Am Übergang

Die Zeit zwischen den Jahren ist ein einzigartiger, formloser säkularer Übergangsritus. Nie im Jahr liegen Gegensätze so ineinander wie in diesen sieben Tagen: Entspannung und Anspannung, Völlerei und Verzicht, Weihnachtsbauch und Sixpack, Bratapfellikör und Dry January, Scheitern und Neuanfang. Der Anbruch des neuen Jahres scheint ein Versprechen zu beinhalten, das für die säkulare Öffentlichkeit einer der letzten magischen Zufluchtsorte ist: Ab dem 1. Januar wird alles in meinem Leben gut werden. Die Zuversicht am 31. Dezember kippt oft bereits in der ersten Januarwoche wieder in die Realität des Alltags zurück, denn bei Vorsätzen kommt es nicht allein auf das Pathos des Moments an, sondern darauf, dass der gute Wille durchgehalten wird. Dass das keineswegs leicht ist, wissen wir alle. Trotzdem zieht uns das Versprechen jedes Jahr neu in seinen Bann: Wenn Du nur willst, dann gelingt es Dir auch.

Allerdings ist es ja nie nur der eigene Wille, sondern auch der Wille anderer, mit dem wir es zu tun haben. Die anderen grundsätzlich hinter den eigenen Willen zurücktreten zu lassen, funktioniert vielleicht noch auf der Arbeit, sicher aber nicht im Freundeskreis und in der Familie. Wenn die anderen nicht bereit sind, die eigenen Ziele zu unterstützen, wird der eigene recht bald ein einsamer Wille. Kompromisse sind um der community willen also ebenso angezeigt wie die Unterstützung der anderen in der Umsetzung ihrer guten Absichten.

Auch kommt es nie nur auf das Wollen an. Wer krank ist, systematisch von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen ist oder schlicht keine Unterstützung erfährt, kann wollen, was das Zeug hält, ohne dass die Umsetzung gelingen wird. Hier zu unterstellen, man habe nicht fest genug gewollt, gerät regelmäßig zum Zynismus.

Schließlich braucht es vielleicht eine größere Nüchternheit dem Gelingen gegenüber. Nicht umsonst nennt Immanuel Kant den reinen Willen das Einzige, was wirklich gut genannt werden kann. Jedes Tun ist Umständen ausgesetzt, die von uns selbst nicht kontrolliert werden können – Missverständnissen ebenso, wie Folgen, die wir nicht vorhergesehen hatten. Wo uns etwas gelungen sein wird, und wo wir uns verkalkuliert haben, sehen wir erst im Nachhinein.

Sucht man vor diesem Hintergrund nach religiös gestalteten Vorsätzen für das neue Jahr, dann bietet sich vermutlich das Prinzip der Gelassenheit an. Frei nach Ignatius von Loyola könnte man das so erläutern: Ich will machen, was ich machen kann, lassen, was ich nicht ändern kann, und die Fähigkeit haben, beides voneinander zu unterscheiden. Der so ausgedrückte Wille hat zugleich den Charakter eines Gebets: die gute Absicht und die Bitte um realistisches Urteilen gehen Hand in Hand. Zugleich ist die Aussage von der Hoffnung bestimmt, dass das Streben nach Gelingen des guten Willens nicht vergebens sein möge, dass es die Realisierung des für mich und für die anderen Guten tatsächlich geben kann.

Ein guter Wille, Gelassenheit und Hoffnung – das wäre eine gute Perspektive auf 2023.

Prof. Dr. Aaron Langenfeld ist Professor für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Theologischen Fakultät Paderborn.

#Silvester #Neujahr #Vorsätze #Wille #Gelassenheit #Hoffnung

A Minority Report

“Europe is a garden. We have built a garden. Everything works. It is the best combination of political freedom, economic prosperity and social cohesion that the humankind has been able to build…The rest of the world is not exactly a garden. Most of the rest of the world is a jungle, and the jungle could invade the garden.” 

You did not hear it here first. There was almost nothing new about the EU’s highest ranking diplomat comparing Europe to a garden – and the rest of the world to a lawless jungle, nor in his warning that the jungle, if allowed to grow unchecked, will  “invade” the garden. Some might foolishly want to build a wall around the garden to protect it but this, says Josep Borrell, will not do the job. Rather, the “gardeners” must “go to the jungle” to protect themselves from the looming invasion. 

For centuries, including at the height of what is termed the period of European colonial expansion, one can find similar metaphors being conjured to justify European hegemony over other parts of the world, usually inhabited by non-white peoples. And it is precisely the threat of invasion by the barbarians who inhabit the jungle (but even that term implies too high a degree of civilization, so let them be called savages and monsters) that propels the gardener to go forth to tame the jungle. Armed with the machete – and the machine gun, all that is monstrous and threatening can be brought within one’s control. If not, it can be cut down and annihilated. “Everything works” – just as Borrell says it does.

It is not only in neocolonial European politics that the idea of the garden is invoked as a sanctuary. Christian and Muslim theological, political and artistic enterprises have often relied on the garden as a symbol of divine grace and power. It is from the garden that humanity is exiled to the wilderness of this world before returning to its first home. But the question of who inhabits the wilderness outside the garden is as relevant for Christian and Muslim theologians as it is for xenophobic European politicians. More importantly, why is it that those who reside in the wilderness are not allowed entry into the garden? In an oft repeated adage, we are told that in the gentle hand of the gardener lies the hand of God. But what un-gentle powers erect a border between the garden and the jungle, civilization and nature, politics and terror? How and why must life here in the garden be worth more than all life out there?  And if life in my garden demands not only blinding myself to the richness of other forms of life but to keep these other forms of life out, to extinguish them or to bend them to my will before I let them in, why is this garden worth keeping alive? 

Dr. Abdul Rahman Mustafa ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Paderborner Institut für Islamische Theologie.

#colonialism #EU #racism #Europe #garden

Ohne Maria kein Weihnachten

Auf dem Weg durch die Adventszeit hin zu Weihnachten gibt es einen Feiertag, der in der Regel unscheinbar vorbeizieht, obwohl ohne das Ereignis, das an diesem Feiertag bedacht wird, Weihnachten vielleicht überhaupt nicht gefeiert werden könnte – Mariä Empfängnis am 8. Dezember. Dieses Fest, das zunächst an die Empfängnis und Geburt Jesu erinnern mag, ist nicht der außerordentlichen Zeugung Christi gewidmet, sondern der Empfängnis Mariens selbst. Als Dogma 1854 verkündet, besagt es, dass Maria vom Beginn ihrer Empfängnis an von der Erbsünde bewahrt wurde. Von ihrem Menschsein wird also eine Besonderheit ausgesagt, die wir sonst nur bei Christus selbst finden, von dem es heißt, dass er in allem uns gleich war, außer der Sünde (Hebr 4,15). Theologisch gesehen ist es die Erlösung durch Christus selbst, die auch die Sündlosigkeit Mariens überhaupt erst ermöglicht. 

Dass das Fest der unbefleckten Empfängnis Mariens eine Bedeutung für das nahende Weihnachtsfest hat, liegt auf der Hand. Denn es ist schließlich Maria, die sich nach der Verkündigung durch den Engel auf den Weg macht, um den Erlöser selbst in einer Krippe auf die Welt zu bringen – so das Evangelium nach Lukas. Eindrücklich blickt auch der Koran in Sure 19 und in Sure 3 auf die Gestalt Mariens. Es ist vor allem Sure 19, Sure Maryam, die von Marias Leiden während ihrer Schwangerschaft spricht und vor Augen führt, was es für eine ungemeine Zumutung gewesen sein muss, sich angesichts der körperlichen Strapazen einer Schwangerschaft auf den Weg zu machen. Doch mehr noch als die körperlichen Anstrengungen hebt der Koran die psychische Last Mariens hervor, die als unverheiratete Frau schwanger ist. Im Koran ist es Jesus selbst, der seine Mutter gegen Anfeindungen in Schutz nimmt. Der Koran unterstreicht hier das besondere Verhältnis Jesu zu seiner Mutter und erinnert das Christentum daran, wie facettenreich die Figur Mariens ist. Ihr außerordentliches Gottvertrauen äußert sich zum einen in Demut und Gehorsam, zum anderen in Mut und Stärke, den Weg selbstbestimmt zu gehen, der ihr vorgezeichnet ist. Zwar wird Maria in der christlichen Tradition gerade auch aufgrund ihrer besonderen Demut gepriesen, doch speist sich diese Demut aus einem freien Ja Mariens zu dem Plan, den Gott mit ihr hat. Es ist das so genannte Fiat Mariens, also Marias Antwort an den Engel „mir geschehe, wie Du es gesagt hast“ (Lk 1,38), das uns zu den Möglichkeitsbedingungen von Weihnachten, also dem Fest der Geburt Jesu, zurückführt. Auch wenn Maria der Lehre von der unbefleckten Empfängnis gemäß von Gott bereits erwählt worden war, um das Licht der Welt (Joh 8,12) zu uns zu bringen, so führt uns Maria vor Augen, dass diese Erwählung nicht an der Freiheit des Menschen vorbei vollzogen wird.

Maria ist ein beeindruckendes Beispiel für das spannungsreiche Zusammenspiel von göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit, für Demut und Autonomie, für Sanftheit und Stärke. Es ist kein Wunder, dass Maria immer wieder Gegenstand theologischer Debatten wird und ihr Facettenreichtum genutzt wird, um sie als Galionsfigur unterschiedlicher religiöser Bewegungen herauszustellen. Genau mit diesem Facettenreichtum Mariens will sich die Tagung des Nachwuchsnetzwerkes Dogmatik/Fundamentaltheologie vom 29.-31. März nächsten Jahres auseinandersetzen. Wem in der Vorweihnachtszeit noch ein zündender Gedanke zu Maria kommt, kann bis zum 23.12. am Call for Papers teilnehmen. Doch auch von allen theologischen Debatten abgesehen, kann uns Maria immer wieder auf ganz einfache Weise in der Advents- und Weihnachtszeit vor Augen führen, dass Weihnachten ganz sicherlich nicht ohne Gott, aber eben auch nicht ohne den Menschen gedacht werden kann. 

Dr. Cornelia Dockter ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am International Center for Comparative Theology and Social Issues der Theologischen Fakultät Bonn.

#Maria #Advent #Weihnachten 

Wozu Dialektik?

In der antiken Tradition des Nachdenkens über Dialektik, die von Hegel revitalisiert worden und systematisch in seinem philosophischen Werk angewendet worden ist, ist die Dialektik eng mit der These verknüpft, dass es einige seltsame Begriffe (die Ideen) gibt, die unser Leben und unser Denken leiten und begründen, z.B. das Gute, das Gerechte, das Wahre. Wieso sind sie seltsam? Weil sich Fragen und Probleme (Widersprüche) ergeben, wenn wir über sie nachdenken. Zum Beispiel nehmen wir (wie es Parmenides im homonymen Platonischen Dialog tut) die Idee des Einen und betrachten Sokrates: Sokrates ist eins (er ist ein Mensch mit einem Namen, einem Körper) und ist zugleich aber nicht eins (sein Körper besteht aus vielen Teilen, außerdem vollzieht er viele Handlungen, hatte viele verschiedene Eigenschaften in den vielen verschiedenen Stadien seines Lebens). D.h. Einheit und Vielheit scheinen ineinander überzugehen, wenn sie an dem konkreten Fall des Sokrates betrachtet werden. 

Daher stellt sich die Frage: Sollen wir diese Begriffe (Einheit, Vielheit, Gerechtigkeit usw.) beseitigen, und z.B. einfach davon ausgehen, dass es sie nicht gibt, und dass sie für uns nicht interessant sind? Wie Parmenides im homonymen Platonischen Dialog sagt, können wir das nicht tun, weil diese Begriffe uns wieder einfangen: Sie bilden die Grundlage unseres Miteinander-Seins und Sprechens. Sobald wir den Mund aufmachen, um etwas zu sagen, setzen wir sie voraus und werden von ihnen begleitet. Betrachten wir z.B. den Begriff der Wahrheit. Nehmen wir an, dass wir sagen:

„Die Wahrheit existiert nicht“.

Wie Aristoteles im IV. Buch der Metaphysik schreibt, wenn wir behaupten, dass Wahrheit nicht existiert, dann erheben wir damit den Anspruch, dass das, was wir sagen, wahr ist. Obwohl wir versuchen, die Wahrheit zu beseitigen, fängt sie uns wieder ein. Oder betrachten wir den Begriff der Existenz. Nehmen wir an, dass jemand behauptet:

„Nichts existiert“

Wenn wir sagen: „nichts existiert“ dann muss es doch etwas geben (zumindest muss es den Satz, den wir äußern, geben und wir müssen als diejenigen, die den Satz äußern, existieren, um diesen Satz zu äußern). 

Wie sollen wir dann mit diesen Grundbegriffen/Ideen umgehen? Die Tradition der Dialektik sagt uns, dass wir den Widerspruch als Instrument auffassen sollen, um die Wahrheit über die Ideen zu finden und um über die Ideen zu denken und all das zu finden, was es über eine Idee zu sagen gibt. Der Widerspruch (die krankheitserregende Natur der Idee) wird zur Methode des Umgangs mit der Idee (die Medizin).

Dialektik als der methodisch und programmatisch eingesetzter Widerspruch hilft uns daher, die Wahrheit über die Grundbegriffe und Ideen zu finden, die unser Leben und unser Handeln leiten — d.h. auch, sie hilft uns, Streitigkeiten zu lösen, die wir mit den Menschen haben, mit denen wir sprechen und leben und die aufgrund der Unklarheit bezüglich dieser Grundbedingungen unserer Existenz entstehen. Dialektik hilft uns, um philosophisch zu arbeiten, d.h. um nach der Natur der Grundbegriffe wie das Gute, die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Wahrheit zu fragen, Texte darüber zu schreiben, Vorträge darüber zu halten. Da die Grundbegriffe und Ideen sehr mächtig sind, da sie die Grundlage unseres Denkens und Lebens und unsere Beweggründe ausmachen, ist die Kenntnis über sie die Macht, die wir haben, um nicht von ihnen blind geführt zu werden, sondern um sie bewusst einzusetzen, wenn wir sie brauchen. Dialektik hilft uns dazu.

PD Dr. Elena Ficara ist Privatdozentin für Philosophie und Bildung an der Universität Paderborn.

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Von der Grundstimmung als philosophischer Ausgangspunkt

In der Philosophiegeschichte gab es immer wieder Philosoph*innen, welche Grundstimmungen des Lebens als Anstoß für ihr philosophisches Lebenswerk genommen haben. So ist es in Martin Heideggers Sein und Zeit die Angst – oder anders gesagt: das Sein zum Tode – welches dem Menschen das eigentliche Sein in seiner Sinnfrage eröffnet. Wird Sein und Zeiteinerseits für eine der „kühnsten“ und „tiefsinnigsten“ Betrachtungen des Todes gelobt,[i] so ist Heideggers bedeutendes und zugleich umstrittenes Denken andererseits dafür kritisiert worden, dass ausgerechnet die Grundbefindlichkeit der Angst von ihm als dasjenige betrachtet wird, welches das Dasein des Menschen zu erschließen vermag.[ii]

Dieses Bild lässt sich ähnlich in der Begegnung der heideggerischen Philosophie mit dem ostasiatischen Denken finden, dem zuteil eine faszinierende und rätselhafte Korrelation zugesprochen wird.[iii] Zumindest in der japanischen Philosophie der Kyōto-Schule, welche die Impulse westlicher Philosophie aufnimmt und mit dem eigenen, teils buddhistisch geprägten Denken verbindet,[iv] findet Heideggers Sein zum Tode im Allgemeinen eine ausgesprochene Sympathie. Der Begründer der japanischen Kyōto-Schule, Kitarō Nishida, hingegen betrachtete den Fokus auf die Angst in Heideggers Sein und Zeit äußerst kritisch.[v] Doch auch bei Nishida lässt sich eine Art „Grundstimmung“ finden, die sein Schüler Keiji Nishitani in der „tiefen Trauer (jap. ‚hiai‘ [悲哀]) des menschlichen Lebens“[vi] beschreibt. 

Der Philosoph Ryōsuke Ōhashi betont in einem Beitrag zum Symposium anlässlich der Städtepartnerschaftsbesiegelung zwischen Meßkirch und Unoke – den Geburtsorten Heideggers und Nishidas – die Bedeutung der Grundstimmungen darin, dass „[m]it und in diesen Grundstimmungen […] das Philosophieren [beginnt]“. Er sieht eine Wesensverwandtschaft zwischen der Trauer des Lebens als „Ausdruck für das anfängliche, jedem Menschen innenwohnende Bewußtsein der Endlichkeit jeglichen Lebewesens“ zu dem aristotelischen „Erstaunen“ und Heideggers „Angst“ als „Anfang des Philosophierens“.[vii] Trotz aller prinzipiellen Unvergleichbarkeit dieser Erfahrungswelten scheint es, dass Heidegger und Nishida beide ihre Philosophie von einer zentralen Grunderfahrung der Endlichkeit aufbauen, sich jedoch auf ein unterschiedliches Denken und Erfahren der Endlichkeit beziehen. 

Die Grundstimmung der Angst bei Heidegger hat einen bedrohlichen und radikaleren Charakter. Sie wirft den Menschen auf sich selbst zurück und rüttelt ihn auf. Sie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass das Dasein sich angesichts der Endlichkeit „Unzuhause“ in seinem In-der-Welt-sein befindet. Der Tod ist das noch Ausstehende, was das Dasein für seine Zukunft antizipiert und gerade deshalb zum entschlossenen und freien Selbstentwurf des Lebens aufruft.

Bei Nishida hingegen ist der Tod und Endlichkeit nicht allein auf den biologischen Tod bezogen. Er meint nicht eine zukünftige Grenze des Selbst und seiner Erfahrungswelt, sondern die Einsicht in die Nichtigkeit des Selbst im Hier und Jetzt. Leben und Tod bilden eine widersprüchlich-selbstidentische Einheit.[viii] Deshalb findet eine Umwendung von der anfänglichen Traurigkeit zur mitfühlenden, andächtigen Stille im Gewahren der Nichtigkeit aller Dinge statt. Diese „veranlasst uns dazu, unsere von der Selbstliebe beherrschte Lebenseinstellung umschlagen zu lassen“[ix], sie bezieht sich unmittelbar in Mitgefühl auf alle Wesen und Dinge.

Angst und Traurigkeit eröffnen bei Heidegger und Nishida in ihrer gemeinsamen Grunderfahrung der Endlichkeit eine existenzielle Sichtweise auf das Leben, sodass sie im Wechselspiel einer Ars moriendi und Ars vivendi zu Ausgangspunkten ihrer Philosophie werden.


[i] Buber, Martin, Das Problem des Menschen. Heidelberg: Lambert Schneider 1954, 95.

[ii] Vgl. z. B. Bollnows berühmte Kritik in seinem Werk „Das Wesen der Stimmungen“.

[iii] Davis, Bret W., „Heidegger´s Orientations: The Step Back on the Way to Dialogue with the East“. In: Alfred Denker/Holger Zaborowski/Ryōsuke Ōhashi et. al. (Hrsg.), Heidegger und das ostasiatische Denken. Freiburg/München: Karl Alber Verlag 2013, 153–180, 153.

[iv] Dies betrifft die mit der Meiji-Zeit (1868-1912) zugänglich gewordene europäische Philosophie und christliches Denken sowie die traditionellen japanischen Strömungen des Konfuzianismus, Shintoismus und Buddhismus.

[v] In der Übersetzung nach Rigsby sagte Nishida: „Heidegger is not worth your time“ (Rigsby, Curtis A, „Nishida on Heidegger“. In: Continental Philosophy Review 42 2010, 511–553, 512). „Heidegger […] focuses only on such themes as ‚Angst‘ and ‚death‘, and although he often relies upon Pascal and Kirkegaard, he does not recognize that which is indispensible and decisive, namely, God“ (ebd., 526). 

[vi] Nishitani, Keiji, „Mein philosophischer Ausgangspunkt“. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 46 1992, 545–556, 546.

[vii] Ōhashi, Ryōsuke, „Kitarō Nishidas Heimat und seine Philosophie.“ In: Stadt Meßkirch (Hrsg.), Partnerschaftsfeier Unoke – Meßkirch. Symposium Heimat der Philosophie. Reden und Vorträge am 3. und 4. Mai 1985 in Meßkirch. Meßkirch 1985, 61–71, 68.

[viii] Vgl. Nishidas Aufsatz „Ortlogik und religiöse Weltanschauung“ (Bashoteki ronri to shūkyōteki sekaikan 場所的論理と宗教的世界観).

[ix] Mine, Hideki, „Die Traurigkeit des Seins und Liebe des Nichts: Die Grundstimmung auf dem Standpunkt der selbst-gewahren Erfahrung Nishidas“. In: Hōrin. Vergleichende Studien zur japanische Kultur 19 2016, 78–95, 94. Traurigkeit findet sich nicht nur in hiai (悲哀), sondern auch mit kanashimi (かなしみ) wieder, welches neben der Trauer „noch den Sinn der Liebe enthält“ (ebd.)

Sarah Lebock ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Paderborner Institut für Islamische Theologie und Geschäftsführerin des ZeKK.

#Grundstimmung #Traurigkeit #Angst #Leben