„Kultur ist Zusammensein” – von Paderboring, Subkulturen und Museen

Meine ersten beiden Interviews durfte ich bereits vor einiger Zeit mit zwei jungen Vertretern der Kunst- und Kulturszene in Paderborn führen. Moritz Pottkämper studiert Deutsche Literatur und Germanistische Sprachwissenschaft im Zwei-Fach-Master, macht (Techno-)Musik und arbeitete lange Zeit als studentische Hilfskraft bei der Studiobühne der Universität Paderborn. Gina Kassis hat sich ebenfalls der Musik verschrieben, schreibt ihre eigenen Texte und hat den Poesie Hafen, von dem ich bereits berichtet habe, ins Leben gerufen. Die Kunst- und Kulturszene in Paderborn betrachten Pottkämper und Kassis mit gemischten Gefühlen. Hier ein kleiner Einblick in die Interviews:

„Wie schätzt du die Kunst- und Kulturszene in Paderborn ein, gerade zum Stichwort Paderboring? Hast du Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Städten?“
„Hast du das Gefühl, die Kunst- und Kulturangebote werden von vielen Paderbornern und Paderbornerinnen genutzt?“

Obwohl Kassis und Pottkämper mit dem Begriff der Period Rooms zunächst nichts anfangen können, finden sie diese Art der Ausstellung nach meiner Erklärung spannend und erzählen auch, dass sie bereits in Berührung mit solchen inszenierten Räumen gekommen sind. Gina Kassis wünscht sich eine stärkere Einbindung anderer Medien, die eine interaktive Erschließung der Period Rooms ermöglichen. Moritz Pottkämper betont die Wichtigkeit der Authentizität im Bereich der Geschichtsvermittlung.
Die Frage, ob es ein Museum gibt, das Paderborn gut repräsentiert, finden beide schwierig zu beantworten. Gina Kassis denkt an das Stadtmuseum, da dieses in seinen Ausstellungen aktuelle Themen zeige, die Paderborn beschäftigt. Moritz Pottkämper hingegen findet, dass das Diözesanmuseum gut Paderborns konservative Seite widerspiegelt.
Sowohl für Kassis als auch Pottkämper ist Kultur ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Dabei spielt auch der soziale Charakter von Kunst und Kultur, der insbesondere während der Corona-Pandemie zu kurz kam, eine essentielle Rolle. Denn, wie Kassis zusammenfasst, ist Kultur auch Zusammensein.

Die 70er als museales Objekt – ein kleiner Exkurs nach Dänemark: Teil II

Nachdem ich im ersten Teil meines Berichts zum Den Gamle By bereits ein wenig zu den Wohnungen von 1974 erzählt habe, möchte ich nun genauer auf die Konzeption eingehen. Das Besondere an den Räumen ist nicht nur die Ausstattung, sondern auch die verschiedenen Details, die den Zimmern hinzugefügt wurden. So befinden sich auf den Tischen Gegenstände, die den Eindruck erwecken, die Bewohner würden hier noch stets leben: Teetassen, Tageszeitungen und sogar Imitationen von Lebensmitteln, wie unechter Babybrei, angeschnittenes Brot und Margarine im Kühlschrank. Die Produkte sind von Marken, die 1974 verwendet wurden. Dies und die Verwendung einer Puppe, die, als älterer Herr ausstaffiert, in einer der Wohnungen „schlafend” auf dem Sofa liegt, würde in vielen deutschen Museen sicherlich auf Kritik stoßen, ist doch dieser Eindruck, man könne die Vergangenheit wieder zum Leben erwecken, ein trügerischer. Eine Gefahr, die ich in der Inszenierung solcher Wohn- und Lebensrealitäten sehe, ist die der Stereotypisierung. So wurden in der Kommune mehrere leere Bierflaschen verteilt, die ein bestimmtes Bild einer Wohngemeinschaft verstärken sollen. In einigen Wohnungen werden außerdem Projektionen gezeigt, die Umrisse von Bewohnern darstellen sollen, teilweise werden auch fiktive Dialoge, wie ein Gespräch am Frühstückstisch einer Familie, abgespielt.

Blick in einen mit künstlichen Lebensmitteln ausgestatteten Kühlschrank in einer Wohnung von 1974.

Gleichzeitig werden die Einrichtungen der Wohnungen durch museale Ergänzungen verfremdet. Dazu gehören neben den Beschriftungstafeln auch Absperrungen vor einigen Betten und Sofas und Glasplatten vor einigen Objekten. Diese Begrenzungen sind notwendig, denn die beinahe lebendige Atmosphäre der Wohnungen lädt einige Besucher dazu ein, auf den Sitzflächen zu verweilen. Auch durch die verschiedenen interaktiven Stationen wirken die Einrichtungsgegenstände kaum wie Exponate eines Museums. So steht in jeder Wohnung ein Telefon, mit welchem die Besucher sich gegenseitig anrufen können. In der Kommune steht ein Plattenspieler, auf dem selbstständig verschiedene Titel aufgelegt werden können. Neben den Beschriftungen, die an den Wänden hängen, werden auch erklärende Videos in einzelnen Räumen abgespielt. Diese zeigen Interviews mit den ehemaligen Bewohnern der Wohnungen und geben interessante Hintergrundinformationen zum Alltag in den Siebziger Jahren. Besondere Einrichtungen stellen neben den Wohnungen eine gynäkologische Praxis und ein erst kürzlich eingebauter Kindergarten von 1974 dar. Auch die Toiletten, die sich zu der Zeit auf dem Gang befanden und von den Bewohnern der jeweiligen Wohnungen geteilt werden mussten und die Kellerräume wurden originalgetreu eingebaut.

Blick auf den Esstisch in der Wohnung des Hippie-Paares. Im Hintergrund ist ein Interview mit dem ehemaligen Bewohner zu hören.


Die Period Rooms in Den Gamle By eröffnen hinsichtlich ihrer Konzeption neue Überlegungen. So kann insbesondere die Einbeziehung von Interviews mit den ehemaligen Bewohnern eine sinnvolle Möglichkeit sein, die jeweiligen Interieurs einordnen zu können. Jedoch erzeugen einige der vom Museum hinzugefügten Aspekte eine zu starke Inszenierung und führen zur Erschaffung eines künstlichen Bildes. Gleichzeitig entwickeln gerade diese Aspekte eine große Wirkung auf die Besucher und können große Vorteile hinsichtlich der Geschichtsvermittlung bringen. In jedem Fall ist Den Gamle By einen Besuch wert!

Kann man lernen, glücklich zu sein? Ein Bericht zur Ausstellung „The Glowing“

Seit dem 19. August ist im Raum für Kunst die Ausstellung „The Glowing” zu sehen. Ich war auf der Vernissage dabei und konnte dort ein paar spannende Eindrücke sammeln. Die kleine Ausstellung zeigt einige ausgewählte Fotografien von Oliver Kleibrink, der während eines Projektes in der Paderborner Drogenszene Markus kennenlernte und ihn bei seinem Weg aus der Sucht begleitete. Der Verein Cheezze ist Förderer der Ausstellung und auch Herausgeber des gleichnamigen Bildbandes von Oliver Kleibrink. Dieser ist kostenlos im Raum für Kunst erhältlich. In dem Buch gewährt Markus Einblicke in seine Suche nach sich selbst und beschreibt dabei die Liebe für die Natur und das Leben, die er nach seinem Entzug wiederentdeckt hat.

Die von Markus Schuhmacher gestaltete Wurzel

Neben den ausgestellten Fotografien ist im Mittelpunkt des Raumes ein anderes, außergewöhnlich wirkendes Objekt zu sehen: Es ist eine Wurzel, die ausdrücklich zum Anfassen einlädt. Im Bildband erzählt Markus, wie er die Wurzel im Wald gefunden und bearbeitet hat. Für ihn symbolisiert sie seine eigene Selbstoptimierung und den Aufbruch in ein neues Leben, aber auch das immerwährende neue Entdecken seines Selbst.


Fotografien von Oliver Kleibrink

Die Eröffnung der Ausstellung wurde musikalisch von DJ Cut Spencer untermalt. Zum Abschluss fand eine eine Gesprächsrunde, moderiert von Julia Ures, statt. Hier wurde die Frage, was ein erfülltes Leben ausmacht, diskutiert und reflektiert. Interessant war hier die Fülle an unterschiedlichen Eindrücken aus verschiedenen Perspektiven und Lebensentwürfen. Die Frage, ob man Glück lernen und lehren kann, hat mich dabei besonders nachdenklich gestimmt. Bis zum 28.08. ist die Fotoausstellung noch zu besichtigen. Schaut doch mal vorbei!
In derselben Woche habe ich außerdem ein Interview mit zwei Studierenden geführt, die mir vom Kulturticket berichteten. Es wurde in diesem Semester vom Asta der Universität Paderborn eingeführt und ermöglicht Studierenden den kostenlosen Eintritt in verschiedene kulturelle Einrichtungen in Paderborn. Wer in Paderborn studiert und diesen Vorteil noch nicht nutzt, dem sei das Kulturticket zu empfehlen!

Die 70er als museales Objekt – ein kleiner Exkurs nach Dänemark: Teil I

Nachdem ich in einigen Blogartikeln davon gesprochen habe, konnte ich nun endlich die Museumsstadt Den Gamle By („Die alte Stadt”) im dänischen Aarhus besuchen. Im Gegensatz zu vielen anderen Freilichtmuseen wird hier nicht die bäuerliche Kultur auf dem Land, sondern das städtische Leben dargestellt. Eine weitere Besonderheit sind die Period Rooms aus den Siebziger Jahren. In Den Gamle By werden drei verschiedene Zeitabschnitte ausgestellt. Dazu gehören das Jahr 1864, 1927 und 1974. Daneben können weitere Orte innerhalb des Freilichtmuseums besucht werden wie das Dänische Plakatmuseum, das Spielzeugmuseum, die Festwiese und ein Weihnachtsladen. Die Stadt von 1864 nimmt dabei den größten Teil des Museums ein. Anders als es beispielsweise im Freilichtmuseum Detmold der Fall ist, ist Den Gamle By mit in historischen Gewändern gekleideten Schauspielern belebt, welche zuweilen kleine Szenen vorspielen. Diese Art der Inszenierung ist in der Forschung umstritten, da bezweifelt werden muss, wie authentisch die Kleidung und Darstellung der Schauspieler sein kann. Gleichzeitig wird eine Verklärung der Vergangenheit befürchtet. Obwohl ich diese Kritik zu Teilen nachvollziehen kann, denke ich doch, dass der Einsatz von Menschen in Freilichtmuseen eine starke Attraktion für die Besuchenden darstellt und insbesondere auch für Personen, die wenig Berührungspunkte zu Geschichte und der Institution Museum haben, eine Möglichkeit der Annäherung an das fremde Themengebiet bieten kann.

Das Modegeschäft elle aus dem Jahr 1974 in Den Gamle By
Der Esstisch in der Wohngemeinschaft von 1974 in Den Gamle By. Im Fernseher ist ein Interview mit den ehemaligen Bewohnern und Bewohnerinnen zu sehen.

Da ich die museale Präsentation von Räumen der jüngeren Vergangenheit, zum Beispiel der Siebziger Jahre, als recht selten wahrnehme, war dieser Abschnitt mein hauptsächliches Betrachtungsziel während meines Besuches in der Museumsstadt. Hier ist zunächst eine Straße zu nennen, die einer Fußgängerzone mit verschiedenen Geschäften von 1974 nachempfunden ist. Besonders auffällig ist das Modegeschäft elle, welches mit einer für das Jahr 1974 sehr futuristischen Architektur besticht, die unter anderem von dem Beatles-Lied „Yellow Submarine” inspiriert ist. In der Havnegade sind neben einem Lebensmittelgeschäft und einem Friseursalon von 1974 auch diverse Wohnungen zu finden. Dazu gehören unter anderem eine Kommune, die Wohnungen eines blinden Mannes, eines Hippie-Paares und einer Studentin. Tafeln in den Räumen weisen darauf hin, dass die Wohnungen in enger Zusammenarbeit mit den ehemaligen Bewohnern eingerichtet wurden, jedoch manche originale Möbel nicht mehr vorhanden sind. So wurde die Wohngemeinschaft mit Objekten möbliert, die dem Museum gespendet wurden, da die meisten der ursprünglichen Einrichtungsgegenstände, welche die Kommune von Großeltern, Eltern und Secondhandläden zusammengesammelt hatte, verloren gegangen waren. Im zweiten Teil meines Artikels über Den Gamle By werde ich näher auf die Einrichtung und Konzeption der Wohnungen eingehen.

Von Räumen, Perspektiven und Alltagskunst – ein Bericht zur Ausstellung im Diözesanmuseum

Seit dem 21. Mai ist im Diözesanmuseum die Ausstellung „SO GESEHEN” mit Werken von Barbara Klemm und Christoph Brech zu sehen. In einer kleinen Gruppe nahm ich an einer sonntäglichen offenen Führung durch die Ausstellung teil. In rund einer Stunde wurde Wissenswertes zu den Exponaten mitgeteilt, jedoch auch über die Verbindung von Raum und Objekt diskutiert. Die Ausstellung ist in verschiedene Themengebiete mit Überschriften wie „Fragmente” oder „Dialoge” unterteilt. Dabei entsteht durch die Konzeption der Werke von Klemm und Brech mit Objekten aus dem Bestand des Diözesanmuseums eine Wechselbeziehung, die diese unterschiedlichen Motive und Bedeutungsebenen aufgreift. So wird der Fotografie „Trapezkünstlerinnen” von Barbara Klemm der Libori-Festaltar mit schwebenden Engeln und überlebensgroßen allegorischen Figuren gegenübergestellt.
In den Arbeiten von Christoph Brech wird die Verbindung von visuellen Motiven und Klängen deutlich. So ist als auffällige Inszenierung Brechs „Nr. V / cis-moll” zu sehen, bei der der Fotograf Lichtpunkte an den Händen eines Dirigenten befestigte und so dessen Bewegungen als eine Art Sichtbarmachung von Musik visualisiert.

Ein Blick in die Ausstellung. Auf der rechten Seite ist Brechs großflächige Inszenierung zu sehen. Die Bildrechte liegen beim Diözesanmuseum Paderborn.


Besonders spannend erschienen mir Fotografien von Klemm und Brech, die Objekte in ungewohnter Umgebung zeigen. Dazu gehörten das Bild einer antiken Statue hinter einem zu modern wirkenden Zaun und die Skulptur eines Schlafenden vor neuzeitlicher Kabelage und Hasenposter. Die Beziehung von Raum und Objekt wurde mir hier sehr deutlich. Auch dies lässt sich auf die inszenierten Räume übertragen, die ich nach wie vor untersuche. Erst durch das Bespielen eines Ortes mit Gegenständen oder Wandgestaltungen wird der Raum zum belebten Wohnraum. Gleichzeitig findet eine Inszenierung statt, ein bestimmtes Bild wird erschaffen und nicht passende Elemente in diesem Raum werden vom Betrachter als Störfaktoren wahrgenommen. Wir erwarten eine Symbiose aus Raum und Objekt, die sich nicht gegenseitig widerspricht. Eine Reihe von Fotografien Klemms zeigt außerdem das Verhältnis von Kunst und Betrachter. Auf den Bildern sind Museumsbesucher zu sehen, die, in zufälligen Posen erstarrt, die Kunstwerke, die sie betrachten, widerspiegeln. Die Kunst wird so im Alltag reproduziert.
Bis zum 9. Oktober ist die Ausstellung noch im Diözesanmuseum zu sehen. Auch einige öffentliche Führungen werden bis dahin noch angeboten.

Junge Kunst im Silo

Mit dem Ende der Vorlesungszeit fand die Eröffnung der alljährlichen Ausstellung im Kunstsilo der Universität Paderborn statt. Hier wurden Kunstwerke von Studierenden verschiedener Studien- und Jahrgänge präsentiert. Wer sich im Silo nicht auskennt, konnte sich auch schon mal schnell verlaufen – denn die zahlreichen Werke unterschiedlichster Gattungen wurden auf mehreren Ebenen und Räumen ausgestellt. Dabei waren Arbeiten aus den Bereichen der Malerei, Fotografie, Druckgrafik, Installation und und Videokunst zu sehen. Neben den ausgestellten Werken gab es auch eine interaktive Station, in der es um das Fühlen ging. Hier konnte man unter anderem auf einer Matte miteinander rangeln, Gebäude in der Uni mit Stickern versehen, die ein bestimmtes Gefühl ausdrückten und Geheimnisse auf eine Schneiderpuppe heften. Auch künstlerische Performances wurden aufgeführt.
Nach einiger Zeit kam ich aus dem Fotografieren gar nicht mehr heraus. Es sprachen mich derart viele Werke an, dass es mir schwer fiel, ein Foto für diesen Artikel auszuwählen.

Eine Arbeit von Paula Ottemeier

Ich bemerkte, dass sich viele der Kunstwerke auf aktuelle politische und gesellschaftliche Debatten bezogen. So wurde der Krieg in der Ukraine, sexueller Missbrauch in der Kirche und die Body-Positivity-Bewegung thematisiert. Eines meiner Lieblingsbilder bildet Putin als Kakerlake ab, die sich über ein mit Leichenteilen bestrichenes Brot hermacht. Dies erinnerte mich an eine Installation, die ich in der Anfangszeit meiner Stadtschreibertätigkeit im Kunstverein gesehen habe. Dort sollte ein von Fliegen befallenes Brot am Frühstückstisch die Abgründe in der vermeintlichen Familienidylle darstellen.

Ein kleiner Einblick in die Ausstellung

Auffällig war die Vielzahl von sexuell aufgeladenen und provokanten Motiven, die in der Ausstellung zu finden waren. Generell ist es bezeichnend, wie viel störrischer, unbequemer und politischer bisweilen die Arbeiten von Studierenden und angehenden Künstlern und Künstlerinnen sind als die etablierter Kunstschaffender. Zu manchen der Werke hätten mich Informationen über den Entstehungsprozess oder begleitende Texte interessiert. Es ist jedoch vorstellbar, dass dazu in einer Ausstellung, die mit Studierenden gestaltet wird, keine Ressourcen vorhanden sind. Dass mit einer solchen Präsentation den Studierenden die Möglichkeit gegeben wird, sich und ihre Kunst im öffentlichen Raum auszuprobieren, halte ich für sehr wichtig.

In derselben Woche habe ich viel über Projekte kultureller Bildung in Paderborn erfahren können. Dazu gehören beispielsweise der Kulturrucksack mit kostenlosen Angeboten für Kinder und Jugendliche und die Kulturstrolche, bei denen Schüler und Schülerinnen hinter die Kulissen verschiedener kultureller Sparten blicken können. Wie wichtig die frühe Annäherung an Kunst und Kultur ist, wird mir selbst auch immer wieder bewusst. Denn Kinder, die Spaß an Kultur haben, werden dies in der Regel auch ins Erwachsenenalter tragen!

Wie frei ist Kunst im Museum? Ein Gespräch mit Xabier Rúa

Vor einigen Wochen war ich auf der Eröffnung der Fotoausstellung „Galiza …das Ende der Welt, der Anfang des Meeres” beim Cheezze e.V. mit Werken von Xabier Rúa. Die Fotografien entstanden in Galicien und zeigen insbesondere den dortigen Fischmarkt, auf dem der frischeste Fisch von ganz Europa verkauft wird und den nicht jeder betreten darf. Eigentlich wollte er eine Dokumentation zu diesem Thema drehen, was jedoch durch die Corona-Pandemie verhindert wurde. So nutzte er die Fotografien, die er von dem Ort gemacht hatte und stellte damit sein erstes Fotografieprojekt aus. Auch der Kurzfilm „Pai noso” von Xabier Rúa wurde auf der Ausstellungseröffnung präsentiert.

Blick auf zwei Fotografien von Xabier Rúa


Schließlich habe ich mich dann mit Xabier Rúa getroffen und habe mit ihm ein sehr spannendes Gespräch über Kunst, Kultur und welche Rolle die Museen dabei spielen, geführt. Rúa lebt seit 2010 in Paderborn. Hier vermisst er das Meer, das seine Heimat Galicien so sehr ausmacht. Sein Lebensweg scheint ebenso von Individualität und Freiheit geprägt zu sein wie seine Bilder. „Eine Menge Sachen” hat er studiert, so etwa Pädagogik, Sozialarbeit, Philosophie und Anthropologie. Im letzteren promoviert er derzeit zum Thema Migration und Identität. Generell ist Freiheit ein wichtiges Stichwort in unserem Gespräch. So kommen wir auch auf das Thema Museum zu sprechen. Rúa bevorzugt keine bestimmten Ausstellungsformate oder Museumstypen, vielmehr interessiert ihn alles, was mit Kultur zu tun hat. Die Institution Museum sieht er jedoch kritisch. So findet er es problematisch, dass Museen entscheiden, was Kunst ist. Gleichzeitig würden bei ihm Emotionen durch spontane Kunst im Alltag entstehen. Ein Beispiel dafür sei der Schriftzug „Jemand liebt dich”, den er einmal auf dem Weg zu den Fischteichen sah. Auch deshalb halte er sich lieber in kleinen, gemütlichen Orten lokaler Kunst als in großen Theatern oder Museen auf.

Fotograf Xabier Rúa betont die Wichtigkeit der Freiheit und Spontanität in der Kunst.
(Bildrechte bei Xabier Rúa)

Von Kunst kommen wir zum Begriff des Künstlers. Rúa vertritt die Ansicht, dass jeder Mensch eigentlich kreativ sei, manche es jedoch nicht ausleben würden. Genies gebe es nicht. Und der Künstler als Individuum und als Mittelpunkt des Interesses sei ein neuzeitliches Phänomen. Wichtig findet Rúa außerdem, dass Menschen auch ohne Publikum Kunst machen und sich nicht von der Macht des Mainstream beeinflussen lassen.
Das Gespräch bei schönstem Sonnenschein im Café hat mich sehr nachdenklich gestimmt und mir neue Perspektiven auf Museen eröffnet. Wie frei und authentisch kann Kunst im Museum eigentlich inszeniert werden? Wie viel wird dem Betrachter durch die Institutionalisierung von Kunst eigentlich vorgegeben? Und können Period Rooms durch eine bloße Zurschaustellung von Einrichtungen ohne Kontextualisierung dem vielleicht sogar entgegen steuern? Was denkt ihr?