Die Medusen aus der Paderquelle

Auch die frühe Siedlungsgeschichte Paderborns, bzw. des Gebiets auf dem Paderborn heute steht, wird im Museum in der Kaiserpfalz behandelt. Zwei besonders herausragende Exponate sind die runden, grün patinierten Bronzebleche.  Gefunden wurden sie im Jahre 1934, angeblich im Paderquellgebiet. Sie lassen sich auf das 7. oder 6. vorchristliche Jahrhundert datieren, wurden im etruskischen Norditalien hergestellt und erst nach langer Reise in der Paderquelle versenkt. Vielleicht dienten sie zuletzt als Opfergaben, als Geschenk für eine uns nicht bekannte Gottheit der Quelle.

Wertgegenstände in Gewässern zu versenken, war im vorchristlichen Europa jedenfalls eine weit verbreitete religiöse Praxis. Vielleicht bildet sie den historischen Kern von so mancher Sage aus späteren Jahrhunderten. Bekommt nicht der legendäre König Artus sein Schwert gereicht von einer mysteriösen Frau aus einem See und muss dieses Schwert nicht nach seinem Tode zurück ins Wasser geworfen werden! Auch der skandinavische Held Beowulf findet ein altes Schwert auf dem Grund eines Sees, gerade rechtzeitig um damit ein menschenfressendes Ungetüm zu enthaupten.

Hergestellt wurden die beiden Bronzebleche um den Schild oder Brustpanzer eines etruskischen Soldaten zu zieren. Wie genau sie ihren Weg in die Region Paderborn gefunden haben, können wir nicht mehr rekonstruieren. Wurden sie von einem Händler über die Alpen gekarrt und verkauft? Oder waren sie Teil einen Gabentauschs unter Reichen und Schönen? Gut bekannt ist nämlich, dass die einheimischen Eliten der frühen Eisenzeit große Fans mediterraner Produkte waren. Neben großen Mengen Wein fand so manch Meisterwerk des antiken Kunsthandwerks den Weg nach Norden. Ein besonders berühmtes Beispiel ist der „Krater von Vix“, ein etwa 1,60m hohes Bronzegefäß, gefunden im Grab einer keltischen Aristokratin im nördlichen Frankreich.

Noch etwas haben der „Krater von Vix“ und die beiden Bronzebleche im Pfalzmuseum gemeinsam:  Auf beiden können wir ein rundliches Gesicht mit großen Glubschaugen erkennen und einem breiten Mund mit spitzen Zähnen. Dargestellt ist Medusa, eines der bekanntesten Ungeheuer der klassischen Mythologie. Ihr Angesicht finden wir auch auf zahlreichen antiken Münzen.

Einst soll Medusa eine Frau von besonderer Schönheit gewesen sein. Der Meeresgott Poseidon stellte ihr nach und fiel ausgerechnet im Tempel der Athena, der Göttin der Weisheit, über sie her. Das erzürnte die Göttin, deren Rache für die Ruhestörung sich wohlgemerkt nicht gegen den mächtigen Täter, sondern gegen sein Opfer richtete: Athena verwandelte Medusa in eine Kreatur von hässlichem Antlitz. Wer es erblickte, musste sich vor Schreck auf der Stelle in einen Stein verwandeln. Anstelle der Haare trug die Unglückliche fortan ein Büschel lebender Schlangen auf dem Kopf. Letzteren abzuschlagen oblag dem griechischem Helden Perseus!

Angeblich wuchs Perseus auf einer Insel in der Ägäis auf, in der sicheren Obhut seiner alleinerziehenden Mutter. Deren Zuneigung wollte er mit keinem Schwiegervater teilen. Sogar den Avancen des Königs stellte er sich entgegen. Letzterer wusste sich allerdings zu helfen: Er schickte Perseus einfach auf ein gefährliches Abenteuer, von dem er hoffte, dass er nie zurückkehren würde. Der Junge sollte die Medusa finden, ihr den Kopf abschlagen und diesen als Geschenk für den König zurückbringen!

Allein wäre Perseus an dieser Aufgabe mit Sicherheit gescheitert. Schließlich hätte bereits ein einziger Blick in das Angesicht des Monsters gereicht, um den Jüngling mit Ödipus-Komplex in einen leblosen Felsklotz zu verwandeln. Doch er bekam göttliche Hilfe. Athena, die ihren Hass auf Medusa immer noch nicht überwunden hatte, schenkte dem angehenden Helden ein scharfes Schwert, ein Paar geflügelter Sandalen mit denen er zum Versteck der Medusa fliegen konnte und einen Spiegel. Letzterer war entscheidend. Dank ihm musste Perseus sein gefährliches Opfer nämlich nicht direkt ansehen. Er beobachtete Medusa nur im Spiegel, näherte sich im Rückwärtsgang und … zack. Kopf ab und schnell in einen Lederbeutel!

Glücklich wurde der König, der von Perseus den Kopf der Medusa gefordert hatte, übrigens nicht. Sobald er seinem Geschenk nämlich ins Gesicht sah, verwandelte er sich in einen Stein. Tödlich war Medusas Blick auch über ihren Tod hinaus…

Der Trick mit dem Spiegel wurde aber wenige Jahrtausende später wieder versucht, als die britische Zauberschule Hogwarts ebenfalls von einem Monster mit fatalem Blick heimgesucht wurde. Allerdings war das Ergebnis diesmal durchwachsen: Hermine wurde durch den Anblick des Basilisken im Spiegel zwar nicht gänzlich versteinert. Doch musste sie den Rest des zweiten Harry Potter-Bands im Koma verbringen.

Doch zurück zu den Medusen auf unseren Bronzeblechen. Auf den Schilden und Rüstungen etruskischer Krieger sollten sie potenziellen Feinden einen Schrecken einjagen: sie ebenfalls, zumindest im übertragenen Sinne, in Stein verwandeln! Wer glaubt dem standhalten zu können, kann sich im Pfalzmuseum selbst auf die Probe stellen. Wer nicht in Panik aus dem Museum rennt, ist dann herzlich eingeladen, sich im Foyer an einer meiner kleinen Stadtschreiber-Umfragen zu beteiligen.

Frohe Ostern und bis bald!

Ihr Paul Duschner

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