Die erste Besucherumfrage ist angelaufen!

Die erste von insgesamt fünf Umfragen für meine Betrachtung der Paderborner Museumslandschaft ist vor einigen Tagen angelaufen. Besucher des Stadtmuseums sind jetzt herzlich eingeladen, nach ihrem Gang durch die Ausstellung einen kleinen Fragekatalog auszufüllen. Keine Angst: Experimente haben ergeben, dass es nicht länger als 2-5 Minuten dauert. Lange Besinnungsaufsätze werden nicht verlangt. Vielmehr ist ein simples Kreuz meist ausreichend. Begründungen sind natürlich stets möglich und erwünscht, bleiben aber optional.

Privates muss nicht offengelegt werden. So lassen sich Datenskandale, wie jene um Facebook, von vorne herein ausschließen! Lediglich ein paar allgemeine Angaben zur Person müssen erhoben werden, wie jene nach Alter, Geschlecht und gefühlter Identität, z.B.: „Sehen Sie sich selbst als PaderbornerIn?“ Auch wird nach einem besonders museumsrelevanten Hobby gefragt: „Sind Sie selbst aktiver Kulturgut-Sammler (Kunstwerke, Antiquitäten, Münzen, etc.)?“ Eine meiner Hypothesen lautet: Wer selbst Altes und Schönes sammelt, wird im Museum öfter zum Sammlungsbuch greifen.

Speziell für langjährige Kenner der Paderborner Museumslandschaft finden sich die Fragen: „Haben Sie das ehemalige Stadtmuseum im Adam-und-Eva-Haus gekannt?“ Und: „Wenn ja, gefällt Ihnen das neue Stadtmuseum besser?“

Andere Fragen lauten:

„Hat der Besuch der Ausstellung persönliche Erinnerungen an Erlebnisse in Paderborn geweckt?“

„Haben Sie den Besuch der Ausstellung als Anregung empfunden, sich näher mit der Stadtentwicklung und -kultur zu befassen?“

„Gibt es wichtige Themen zur Stadtentwicklung und -kultur, die Ihrer Meinung nach nicht behandelt werden?“

Bei jedem Fragebogen findet sich außerdem ein Los, auf dem der Teilnehmer seine E-Mail-Adresse angeben kann. Nach Abschluss der Umfrage (wohl im Mai) wird ein Gewinner gezogen. Als Paderborner bekommt man einen Gutschein für 20 Euro an einer örtlichen Buchhandlung der eigenen Wahl. Wer als Tourist aus fernen Landen gekommen ist, kann sich stattdessen über einen international einsetzbaren Amazon-Gutschein freuen!

Für eine rege Teilnahme an dieser und den kommenden Umfragen (Stichwort: Pfalzmuseum und HNF) wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Herzliche Grüße und bis bald!

Ihr Paul Duschner

Kaiserpfalzmuseum, Teil 2: Grabbeigaben!

Auf die Pracht des Herrscherhofs, bzw. deren Überreste, folgen Objekte aus dem Leben der „einfachen Menschen“ der Region. Einen allumfassenden Einblick in die materielle Kultur der Spätantike und des frühen Mittelalters kann man allerdings nicht erwarten. Der Grund: Es kann nur ausgestellt werden, was sich über Jahrtausende erhalten hat. Derartige Objekte haben meist zweierlei gemeinsam.

Die Schatten der Vergangenheit, deren materielle Kultur nur bruchstückhaft erhalten geblieben ist.

Erstens: Sie wurden aus unorganischen Materialien hergestellt, die über Jahrtausende im feuchten Boden nicht verfault sind. Zwar ist überaus wahrscheinlich, dass die Bauernkinder zu Zeiten Karls des Großen mit Strohpuppen gespielt haben, sich kleine Boote aus Zweigen bastelten und diese in die Pader tauchten. Archäologische Hinterlassenschaften dieses Treibens können wir aber nicht erwarten. Vielmehr sind es Perlen und Töpfe aus gebranntem Ton, eiserne Werkzeuge und Waffen sowie Münzen, die der Spaten der Ausgräber ans Tageslicht und in die Museumsvitrine befördert hat. Auch sehen diese Objekte keinesfalls mehr aus wie früher. Farben sind verblasst und metallene Oberflächen korrodiert. Wir sprechen von einer „Patina“, die aus mehreren Schichten besteht und je nach Bodenverhältnissen eine unterschiedliche Färbung aufweisen kann. Lediglich im Falle der Münzen aus Edelmetall können wir davon ausgehen, dass sie ihr Erscheinungsbild weitgehend gewahrt haben.

Nicht nur am Kaiserhofe legten Damen auf eine elegante Erscheinung wert, wie diese frühmittelalterlichen Perlen belegen.

Zweitens: Die besterhaltenen Objekte stammen aus Gräbern. Dort hinein wurden die seinerzeit schönsten Töpferwerke und Schmuckstücke gelegt und damit aus dem täglichen Verkehr genommen, ehe sie abgenutzt und beschädigt waren. Waffen und Werkzeuge wären ferner nach dem Ende ihrer Nützlichkeit immer wieder eingeschmolzen worden. Zu kostbar war Eisen, als dass man sie einfach entsorgt hätte. So hat nur überdauert, was dem Schmelzofen durch Verlorengehen entrinnen konnte, oder weil es in ein sicheres Grab gelegt wurde.

Bleibt nur die Frage, warum die Menschen der Region ihren Verstorbenen diese Dinge mit ins Grab legten. Eine oft gehörte Antwort lautet: Es handelt sich um Ausrüstung für ein Leben nach dem Tode. Doch das ist reine Spekulation! Uns liegen nämlich keine „germanischen“ Glaubensbekenntnisse aus der Zeit vor. Lediglich aus den Federn christlicher Autoren stammen einige Ausführungen, die wir allerdings mit großer Vorsicht genießen müssen. Sie geben nämlich in keiner Weise die religiösen Vorstellungen der Beschriebenen wieder, sondern lediglich die christliche Sicht auf diese. Wie sehr letztere durch das Alte Testament bestimmt war, zeigt die immer wiederkehrende Behauptung, die „Heiden“ würden selbstgemachte „Götzen“ verehren. Ihren Ursprung hat dieses Klischee beim Goldenen Kalb.

Deutlich älter als Homer: Eine bronzezeitliche Graburne aus dem Gebiet der heutigen Innenstadt.

So wissen wir nicht, wie sich die Menschen der Region vor Ankunft des Christentums ihr Jenseits vorstellten, was man dorthin mitbringen musste und was bei Versäumnis drohte. Dass selbst die reichsten Grabbeigaben aber keinesfalls dem Verstorbenen zu Gute kommen müssen, verrät uns der griechische Dichter Homer aus dem 7. Jh. v. Chr., dem wir die Geschichte vom Trojanischen Krieg verdanken. Er lässt seinen prominentesten Helden, den listigen Griechenkönig Odysseus, zum Besuch bei den Toten in die Unterwelt hinabsteigen. Diese existieren allerdings nur als „Schatten“ ihrer früheren selbst, ohne jede Lebenskraft und Freude. So teilt der vor Troja gefallene Achilles seinem früheren Kampfgefährten in bitterer Klage mit, dass er jetzt lieber ein Tagelöhner unter den Lebenden wäre als ein König unter den Toten. Die üppigen Grabbeigaben, mit denen Odysseus und die anderen Griechen das Grab des Achilles gefüllt hatten, haben letzterem folglich absolut nichts genutzt!

Frühmittelalterliche Graburne.

Für die Existenz reicher Grabbeigaben gibt es allerdings auch eine andere, nicht-religiöse Erklärung. Demnach dienen sie vor allem der Selbstdarstellung der Hinterbliebenen. Durch das öffentliche Versenken einiger Wertstücke an der Seite des Toten wurde der eigene Wohlstand demonstriert. Ferner konnte man den Anschein vermeiden, übermäßig vom Ableben eines anderen Menschen profitieren zu wollen. So und durch deutliches Zuschaustellen der eigenen Betroffenheit wurde der Verdacht vermieden, womöglich seine Hände im Spiel gehabt zu haben. Bis heute wird bekanntlich öffentlich getrauert und ein Teil des Erbes in Todesanzeigen, Begräbnisfeiern und edle Särge investiert! Auch letzterer ist, wenn man es Recht sieht, eine teure Grabbeigabe. Unähnlich sind unsere Sitten denen der Vorfahren also nicht.

Herzliche Grüße und bis bald!

Paul Duschner

Ein Gang durchs Kaiserpfalzmuseum (Teil 1)

Zwar ist die frühste Geschichte Paderborns, oder besser gesagt des Gebiets auf dem Paderborn heute steht, auch im neuen Stadtmuseum vertreten. Von ihr zeugen die ausgestellten archäologischen Sammlungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde mit ihren Urnen und Töpfen aus Bronze und Ton. Speziell den Anfängen der Stadt ist jedoch ein anderes stadtgeschichtliches Museum gewidmet: das Museum in der Kaiserpfalz, gelegen zwischen Dom und Paderquellgebiet.

Für mich ist das Museum auch ein Ort persönlicher Erinnerung. Ich assoziiere es eng mit meiner ersten Ankunft in Paderborn vor zwei Jahren, zu Beginn meines „Kulturerbe“-Studiums an der hiesigen Universität. Stadt, Bewohner und künftige Kommilitoninnen waren mir noch gänzlich unbekannt. Lediglich mit der Person Karls des Großen war ich bereits gut vertraut. So habe ich die Erkundung meiner neuen Wahlheimat mit „seinem“ Museum begonnen.

Von allen Paderborner Museen halte ich es für das stimmungsvollste. Das mag zum einen an seiner Unterbringung an einem besonders geschichtsträchtigen Ort liegen: in dem rekonstruierten Pfalzgebäude Kaiser Heinrichs II. aus dem 11. Jh., unmittelbar neben den Überresten der noch älteren Pfalz Karls des Großen.

Der Beginn der Dauerausstellung ist der Geschichte der archäologischen Grabungen gewidmet, der wir unser Wissen über die Kaiserpfalzen verdanken. Dazu gibt es einen Lehrfilm und eine große Wandkarte, die die Stätte aus der Vogelperspektive zeigt.

Schon zu Zeiten Karls des Großen: Ohne Moos nichts los!

Erster Schwerpunkt ist dann das Thema „Reisekönigtum“. Hier erfährt der Besucher, dass es sich weder bei der Pfalz Karls, noch bei der Pfalz Heinrichs II., um einen ständigen Herrschersitz handelte. Vielmehr haben wir es mit einem periodisch genutzten Stützpunkt zu tun, in dem der Kaiser immer dann einkehren konnte, wenn er sich mit seinem Hof in der Gegend befand. Ständige Rundreisen, die ihn in die verschiedenen Teile seines Reichs führten, waren für den mittelalterlichen Herrscher nämlich eine anstrengende Notwendigkeit. Nur bei regelmäßigem, persönlichem Erscheinen konnte er sich der fortdauernden Loyalität seiner Untertanen sicher sein, die ihrerseits die Möglichkeit bekamen, Anliegen und Streitigkeiten vor den Thron zu bringen. Ferner wäre ohnehin keine Stadt auf Dauer in der Lage gewesen, den Herrscher samt Hof zu verköstigen. Auch das nötigte die hohen Herren zum regelmäßigen Ortswechsel. Dass wir sie dennoch nicht bemitleiden müssen, zeigt der weitere Verlauf der Ausstellung.

Von wegen kahle Wände: Überreste einer anspruchsvollen Bemalung.

Einen Eindruck vom Leben der „Reichen und Schönen“ um Karl den Großen vermitteln die im nächsten Raum ausgestellten archäologischen Funde. Wer bis dahin geglaubt hatte, diese hätten zwischen tristen Mauern aus blankem Stein hausen müssen, wird schnell eines Besseren belehrt: Baufragmente belegen eine aufwendige Bemalung mit Mustern und Schriftzügen in warmen Farben. Auch bunte Glasfenster hat es gegeben, wenn auch nur in Scherben erhalten. Wer ein vollständiges Exemplar sehen möchte, kann dieses jedoch in England finden, zufälligerweise in eben jenem Museum, in dem ich vor fünf Jahren mein erstes museumspädagogisches Praktikum absolviert habe: das Museum beim Kloster des bekannten Mönchs Beda Venerabilis. In der Kaiserpfalz ist dieses nur in Form eines Photos vertreten.

Der Rest vom Fest: Kochtöpfe und Tierknochen aus der Zeit Karls des Großen.

Von reich bedeckten Speisetafeln zeugen originale Überreste und moderne Museumskopien kostbarer Trinkgefäße aus Glas und Ton, die sich Karls Mannen auch aus entfernten Regionen zukommen ließen. Auf ihr Bemühen, sich selbst und ihren Ehefrauen ein standesgemäßes Erscheinungsbild zu verpassen, lassen vereinzelt erhaltene goldene Schmuckstücke schließen.

Ergänzt wird die Präsentation der archäologischen Funde durch eine virtuelle Animation und kleine Modelle des Pfalzkomplexes, von dem bekanntlich nur noch einige Mauerreste im Original zu sehen sind. So bekommt der Besucher einen spannenden Einblick in das Leben am Hofe Karl des Großen, dem einzigen Paderborner Hausbesitzer, dessen Bekanntheit die von Heinz Nixdorf übertrifft.

Wie es derweil den „kleinen Leuten“ jenseits der Pfalzmauern erging, erfährt der Besucher im nächsten Teil. So viel vorweg: Auch sie lebten keinesfalls so schlecht, wie es der Begriff vom „finsteren Mittelalter“ implizieren möchte.

Herzliche Grüße und bis bald,

Paul Duschner

Die Zukunft städtischer Museen: Einblicke in eine Diskussion

Die wichtigste Aufgabe eines jeden Museums ist es, Objekte zu sammeln und unter dem Schutz eines Kurators für die Ewigkeit zu bewahren. Dies geschieht nicht zum Selbstzweck, sondern mit Blick auf die Interessen der Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit. Letzteren begegnen die Objekte vor allem als Exponate in musealen Ausstellungen. Museen sind deshalb gleichermaßen Orte des Sammelns, des Bewahrens, des Ausstellens, Publizierens und Forschens. Ihre Entstehung seit dem 18.Jh. ist meist eng mit dem Aufkommen einer bürgerlichen Öffentlichkeit und der Fachwissenschaften verknüpft: das Kunstmuseum entsteht mit der Kunstgeschichte, das ethnologische Museum mit der Völkerkunde etc.

Die ersten städtischen Museen sind ein Phänomen des späten 19. Jh. Auf Initiative bürgerlicher Intellektueller und Künstler gegründet erfüllen sie deren Wunsch nach Bewahrung städtischer Altertümer und Geschichtstraditionen. Einer von Reichsgründung, Industrialisierung und neuen sozialen Konflikten geprägten Realität stellten diese Häuser eine romantisch verklärte Vergangenheit gegenüber, bestehend aus städtischer Unabhängigkeit, zünftigem Handwerk, christlicher Nächstenliebe und tugendbewusstem Adel.

In der Tat erwächst das Bedürfnis nach erinnernder Bewahrung stets dort, wo sich ein erkennbar irreversibler Wandel vollzieht. Das gilt bis heute, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ein frühes Museumspraktikum habe ich an einem städtischen Museum in Nordengland absolviert, dort gelegen, wo der schöne Fluss Tyne in die Nordsee mündet. Auch dieses Museum hatte eine gewisse nostalgische Note. Thema war die Geschichte der Hafenregion, unter besonderer Gewichtung der „good old days“: Damals, als der Industriehafen noch boomte (vor Thatcher), ebenso wie der Fischfang (vor der Einführung von EU-Fangquoten)…

Liest man die aktuelle Fachliteratur zu städtischen Museen, stößt man schnell auf eine von Museologen und Kulturpolitikern geführte Diskussion über deren künftige Rolle in der Gesellschaft. Einige der strittigen Fragen lauten:

  1. Ist es noch zeitgemäß, eine chronologisch gegliederte Geschichte der Stadt zu bieten, vielleicht begleitet mit illustrierenden Objekten? (z.B. die echten Stiefel die Hauptmann X bei der Verhaftung von Y trug) Falls ja: Wer entscheidet darüber, welche Ereignisse der Stadtgeschichte wichtig sind und welche nicht? Bedarf es einer „Meistererzählung“?
  2. Wie können neben Ausstellungsmachern und Kommunalpolitikern auch Angehörige der Öffentlichkeit in die Arbeit „ihres“ Museums einbezogen werden? Sollte ein Museum neben einer Ausstellungsfläche auch eine Diskussionsfläche für aktuelle Fragen der Stadtentwicklung und -identität sein?
  3. Ist es die Aufgabe des Museums, der einheimischen Bevölkerung als Ort der Erinnerung, der Begegnung und der Diskussion zu dienen? Oder soll das Museum vor allem nach überregionaler Bedeutung streben, sich durch „Alleinstellungsmerkmale“ auszeichnen und Touristen anlocken? Ist das Museum Teil der örtlichen „Tourismusindustrie“?
  4. Bedarf es überhaupt einer musealen Dauerausstellung? Argument: Sie einzurichten ist eine teure Angelegenheit. Mit bis zu 2.500 Euro muss man rechnen, pro Quadratmeter! Dem entsprechend lange muss die einmal fertiggestellte Ausstellung bestehen bleiben. Ihre Konzeption muss also von vorne herein möglichst zeitlos angelegt sein. Doch ist eine zeitlose Ausstellung bei unserem raschen gesellschaftlichen Wandel überhaupt möglich oder wünschenswert? Gegenargument: Nur eine dauerhaft beständige Ausstellung bietet die Möglichkeit zur längerfristigen Auseinandersetzung mit ihren Objekten und Inhalten. Ohne Stabilität lassen sich auch keine längerfristig angelegten und sorgsam erprobten museumspädagogischen Programme entwickeln.
  5. Finanzierung: Wie kann das Versiegen der Zuwendungen aus öffentlicher Hand kompensiert werden, ohne in die Abhängigkeit privater Spender zu geraten? Und ohne prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen! Müssen Museen sich und ihre Ausstellungen besser „vermarkten“ lernen und lassen sich die aggressiven Methoden der Privatwirtschaft auch im Kulturbetrieb anwenden? Wollen wir das überhaupt?

Museen existieren nicht abseits der Gesellschaft, sondern in ihr. Sie spiegeln deren kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung, ihre Interessen und Machtverhältnisse wider. Wie uns allen stehen ihnen im 21. Jh. interessante Entwicklungen bevor.

Herzliche Grüße und bis bald!

Paul Duschner

Zu Besuch beim „Foto-Quiz: 100 Jahre Paderborn“ (Paderborner Literaturtage)

Die Relikte der Stadtgeschichte, die wir in Paderborns kulturgeschichtlichen Museen bewundern können, haben eines gemeinsam: Die Graburnen, Schildbuckel, Mauerfragmente, Uniformen und Fahrräder sind stets von beweglicher Natur und überschaubarer Größe, was ihre Bewahrung im Rahmen musealer Sammlungen erleichtert hat.

Viele der Geschäfte, Wohn- und Sakralbauten, die noch zu Beginn des 20. Jh. die Paderborner Straßen säumten, sind hingegen längst aus dem Stadtbild verschwunden. Manche fielen den alliierten Bombenangriffen zum Opfer. Andere wurden in der Nachkriegszeit abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Einen Eindruck von ihrem Aussehen vermitteln meist nur noch historische Photographien, wie sie der Paderborner Kunsthistoriker Ullrich Vogt für mehrere stadtgeschichtliche Bücher zusammengestellt und wissenschaftlich kommentiert hat.

Etwa 30 Zuhörer waren in die Bonifatius-Buchhandlung gekommen, um dem Bildvortrag von Ullrich Vogt zu lauschen.

Als Stadtschreiber war es mir ein besonderes Vergnügen, seinem heutigen Vortrag „Foto-Quiz: 100 Jahre Paderborn“ beiwohnen zu dürfen, gehalten in der städtischen Bonifatius-Buchhandlung im Rahmen der diesjährigen Paderborner Literaturtage.

Der Referent beginnt seine Ausführungen mit einem kurzen Überblick über die Entwicklung der Farbphotographie: Aus Experimenten des 19. Jh. gingen erst in den 1930er Jahren die allgemein erhältlichen Photoapparate hervor, denen wir die ältesten farbigen Aufnahmen der Stadt verdanken. Deren Anfertigung war noch eine teure Angelegenheit. In die Entwicklung eines einzigen Photos hätte ein durchschnittlich bezahlter Facharbeiter drei seiner hart verdienten Stundenlöhne investieren müssen!

Der Referent beim Signieren seines jüngsten Buchs „Mein Paderborn in Farbe: Fotoschätze aus mehr als 100 Jahren“.

Dann präsentiert der von seinem Thema sichtlich begeisterte Vogt eine breite Auswahl der historischen Aufnahmen, die er aus Privatbesitz und Stadtarchiv zusammengetragen hat. Stets stellt er seinem Publikum die Frage: Wer erkennt das Haus oder den Straßenzug? In welchem Teil Paderborns befinden wir uns hier? Sein etwa 30-köpfiges Publikum besteht vor allem aus Angehörigen der lebenserfahrenen Generationen, denen es nicht schwerfällt, das Dargestellte anhand eigener Erinnerungen zu benennen. Auf die Identifizierung folgt manche Geschichte aus dem kollektiven Gedächtnis der Anwesenden. So habe ich beispielsweise von der Existenz jenes berüchtigten Benimmlehrers erfahren, dessen Namen bis heute mit dem gebrüllten Satz „Welches …loch hat die Tür aufgelassen!“ verbunden wird.

Alten Aufnahmen stellt Vogt solche aus der Gegenwart vergleichend gegenüber. Auch als Außenstehender erkennt man schnell: Von der Position des Doms abgesehen hat sich Paderborn im letzten Jahrhundert dramatisch verändert. Als jemand, dessen persönliche Erinnerungen an die Stadt nicht weiter als in das Jahr 2015 zurückreichen, konnte ich zur Identifizierung ihrer ehemaligen Gebäude nicht viel beitragen. Sollte es allerdings in einigen Jahrzehnten einen vergleichbaren Vortrag zur Entwicklung meiner bayerischen Herkunftsstadt Pfaffenhofen geben, werde ich zu denen mit dem „Insider-Wissen“ gehören.

Herzliche Grüße und bis bald!

Paul Duschner

Eindrücke aus dem Paderborner Stadtmuseum (Teil 2)

Ich lasse die Architekturgeschichte hinter mir und betrete das Herzstück des Museums: den Raum mit den städtischen Altertümern. Hier finden sich Objekte aus den Sammlungen verschiedener städtischer Vereine, die sich im 19. und 20. Jh. der Bewahrung und Ausstellung von Kulturgut verschrieben haben. So sind die dort versammelten Exponate nicht nur ein Stück Paderborner Geschichte. Sie sind auch Zeugnisse des Umgangs der Stadtbevölkerung mit ihrer Vergangenheit, der in dem Wunsch gipfelte,    historische Hinterlassenschaften systematisch zu erschließen, zu erforschen und an künftige Generationen zu vererben.

Militäruniformen und Stiefel: Zeugnisse der deutschen Geschichte, der Paderborner Geschichte, der militärischen Traditionspflege und der lokalen Sammeltätigkeit.

Was wir in diesem Teil des Museums zu sehen bekommen, verdanken wir also der Geschichtsbegeisterung von Generationen von Paderbornern!

Schnell erschließt sich dem Besucher die große Bandbreite an Exponaten: Wir sehen alte Fahrräder, Bücher, preußische Militäruniformen und Stiefel, Gemälde adeliger Persönlichkeiten, Zeichnungen, Porzellangeschirr, Jagdgewehre, Bronzeskulpturen, eisenzeitliche Graburnen, römische Gefäße, mittelalterliche Topfreste, alte Silbermünzen usw. usw. und – so – weiter. Manchmal scheint der Paderborner Bezug offensichtlich, so bei den Darstellungen von Angehörigen der Familie Fürstenberg und bei Zeichnungen der 1945 erlittenen Kriegszerstörungen. Andere Objekte erinnern uns vor allem daran, dass sich die Stadtgeschichte stets im Rahmen größerer Kontexte vollzogen hat. So verweisen kaiserdeutsche Militaria auf die Zugehörigkeit der Stadt zu einer imperial agierenden Großmacht und darauf, dass der Stolz auf Armee und Vaterland auch vor den Stadtgrenzen nicht Halt gemacht hat. Gleiches gilt für die Wahnideologie des deutschen Faschismus, wie eine in bedrückend kleiner Größe angefertigte HJ-Uniform belegt.

Prähistorisches Steinwerkzeug, römische Gefäße: Zeugnisse vergangener Kulturen sowie einer 200-jährigen städtischen Archäologie.

In der großen Vielfalt seiner Objekte, die ihrerseits ein Ergebnis des vielfältigen Sammelinteresses Paderborner Vereine darstellt, liegt für mich ein besonderer Reiz dieses Stadtmuseums. Hier werden Dinge auf anschauliche Weise in einem Raum vereint, die für gewöhnlich von verschiedenen akademischen Disziplinen für sich reklamiert und auf verschiedene Museen oder Museumstrakte verstreut werden. Zwischen ihren Entstehungszeiten mögen Jahrtausende liegen. Manche mögen damals wie heute als „Kunst“ gelten, andere als Gebrauchsgegenstände. Manche entstammen archäologischen Kontexten. Was sie aber alle vereint, ist ihre Verbindung zur Geschichte von Stadt und Region, im Rahmen derer sie alle zum „kulturellen Erbe“ erklärt wurden.

Persönliches Lieblingsobjekt des Stadtschreibers: eine Graburne mit altem Fundzettel aus dem Jahre 1842. Laut Inventarbuch ein Objekt der frühen Eisenzeit.

Wer sich für eines der Stücke näher interessiert, kann zu einem der ausliegenden Sammlungsbücher greifen. Ansonsten sind die Erläuterungstexte knapp gehalten, wohl auch um nicht von den einzelnen Objekten und ihren ästhetischen Qualitäten abzulenken. In diesem Sinne erscheint auch der Verzicht auf historisierende Inszenierungen:  So findet man keine „typische Paderborner Backstube aus dem 18. Jh.“ mit rekonstruiertem Ofen und verkleideten Schaufensterpuppen. Derartiges bleibt der Phantasie des Besuchers überlassen, der sich vor allem auf die Exponate selbst konzentrieren soll. Auch bietet das Museum keine Meistererzählung der Stadtgeschichte, die dem Besucher in Form einer (ermüdenden) „Wandzeitung“ in chronologisch geordneten Häppchen präsentiert wird. Stattdessen werden mit Hilfe der Objekte einzelne Aspekte der Stadtgeschichte angeschnitten, wie die Stadtarchäologie, fürstliche Jagd- und Selbstdarstellung, bürgerliches Vereinswesen, militärische Traditionspflege, Festkultur etc.

In meinen Augen muss der Besucher daher, neben zumindest rudimentären Vorkenntnissen zur Stadtgeschichte, zweierlei auf seinem Museumsbesuch mitbringen. Erstens: Die Bereitschaft zur Wiederkehr. Zwar mag die Größe des Raums der städtischen Altertümer überschaubar sein. Ihre Menge und Vielfalt übertrifft aber das, was bei einem einzelnen Besuch wahrgenommen und verarbeitet werden kann. Zweitens: Liebe zu historischen Objekten aller Art!

Ich hoffe, noch in diesem Monat mit der Befragung von Besuchern beginnen zu können und würde mich über eine rege Beteiligung freuen. Dann sollen Ihre Eindrücke im Mittelpunkt stehen!

Herzliche Grüße und bis bald!

Paul Duschner