die von Heinz Nixdorf übertrifft.

Wie es derweil den „kleinen Leuten“ jenseits der Pfalzmauern erging, erfährt der Besucher im nächsten Teil. So viel vorweg: Auch sie lebten keinesfalls so schlecht, wie es der Begriff vom „finsteren Mittelalter“ implizieren möchte.

Herzliche Grüße und bis bald,

Paul Duschner

Die Zukunft städtischer Museen: Einblicke in eine Diskussion

Die wichtigste Aufgabe eines jeden Museums ist es, Objekte zu sammeln und unter dem Schutz eines Kurators für die Ewigkeit zu bewahren. Dies geschieht nicht zum Selbstzweck, sondern mit Blick auf die Interessen der Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit. Letzteren begegnen die Objekte vor allem als Exponate in musealen Ausstellungen. Museen sind deshalb gleichermaßen Orte des Sammelns, des Bewahrens, des Ausstellens, Publizierens und Forschens. Ihre Entstehung seit dem 18.Jh. ist meist eng mit dem Aufkommen einer bürgerlichen Öffentlichkeit und der Fachwissenschaften verknüpft: das Kunstmuseum entsteht mit der Kunstgeschichte, das ethnologische Museum mit der Völkerkunde etc.

Die ersten städtischen Museen sind ein Phänomen des späten 19. Jh. Auf Initiative bürgerlicher Intellektueller und Künstler gegründet erfüllen sie deren Wunsch nach Bewahrung städtischer Altertümer und Geschichtstraditionen. Einer von Reichsgründung, Industrialisierung und neuen sozialen Konflikten geprägten Realität stellten diese Häuser eine romantisch verklärte Vergangenheit gegenüber, bestehend aus städtischer Unabhängigkeit, zünftigem Handwerk, christlicher Nächstenliebe und tugendbewusstem Adel.

In der Tat erwächst das Bedürfnis nach erinnernder Bewahrung stets dort, wo sich ein erkennbar irreversibler Wandel vollzieht. Das gilt bis heute, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ein frühes Museumspraktikum habe ich an einem städtischen Museum in Nordengland absolviert, dort gelegen, wo der schöne Fluss Tyne in die Nordsee mündet. Auch dieses Museum hatte eine gewisse nostalgische Note. Thema war die Geschichte der Hafenregion, unter besonderer Gewichtung der „good old days“: Damals, als der Industriehafen noch boomte (vor Thatcher), ebenso wie der Fischfang (vor der Einführung von EU-Fangquoten)…

Liest man die aktuelle Fachliteratur zu städtischen Museen, stößt man schnell auf eine von Museologen und Kulturpolitikern geführte Diskussion über deren künftige Rolle in der Gesellschaft. Einige der strittigen Fragen lauten:

  1. Ist es noch zeitgemäß, eine chronologisch gegliederte Geschichte der Stadt zu bieten, vielleicht begleitet mit illustrierenden Objekten? (z.B. die echten Stiefel die Hauptmann X bei der Verhaftung von Y trug) Falls ja: Wer entscheidet darüber, welche Ereignisse der Stadtgeschichte wichtig sind und welche nicht? Bedarf es einer „Meistererzählung“?
  2. Wie können neben Ausstellungsmachern und Kommunalpolitikern auch Angehörige der Öffentlichkeit in die Arbeit „ihres“ Museums einbezogen werden? Sollte ein Museum neben einer Ausstellungsfläche auch eine Diskussionsfläche für aktuelle Fragen der Stadtentwicklung und -identität sein?
  3. Ist es die Aufgabe des Museums, der einheimischen Bevölkerung als Ort der Erinnerung, der Begegnung und der Diskussion zu dienen? Oder soll das Museum vor allem nach überregionaler Bedeutung streben, sich durch „Alleinstellungsmerkmale“ auszeichnen und Touristen anlocken? Ist das Museum Teil der örtlichen „Tourismusindustrie“?
  4. Bedarf es überhaupt einer musealen Dauerausstellung? Argument: Sie einzurichten ist eine teure Angelegenheit. Mit bis zu 2.500 Euro muss man rechnen, pro Quadratmeter! Dem entsprechend lange muss die einmal fertiggestellte Ausstellung bestehen bleiben. Ihre Konzeption muss also von vorne herein möglichst zeitlos angelegt sein. Doch ist eine zeitlose Ausstellung bei unserem raschen gesellschaftlichen Wandel überhaupt möglich oder wünschenswert? Gegenargument: Nur eine dauerhaft beständige Ausstellung bietet die Möglichkeit zur längerfristigen Auseinandersetzung mit ihren Objekten und Inhalten. Ohne Stabilität lassen sich auch keine längerfristig angelegten und sorgsam erprobten museumspädagogischen Programme entwickeln.
  5. Finanzierung: Wie kann das Versiegen der Zuwendungen aus öffentlicher Hand kompensiert werden, ohne in die Abhängigkeit privater Spender zu geraten? Und ohne prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen! Müssen Museen sich und ihre Ausstellungen besser „vermarkten“ lernen und lassen sich die aggressiven Methoden der Privatwirtschaft auch im Kulturbetrieb anwenden? Wollen wir das überhaupt?

Museen existieren nicht abseits der Gesellschaft, sondern in ihr. Sie spiegeln deren kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung, ihre Interessen und Machtverhältnisse wider. Wie uns allen stehen ihnen im 21. Jh. interessante Entwicklungen bevor.

Herzliche Grüße und bis bald!

Paul Duschner