SES soll nicht weiter unsichtbar sein – internationaler Tag der Sprachentwicklungsstörung (SES) am 16. Oktober

Aufmerksam machen, aufklären, im öffentlichen Bewusstsein ankommen – das will der 3. Internationale Tag der Sprachentwicklungsstörung (SES) erreichen. Unter dem Motto SES – Schau hin! sind deshalb weltweit verschiedenste Aktionen geplant. Zum Beispiel kann man mit diesem Quiz https://jikol1906.github.io/quiz/ feststellen, was man eigentlich über SES weiß und was man darüber lernen kann. Mit #SESSchauhin, #DLDSeeMe, #DevLangDis, #SES, #DLDgerman findet ihr in der virtuellen Kommunikationswelt den Anschluss.

Was man unter SES versteht , worin die Ursachen begründet liegen und welche Folgen sie nach sich zieht,  erklärt an dieser Stelle Dr. Ulrich Stitzinger, der seit diesem Wintersemester die Professur „Inklusion mit Förderschwerpunkt Sprache und Kommunikation“ am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft vertritt.

Sprachentwicklungsstörungen (SES) unterscheiden sich von neurogen, zentral-organisch verursachten Sprech- und Sprachstörungen, psycho-reaktiven Kommunikationsstörungen und organisch bedingten Stimmstörungen. SES treten entweder im Sinne einer primären Erwerbsstörung als isoliertes Störungsphänomen während der kindlichen Sprachentwicklung oder sekundär als Folge eines anderen primären pathologischen Störungsbildes, z. B. einer Hörstörung oder einer motorisch-neurologischen Störung, auf. Dabei können verschiedene Modalitäten des Sprechens, der Sprache und der Kommunikation betroffen sein. Unterschieden werden die Bereiche Artikulation, Wortschatz, Grammatik und Kommunikationsverhalten in den Dimensionen der Produktion wie auch der Rezeption. Meistens sind mehrere Modalitäten betroffen. Zudem sind individuelle Unterschiede typisch. Studien zeigen, dass ca. 7 % der Kinder von einer Sprachentwicklungsstörung betroffen sind, das sind etwa zwei Kinder in jeder Kindergartengruppe oder Schulklasse.

Je nach Schweregrad und Komplexität der Sprachentwicklungsstörungen (SES) können sich diese langfristig auf die Entwicklung eines Kindes auswirken und auch noch im Schulalter weiter fortbestehen. Dabei sind Auswirkungen auf die Laut- sowie Schriftsprache in den Bereichen Artikulation, Wortschatz, Grammatik und Kommunikationsverhalten festzustellen. Beispielsweise kann eine nicht überwundene Störung in der Grammatikentwicklung zur Folge haben, dass ein Zusammenhang der erlebten Umwelt vom Kind nur ungenau sprachlich wiedergegeben werden kann, eine Erklärungen der Lehrkraft im Unterricht falsch oder nicht verstanden wird, außerordentlich viel Energie vom Kind beim schriftlichen Verfassen eines Textes aufgewendet werden muss, oder eine schriftlich formulierte Aufgabenstellungen in einem Mathematik-Lehrbuch nicht korrekt entschlüsselt werden kann. Häufig können sich auch Folgestörungen in anderen Bereichen entwickeln. Kinder mit einer SES werden beispielsweise als ängstlicher oder hyperaktiver erlebt als typisch entwickelte Kinder. Ebenso kann es vorkommen, dass von einer SES betroffene Kinder intuitiv Strategien entwickeln, um Beeinträchtigungen zu kompensieren oder „unsichtbar“ zu machen. Damit ergeben sich insbesondere Auswirkungen auf das schulische Lernen, welche von den Lehrkräften oft nicht korrekt interpretiert werden können.

Der Internationale Tag der Sprachentwicklungsstörung stammt aus Großbritannien („Raising Awareness of Developmental Language Disorder“, https://radld.org/). Vor dem Hintergrund geringer Kenntnisse in der Bevölkerung begannen sowohl eine wissenschaftliche Debatte als auch eine große Öffentlichkeitskampagne. In einem Delphi-Verfahren fand über mehrere Jahre eine Einigung auf den Begriff „Developmental Language Disorder (DLD)“ statt. Seit 2019 wird auch in Deutschland in Fachkreisen über die Definition und Terminologie dieser Störung diskutiert und die Bezeichnung Sprachentwicklungsstörung (SES) vorgeschlagen. Federführend ist hier die Gesellschaft für interdisziplinäre Spracherwerbsforschung und kindliche Sprachstörungen im deutschsprachigen (GISKID) (https://giskid.eu). Das Geschehen kann auf Twitter verfolgt werden: #DLDgerman.

Text: Ulrich Stitzinger

Das Bild zeigt eins der SES-Poster. Es ist die Strichzeichnung eines Kindes in violetter Farbe und der Schriftzug 1 von 14 Kindern hat eine Beeinträchtigung namens SES
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Das Bild zeigt die erste Seiter der Infobroschüre. Auf violettem Hintergrund sieht man in gelber Farbe eine Figur mit Megafon links und den Schriftzug Sprachentwicklungsstörung rechts.
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