Schulbegleitung – inklusionsfördernd?

Schulbegleiter:innen sind aus dem heutigen, inklusiven Schulalltag nicht mehr wegzudenken. Sind sie jedoch förderlich auf dem Weg zur inklusiven Beschulung? Die tatsächlichen Arbeitsinhalte der Schulbegleitungen unterscheiden sich stark und sind abhängig von der/dem zu begleitenden Schüler:in, den Lehrkräften und der Schule. Inwiefern Schulbegleitungen inklusions-zielführend eingesetzt werden und ob die theoretischen Aufgaben kompatibel mit der Praxis sind, wird in diesem Blogbeitrag diskutiert.

Flemming Fitz (Von Studierenden für Studierende)

„Ziel von Schulbegleitung ist es, ergänzend zu den Aufgaben der Schule, eine Teilhabe der Schülerinnen und Schüler am Unterricht zu ermöglichen (§ 54 SGB XII und § 35a SGB VIII). Sie zielt darauf, eine größtmögliche Selbständigkeit des Schülers/der Schülerin zu erreichen und im Laufe der Begleitung die Unterstützung möglichst weit zurückzunehmen.“ (Lebenshilfe 2015, https://www.lebenshilfe.de/fileadmin/Redaktion/PDF/Wissen/public/Positionspapiere/Positionspapier_2015-11_Schulbegleitung.pdf).

Theoretische Problematiken

Offiziell bzw. aus rechtlicher Sicht dürfte eine Entlastung der Lehrkräfte durch Schulbegleitung nur jene Bereiche betreffen, die nicht im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Lehrkräfte zu verankern sind. Faktisch zeigt sich jedoch ein anderes Bild. In einer Studie von Henn et al. (2014, S. 401, https://dakj.de/wp-content/uploads/2015/09/2015-parlamentarisches-fruehstueck-schulbegleiter.pdf) gab über die Hälfte der befragten Schulbegleiter:innen an, die Lehrkräfte manchmal bis häufig beim Unterrichten zu unterstützen; in einer Studie von Dworschak (2012, Schulbegleitung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung an der allgemeinen Schule. Gemeinsam Leben 2, 80–94) mit Fokus auf begleitete Kinder im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung waren es sogar 92% der Schulbegleiter:innen, die angaben, das von ihnen begleitete Kind in Einzelsettings fachlich zu fördern. „Schulbegleitungen werden als Pädagog:innen tätig“ (Blasse 2017, Vielfältige Positionen von Schulbegleitung im Unterricht. In M. Laubner, B. Lindmeier & A. Lübeck (Hrsg.), Schulbegleitung in der inklusiven Schule. Grundlagen und Praxishilfen (S. 107–117). Weinheim: Beltz).

Diese Ergebnisse legen (trotz der Beschränkung der jeweiligen Studien auf eine spezifische Region oder einen spezifischen Förderschwerpunkt) die Schlussfolgerung nahe, dass Schulbegleiter:innen leicht in eine Position kommen, in der sie als Ersatz für fehlendes Lehrpersonal bzw. unterrichtliche Unterstützung im Sinne eines professionellen Team-Teaching gesehen werden.

Somit besteht die Gefahr, dass der Einsatz von Schulbegleitung nicht als Übergang zu einem inklusiven Schulsystem wirkt, sondern vielmehr dazu beiträgt, die Logik einer besondernden Beschulung von Kindern mit Beeinträchtigungen in das Regelschulsystem hineinzutragen und damit sich abzeichnende Tendenzen in diese Richtung – die unter der Überschrift ‚Sonderpädagogisierung‘ diskutiert werden und einer breiteren Aufmerksamkeit bedürften (Schuhmann 2013, https://bildungsklick.de/schule/detail/inklusive-schulentwicklung-oder-sonderpaedagogisierung-der-allgemeinen-schule) – zu verfestigen.

Praktische Problematiken

Unter dem Verständnis, dass sich eine inklusive Schule für die Förderung aller Kinder in ihrem Einzugsgebiet verantwortlich zeigt, unabhängig von deren individuellen Merkmalsausprägungen, ist die Maßnahme der Schulbegleitung bereits aufgrund ihrer konzeptionellen Veranlagung als Einzelfallhilfe nicht inklusiv – schließlich ist es hier nicht die Schule selbst, sondern die Jugend- bzw. Sozialhilfe, die die Leistung der Schulbegleitung zur Verfügung stellt. Ein Bildungssystem, das für die Unterstützung und Förderung einzelner Kinder und Jugendlichen auf die Ressourcen anderer Systeme zurückgreifen muss, kann schwerlich inklusiv sein. Außerdem bringt diese Systemvermischung weitere Problematiken mit sich: Im Versuch zu klären, ob die Zusammenarbeit zwischen Schulbegleitung und Lehrkraft als Kooperation bezeichnet werden kann, wurden bereits einige Herausforderungen für ihre Zusammenarbeit deutlich. Einige dieser Herausforderungen entstehen aus der konzeptionellen Veranlagung der Schulbegleitung als extern verortete Einzelfallhilfe – hier sind insbesondere die fehlende Basis für vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie fehlende Zeiten für Vorbereitungs- und Reflexionsgespräche jenseits des Unterrichts zu nennen. Einige Herausforderungen entstehen jedoch spezifisch durch die Zusammenarbeit von unterschiedlich professionalisierten bzw. teils gar nicht professionalisierten Beteiligten. Darunter fällt der Punkt der unterschiedlichen Fachsprachen, aber auch Fragen der Autonomie und der Reziprozität.

Auch bei multiprofessioneller Kooperation im Rahmen des schulischen Ganztags lässt sich eine Hierarchie der verschiedenen Kooperationspartner:innen, die Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Kooperation nimmt, belegen. Im Rahmen des Projektes „Ganz In“ wurden mithilfe eines Online-Fragebogens im Zeitraum von Juni bis September 2011 insgesamt 264 Lehrkräfte sowie 75 weitere pädagogisch tätige Personen aus Ganztagsgymnasien zu multiprofessioneller Kooperation befragt. Hier zeigt sich das weitere pädagogisch tätige Personal in ihren Einschätzungen zur Kooperation skeptischer als die Lehrkräfte und fühlt sich tendenziell nicht so gut in die Schulgemeinschaft bzw. ins Lehrerkollegium integriert (vgl. Gröhlich, Drossel, & Winkelsett 2015, Multiprofessionelle Kooperation in Ganztagsgymnasien: Umsetzung und Rahmenbedingungen. In H. Wendt & W. Bos (Hrsg.), Auf dem Weg zum Ganztagsgymnasium. Erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Projekt Ganz In (S. 178–200). Münster: Waxmann.

Resümee

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rahmenbedingungen für den optimalen Einsatz von Schulbegleitungen nicht gegeben sind. Mangelnde finanzielle und personelle Möglichkeiten von Schulen bedingen die Tatsache, dass Schulbegleitungen als Ersatz für fehlendes Lehrpersonal eingesetzt werden. Dennoch werden diese nicht angemessen in bestehende Teams integriert, sodass der Austausch über Schüler:innen nicht ausreichend gestaltet werden kann und Schulbegleiter:innen sich nicht wertgeschätzt fühlen. Ursache hierfür ist auch die Systemvermischung von Sozialhilfe und Schule. Generell spielt es oft keine Rolle, ob Schulbegleiter:innen eine pädagogische Ausbildung oder fachliche Qualifikationen haben oder nicht. Dementsprechend steht der aktuelle Einsatz von Schulbegleiter:innen dem großen Ziel Inklusion mehr im Wege, als dass er dieses unterstützt. Die theoretischen Aufgaben des Berufs, das eine zu betreuende Kind und dessen Selbständigkeit zu fördern, scheitern ebenfalls an mangelnder Integration und fehlerhaftem Einsatz der Begleiter:innen, was aus fehlendem Lehrpersonal resultiert.

Durch mehrfache, eigene Erfahrungen an verschiedenen Schulen und Schulformen in der Tätigkeit als Schulbegleiter, kann ich diese Argumentation leider nur bejahen.