Die Zukunft städtischer Museen: Einblicke in eine Diskussion

Die wichtigste Aufgabe eines jeden Museums ist es, Objekte zu sammeln und unter dem Schutz eines Kurators für die Ewigkeit zu bewahren. Dies geschieht nicht zum Selbstzweck, sondern mit Blick auf die Interessen der Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit. Letzteren begegnen die Objekte vor allem als Exponate in musealen Ausstellungen. Museen sind deshalb gleichermaßen Orte des Sammelns, des Bewahrens, des Ausstellens, Publizierens und Forschens. Ihre Entstehung seit dem 18.Jh. ist meist eng mit dem Aufkommen einer bürgerlichen Öffentlichkeit und der Fachwissenschaften verknüpft: das Kunstmuseum entsteht mit der Kunstgeschichte, das ethnologische Museum mit der Völkerkunde etc.

Die ersten städtischen Museen sind ein Phänomen des späten 19. Jh. Auf Initiative bürgerlicher Intellektueller und Künstler gegründet erfüllen sie deren Wunsch nach Bewahrung städtischer Altertümer und Geschichtstraditionen. Einer von Reichsgründung, Industrialisierung und neuen sozialen Konflikten geprägten Realität stellten diese Häuser eine romantisch verklärte Vergangenheit gegenüber, bestehend aus städtischer Unabhängigkeit, zünftigem Handwerk, christlicher Nächstenliebe und tugendbewusstem Adel.

In der Tat erwächst das Bedürfnis nach erinnernder Bewahrung stets dort, wo sich ein erkennbar irreversibler Wandel vollzieht. Das gilt bis heute, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ein frühes Museumspraktikum habe ich an einem städtischen Museum in Nordengland absolviert, dort gelegen, wo der schöne Fluss Tyne in die Nordsee mündet. Auch dieses Museum hatte eine gewisse nostalgische Note. Thema war die Geschichte der Hafenregion, unter besonderer Gewichtung der „good old days“: Damals, als der Industriehafen noch boomte (vor Thatcher), ebenso wie der Fischfang (vor der Einführung von EU-Fangquoten)…

Liest man die aktuelle Fachliteratur zu städtischen Museen, stößt man schnell auf eine von Museologen und Kulturpolitikern geführte Diskussion über deren künftige Rolle in der Gesellschaft. Einige der strittigen Fragen lauten:

  1. Ist es noch zeitgemäß, eine chronologisch gegliederte Geschichte der Stadt zu bieten, vielleicht begleitet mit illustrierenden Objekten? (z.B. die echten Stiefel die Hauptmann X bei der Verhaftung von Y trug) Falls ja: Wer entscheidet darüber, welche Ereignisse der Stadtgeschichte wichtig sind und welche nicht? Bedarf es einer „Meistererzählung“?
  2. Wie können neben Ausstellungsmachern und Kommunalpolitikern auch Angehörige der Öffentlichkeit in die Arbeit „ihres“ Museums einbezogen werden? Sollte ein Museum neben einer Ausstellungsfläche auch eine Diskussionsfläche für aktuelle Fragen der Stadtentwicklung und -identität sein?
  3. Ist es die Aufgabe des Museums, der einheimischen Bevölkerung als Ort der Erinnerung, der Begegnung und der Diskussion zu dienen? Oder soll das Museum vor allem nach überregionaler Bedeutung streben, sich durch „Alleinstellungsmerkmale“ auszeichnen und Touristen anlocken? Ist das Museum Teil der örtlichen „Tourismusindustrie“?
  4. Bedarf es überhaupt einer musealen Dauerausstellung? Argument: Sie einzurichten ist eine teure Angelegenheit. Mit bis zu 2.500 Euro muss man rechnen, pro Quadratmeter! Dem entsprechend lange muss die einmal fertiggestellte Ausstellung bestehen bleiben. Ihre Konzeption muss also von vorne herein möglichst zeitlos angelegt sein. Doch ist eine zeitlose Ausstellung bei unserem raschen gesellschaftlichen Wandel überhaupt möglich oder wünschenswert? Gegenargument: Nur eine dauerhaft beständige Ausstellung bietet die Möglichkeit zur längerfristigen Auseinandersetzung mit ihren Objekten und Inhalten. Ohne Stabilität lassen sich auch keine längerfristig angelegten und sorgsam erprobten museumspädagogischen Programme entwickeln.
  5. Finanzierung: Wie kann das Versiegen der Zuwendungen aus öffentlicher Hand kompensiert werden, ohne in die Abhängigkeit privater Spender zu geraten? Und ohne prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen! Müssen Museen sich und ihre Ausstellungen besser „vermarkten“ lernen und lassen sich die aggressiven Methoden der Privatwirtschaft auch im Kulturbetrieb anwenden? Wollen wir das überhaupt?

Museen existieren nicht abseits der Gesellschaft, sondern in ihr. Sie spiegeln deren kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung, ihre Interessen und Machtverhältnisse wider. Wie uns allen stehen ihnen im 21. Jh. interessante Entwicklungen bevor.

Herzliche Grüße und bis bald!

Paul Duschner

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