Was sind eigentlich diese Period Rooms?

Period rooms? Bitte was? So oder so ähnlich fielen die meisten Reaktionen aus, wenn ich von meinem Thema des Stadtschreiberprojektes erzählt habe. Dieser Begriff ist mir selbst erst während meines Studiums des Kulturerbes begegnet. Auch auf die Gefahr hin, dass dieser Blogeintrag ein wenig trockener ausfallen wird als die übrigen, denke ich, dass es doch wichtig sein dürfte, dieses Thema einmal aufzudröseln.
Die inszenierten Räume sind auch unter dem Namen der Stilräume, Epochenräume und eben, am häufigsten, als Period Rooms bekannt. In diesen Räumen, die oft in Kunst- und Gewerbemuseen, jedoch auch in Freilichtmuseen zu finden sind, geht es nicht um das Exponat an sich. Vielmehr werden historische Raumgestaltungen in den Kontext des Museums eingebettet. Diese Art der Ausstellung ist im 19. Jahrhundert entstanden und dient dem Zweck, Einrichtungsströmungen und Wohninterieur einer bestimmten Zeit zu zeigen. Nach Benno Schubiger gehören dazu jedoch nicht Wohnräume in Schlössern, die am Originalstandort wiederaufgebaut wurden – wichtig bleibt die Übertragung eines historischen Raumes in den musealen Raum. Teilweise werden in der Forschungsliteratur Unterscheidungen zwischen Period Room, Stilraum und Epochenraum vorgenommen. So gelten Stilräume nach Schubiger als Zimmer, die frei mit historischen Objekten verschiedener Herkunft inszeniert werden, ohne einen tatsächlichen historischen Originalraum zu übernehmen. Epochenräume stellten eine Ansammlung von Objekten einer Stilepoche dar, die jedoch nicht zwingend als Wohnraum angeordnet würden.
Gerade in der Nachkriegszeit sahen sich die inszenierten Räume viel Kritik ausgesetzt. So galten sie aufgrund ihrer Größe als zu sperrig und nicht authentisch genug, was daran lag, dass oftmals Objekte einer Epoche gesammelt und gemeinsam ausgestellt wurden, während die Originalausstattung der Räume außer Acht gelassen wurde. Auch die Fokussierung auf Wohnräume einer elitären Oberschicht und Inszenierung einer idealen Vorstellung des Wohnens waren und sind kritikwürdig. Dabei sind die Potenziale dieser Ausstellungsform längst nicht ausgeschöpft. So ist beispielsweise eine Verknüpfung von Period Rooms mit Digitalisierung denkbar, etwa, um die Räume, die in der Regel nicht mit Objektbeschriftungen versehen sind, näher zu erläutern und begreifbar zu machen.

Leider ein sehr dunkles Foto – hier sieht man einen Period Room im Musée des Art décoratifs in Paris

Bekannte Period Rooms lassen sich im Metropolitan Museum of Art in New York, im Victoria and Albert Museum in London und im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg finden. In der nächsten Zeit habe ich einen Besuch im letzteren Museum geplant und bin schon sehr gespannt, was mich dort erwartet!
Während meines Auslandssemesters in Paris habe ich übrigens viel Zeit in inszenierten Räumen verbracht, ohne zu wissen, dass dies einmal ein wichtiges Forschungsthema für mich sein würde. Leider habe ich daher kaum Fotos von den wunderbaren Räumen im MAD (Musée des Arts décoratifs) und Cité de l’architecture et du patrimoine vorzuweisen. Vielleicht findet sich während der nächsten Monate noch eine Gelegenheit, die zahlreichen Period Rooms in Paris aufs Neue zu entdecken!

Kunst im Krieg – zur Ausstellung ukrainischer Künstler im Stadtmuseum

Im Stadtmuseum ist zurzeit eine Ausstellung mit Werken ukrainischer Künstler und Künstlerinnen zu sehen. Die Ausstellung „Einen Schritt vor dem Krieg“ wurde im Zuge des russisch-ukrainischen Krieges in einer Rekordgeschwindigkeit von vier Wochen auf die Beine gestellt. Entsprechend minimalistisch ist die Konzipierung der im Kreuzgang ausgestellten Bilder geraten – dies fügt sich jedoch gut in die Thematik des Krieges ein.
Eingeleitet wird die Ausstellung mit einem Interview von Petro Antyp. Der Künstler stammt aus Donezk und musste wegen seiner politischen Haltung in die ukrainische Hauptstadt fliehen. Da Putin nicht glaube, dass es eine ukrainische Kultur gäbe, findet Antyp es umso wichtiger, dass ukrainische Künstler viel mehr solcher Ausstellungen machen. Neben Antyp sind Werke von Sergij Sakharow, Oleksandr Serdyuk, Igor Panchuk, Oleksii Konoshenko und Victoriia Romanchuk vertreten. Die Verbindung einiger Bilder zum Krieg wird oft erst auf den zweiten Blick deutlich: hier ein gespaltener Schädel, den Blick stoisch in die Leere gerichtet, dort ein schwarzer Strich, wie eine Zäsur auf dem weißen Stein. Die Werke sind kraftvoll und melancholisch und wirken oft auch in Verbindung mit den beschriebenen Biografien der Künstler nach. So erfährt man, dass Sakharow aufgrund seines künstlerischen Protestes in der besetzten Stadt Donezk festgenommen und gefoltert wurde.

Viktoriia Romanchuk: Die Schusswunde, 2011

Am Ende des Kreuzganges wird erneut ein Video gezeigt: Diesmal stellt die Ukraine sich selbst vor; als Personifikation, als “beautiful woman”. Sie zeigt ihre Historie, ihre Schönheit und ihren Schrecken, den Krieg, unter dem ihre Kinder leiden. Zum Ende lädt sie uns, als Zusehende und als Europäer, ein, sie zu besuchen – in besseren Zeiten.
Die Ausstellung macht nachdenklich und betroffen. Sie zeigt jedoch auch, wie Kunst eine Form von Widerstand sein kann und wie wichtig sie ist, als Protest, als ein Gegenhalten zum Terror und als Lichtblick.
Der Eintritt zu der Ausstellung ist kostenlos, man kann jedoch eine Spende an die Künstler entrichten. Bis zum 5. Juni ist die Ausstellung noch im Stadtmuseum Paderborn zu sehen.

Wo Poesie und Pils aufeinander treffen

Während des ersten Jahres der Corona-Pandemie wurden in den Nachrichten oft Bilder von ausgestorbenen Großstädten gezeigt; vom leeren Petersplatz in Rom, auf dem sich sonst die Touristen drängeln, oder vom Champ de Mars in Paris, wo bei gutem Wetter überall gepicknickt wird. Wie leergefegt waren auch die kulturellen Rückzugsorte, die Museen, Theater und Sehenswürdigkeiten. Face-to-Face wurde durch Digitalisierung ersetzt, war manchmal eine gute Alternative mit ungeahnten Möglichkeiten, besonders im kulturellen Bereich jedoch bestenfalls ein kurzzeitiger Ersatz. Auch der Poesiehafen, eine Lesebühne im Globetrotter Paderborn, die von Gina Kassis ins Leben gerufen wurde, musste sich viel zu lange mit einem digitalen Format begnügen.
Seit 2018 gibt es den Poesiehafen. Am 28. April konnte er erstmals wieder wie gewohnt stattfinden. Neben Lyrik wurde auch Prosa und Musik dargeboten. Ich selbst war bereits bei der Premiere des Poesiehafens sowie bei den digitalen Angeboten als Leserin dabei. Auch dieses Mal durfte ich einen Auszug aus einer Kurzgeschichte vorlesen und konnte nach langer Zeit wieder erleben, wie kreativer Austausch in wahrhaftigen und nicht virtuellen Räumen entsteht.

Beim Poesiehafen kann man zwischen Bier und Schnaps selbstgeschriebenen Texten lauschen.

Für die musikalische Untermalung des Abends sorgten Tizz und Steiser, elf Leser und Leserinnen (Verena, Nabilah, Hendrik zur Mühlen, Angel, Niklas, meine Wenigkeit, Wölko, Noemi, Justus, Jann und Julia) boten Lyrik und Prosa dar. Nachdem sich meine Aufregung nach meiner Lesung, die vor der Pause stattfand, langsam gelegt hatte, konnte ich die zweite Hälfte des Programms entspannt genießen. Besonders eindrücklich fand ich dabei Jann Wattjes, der mit mir die ostfriesische Herkunft und das darin begründete gelegentliche zum „ä” transformierte „e” teilt. In seinem Text schaffte er ungeahnte Verbindungen zwischen Elvis und Auflauf und bewies, dass er sich zurecht einen Namen in der Poetry-Slam-Szene gemacht hat.
Wie zu jedem Poesiehafen platzte die Kneipe Globetrotter im Hafenviertel von Paderborn aus allen Nähten. Gina Kassis erzählte mir, dass nicht nur unter den Zuhörenden, sondern auch unter den Lesenden sehr viel Andrang herrscht. Für den nächsten Poesiehafen, der am 19. Mai stattfinden soll, ist die Liste der Vortragenden bereits voll. Wer selbst einmal etwas vor Publikum lesen möchte, muss bis zum Poesiehafen im Juni warten.
Gina Kassis war außerdem eine der ersten Personen, die ich im Zuge meines Projektes interviewen durfte. Impressionen aus diesem Gespräch werde ich natürlich auch hier bald teilen. Weiterhin gilt: Wer Interesse hat, sich zur Kunst- und Kulturszene interviewen zu lassen, kann sich gerne jederzeit hier melden. Ich freue mich über jedes Gespräch, jetzt, wo es auch wieder in Präsenz möglich ist!

Die wilden Siebziger halten Einzug in Paderborn

Anfang des Jahres sah ich auf einer Social-Media-Plattform, dass für die Musicalproduktion „PaderBORN TO BE WILD” der Studiobühne noch Hilfe hinter der Bühne gesucht wird. Da mich Kunst und Kultur nicht nur im wissenschaftlichen Sinne beschäftigen, sondern auch in meinem privaten Leben einen wichtigen Stellenwert innehaben, ergriff ich die Chance und bot mich als Dramaturgieassistentin an. Hier erhielt ich einen wunderbaren Einblick in den Entstehungsprozess eines Theaterstücks – von der ersten Leseprobe mit Textbuch bis hin zur Aufführung mit Musik, Scheinwerfern und Publikum. Vor einigen Jahren war ich bereits zweimal als Darstellerin sowie einmal als Regieassistentin bei der Studiobühne tätig. Daher war die Arbeit an dem Musical, das zum 50-jährigen Jubiläum der Universität Paderborn in die siebziger Jahre entführt, auch eine kleine persönliche Reise in die Vergangenheit.
Das Musical erzählt die Geschichte von Tobi, der die alte Paderborner WG seines Onkels eigentlich nur entrümpeln will – bis er sich mit seiner Freundin Sarah im Jahr 1972 wiederfindet und auf die jüngeren Versionen von Onkel Bernd und dessen Mitbewohnern trifft. Dabei geben die Akteure mit ansteckender Energie die Klassiker der Siebziger zum Besten: vom Schlager „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo” bis zur Bikerhymne „Born to be wild”. Das Musical markiert auch den Einstand von Sascha Löschner, dem neuen Leiter der Studiobühne. Nach der pandemiebedingten Pause kehrt das Leben endlich wieder auf die Bühne zurück!

Das Musical wird in zwei Besetzungen gespielt: Hier mit Lisa Marie Finke, Alyssia Schröder, Paul Haverland, Leonie Machinia, Robin Katona, Moritz Pottkämper, Kim Gorschlüter und Felix Wegerich.

Als ich mich erstmals eingehender mit der Thematik des period room auseinandersetzte, dachte ich auch über Räume im Allgemeinen nach. Im Deutschen wird mit der Begrifflichkeit der inszenierten Räume eine Komponente, die sich auch im Theater findet, deutlich. Die Vorstellung eines begrenzten Ortes, der als Bühne einer gewissen Darstellung dient, erinnerte mich an die Gemeinsamkeiten zwischen Museen und Theatern. Geschichte und Geschichten werden durch beide Medien anschaulich gemacht. Besonders interessant waren beim Musical die begeisterten Reaktionen von Zuschauern, die diese Zeit selbst miterlebt haben. Für meine Generation sind die siebziger Jahre im Grunde bereits tote Geschichte, für ältere Menschen stellen sie die eigene Vergangenheit dar, die lebendig bleibt. So wie die inszenierten Räume ein Abbild einer Vergangenheit sein sollen, so versucht auch das Theater, Perspektiven auf das Leben zu werfen.
Wer sich das Musical noch anschauen möchte, hat an folgenden Terminen die Gelegenheit dazu:
12.5., 14.5., 3.6., 30.6., 2.7. um 19:30 Uhr; 23.6. um 19:00 Uhr