Freunde der Archäologie aufgepasst! Bis 6. August dieses Jahres wird im Museum in der Kaiserpfalz die Ausstellung „7.000 Jahre Kulturlandschaft in Ostwestfalen“ gezeigt. Bei den rund 160 Exponaten aus der archäologischen Sammlung des „Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg“ handelt es sich um Funde aus den Regionen nördlich von Paderborn. Von der Steinzeit bis in die Frühe Neuzeit sind alle Epochen vertreten. Es finden sich Steinwerkzeuge, Speerspitzen und Axtköpfe, Graburnen, Webgewichte und gläserne Fläschchen. Begleitet werden sie von angenehm kompakt gehaltenen Informationen zu ihrer Herstellung und Verwendung sowie zu ihren jeweiligen Fundkontexten.
Star der Ausstellung ist ein besonders kunstvoll gestaltetes Bronzebecken. Über die Art seiner Verwendung wissen wir leider nicht Bescheid. Vielleicht hat es einmal als Kultgefäß gedient oder wurde als besonders eindrucksvolles Accessoire am Körper getragen. Zuletzt hat man es allerdings als Beigabe in das Grab einer jungen Frau aus reicher Familie gelegt. Im Jahre 1911 erblickte das Bronzebecken erneut das Tageslicht und genießt jetzt im Pfalzmuseum seine eigene Vitrine!
Besucher des Museums sind ferner herzlich eingeladen, anschließend den lehrreichen Gang durch die Dauerausstellung des Museums anzutreten und ihre Eindrücke in der laufenden Stadtschreiber-Umfrage zu teilen. Rund 80 Paderborner, Studenten und Touristen haben diese Möglichkeit bereits wahrgenommen. Ihnen und allen Folgenden meinen herzlichen Dank!
Paderborner Museumskenner und Touristen können sich über zwei neue Sonderausstellungen in der Innenstadt freuen. Für Fans der regionalen Archäologie gibt es im Museum in der Kaiserpfalz „7000 Jahre Kulturlandschaft in Ostwestfalen“. Zeitgleich präsentiert das Stadtmuseum, nach den höchst erfolgreichen „Briten in Westfalen“, nun seine zweite Sonderausstellung: „Mit 17. Jugend in Paderborn“. Letztere habe ich heute zum ersten Mal besucht.
Eine Zusammenfassung der Ausstellung kann ich nicht bieten. Sie möchte keine Geschichte erzählen, die man für einen Blogartikel auf einige Kernbotschaften reduzieren könnte. Vielmehr werden an verschiedenen Stationen ausgewählte Aspekte jungen Lebens in der Stadt behandelt, ohne dass dabei eine Meistererzählung von „der Jugend“ angestrebt wird. Noch wird dem Besucher ein stereotypes Ideal- oder Schreckensbild von „dem Jugendlichen“ vorgesetzt.
Thematisiert werden beispielsweise Poetry-Slam als wichtiger Bestandteil der Paderborner Jugendkultur, Selfies, Graffiti und Sneakers als typisch jugendliche Fußbedeckung, deren Gestaltung auf die Zugehörigkeit zu einer Subkultur verweisen kann. Auch haben Besucher aller Generationen die Möglichkeit, ihre Anliegen in Form eines Briefs an den Stadtrat zu formulieren und in der Ausstellung aufhängen zu lassen. So fordert ein 15-Jähriger in seinem „Antrag“: „mehr Geld für die Von-Fürstenberg Realschule. Leider mangelt es uns an Geld zur Erneuerung von Gegenständen. Daher wäre ein höheres Budget nett.“ Ein 13-jähriges Mädchen wünscht sich: „Eine gute Busverbindung nach Paderborn City mindestens jede Stunde von Hamborn aus.“
Nachhaltig beschäftigt hat mich allerdings auch ein Objekt, von dem ich nicht einmal weiß, ob es offiziell Teil der Ausstellung ist: die Pokemon-Karte auf dem unteren Fach des kleinen Stehtisches, an dem diese „Anträge“ formuliert werden. Sie liegt dort einfach so, ohne Erläuterung. Wer sie einstecken wollte, könnte dies tun. Aber wer hat sie dort hingelegt? Ein Besucher? Vielleicht ein Ex-Sammler, der dort ein Relikt aus seiner eigenen Jugend hinterlassen wollte? Das ist jedenfalls meine Theorie.
Ich weiß nicht, inwieweit die heute 17-jährigen Paderborner mit dem Begriff „Pokemon“ noch etwas anfangen können. Aber während meiner eigenen Gymnasialzeit, geschätzt vor etwa 15 Jahren, waren Pokemon-Karten für kurze Zeit der „neuste Schrei“ auf dem Schulhof. Sie dienten einem Kartenspiel und noch viel wichtiger, sie waren eine begehrte Sammelware: Während der Pausen wurden Schulaula und Gänge zu Tauschmessen, auf denen es zuging wie an der Frankfurter Börse. Überall saßen die Kinder mit ihren großen Sammelalben, verglichen ihre Bestände, prahlten mit Neuerwerbungen und versuchten ihre Dubletten möglichst lukrativ zu tauschen. Manch Knirps wurde zum Connaisseur und wusste genau, wie „selten“ Karte X war und wieviel wert im Vergleich zu Karte Y. Andere wurden zu zwielichtigen Gestalten!
So kann ich mich gut an einen Klassenkameraden erinnern, der während der Pokemon-Zeit erste Erfahrungen als Dieb und Hehler sammeln konnte. Seine Masche: Sich mit schmeichelnden Worten neben die Tauschenden zu setzen und ihnen mit geschickter Hand die Karten nach und nach aus dem Album zu „linken“. Erwischt wurde er, soweit ich weiß, nicht. Seine Freunde waren zwar im Bilde, schließlich ließ er es sich nicht nehmen, mit seinen Trophäen zu prahlen. Verpetzt haben wir ihn aber nicht. Ob wir ihm dabei einen Gefallen getan haben, ist diskutabel. Zwar ersparten wir ihm ein Donnerwetter. Doch beraubten wir ihn der Möglichkeit zu Reue und Umkehr unter der fürsorglichen Anleitung der schulischen Justiz.
Haben andere Besucher der Ausstellung die Pokemon-Karte ebenfalls entdeckt? Wurden sie, sofern sie wie der Stadtschreiber einem entsprechenden Jahrgang entstammen, an die eigene Schulzeit erinnert oder an die Schulzeit ihrer Kinder? War das der Zweck der Karte in der Ausstellung oder wurde sie einfach von einem Besucher dort „vergessen“? Mal sehen, ob sie nächste Woche noch dort liegt. Oder hat mein Ex-Klassenkamerad wieder zugeschlagen …
Viele Besucher in und aus Paderborn haben sich schon an meinen Umfragen im Stadtmuseum, im Schlossmuseum, im Heinz-Nixdorf-MuseumsForum und im Museum in der Kaiserpfalz beteiligt. Dafür meinen herzlichen Dank, besonders auch an die Angestellten der Häuser, die die ausgefüllten Fragebögen für mich entgegennehmen.
Die endgültigen Ergebnisse sollen zwar erst im August vorgestellt werden. Doch bei Durchsicht der bislang gesammelten Antworten lassen sich schon einige Trends ausmachen. Heutiges Beispiel: das Museum in der Kaiserpfalz.
Das Museum präsentiert archäologische Funde aus Stadt und Region, behandelt aber Ereignisse, deren Bedeutung weit über das Örtliche hinausreichen: mittelalterliches Reisekönigtum, Karl der Große, sein Treffen mit Leo III., die Missionierung der Sachsen etc. Was interessiert die Besucher? Ist es die lokale oder die globale Dimension des Museums?
Um dies herauszufinden werden Besucher gebeten, ihr Interesse an den Themenkomplexen „Archäologie, allgemein“, „Mittelalterliche Geschichte“ (globale Dimension), „Stadtarchäologie Paderborns“ und „Paderborner Stadtgeschichte“ (lokale Dimension) zu bewerten. 0 = kein Interesse, 10 = besonders leidenschaftliches Interesse.
Die gerundeten Durchschnittswerte bei Touristen lauten:
Archäologie, allgemein: 6,8
Mittelalterliche Geschichte: 7,2
Stadtarchäologie Paderborns: 5,2
Paderborner Stadtgeschichte: 5,2
Die gerundeten Durchschnittswerte bei Einheimischen lauten:
Archäologie, allgemein: 5,4
Mittelalterliche Geschichte: 6,3
Stadtarchäologie Paderborns: 5,5
Paderborner Stadtgeschichte: 5,8
In beiden Gruppen überwiegt folglich das Interesse an der Mittelalterlichen Geschichte gegenüber der Lokalgeschichte. Allerdings ist dieser Unterschied bei den Touristen um einiges deutlicher.
Dazu passt ein zweiter Befund, der sich aus den Antworten auf die Frage ergibt, „Die ausgestellten archäologischen Funde sind für Sie in erster Linie…“:
Die ausgestellten Urnen, Töpfe und Münzen werden von 66% der Touristen als „Sachquellen zur mittelalterlichen Geschichte“ angesehen und von nur von etwa 25% als „Sachquellen für die Paderborner Geschichte“. Einheimische sehen das etwas anders. Für die erste Option votierten hier nur 42% und für letztere immerhin 37%.
Für Paderborner Museumsgänger in der Kaiserpfalz scheint die „Paderborner Dimension“ des Gezeigten folglich wichtiger zu sein, als für die Besucher von Auswärts!
Wer eine berufliche Laufbahn bei einer europäischen Institution anstrebt, findet in Paderborn das passende Universitätsfach: „Europäische Studien“. Gemeinsam mit der Universität der französischen Partnerstadt Le Mans betrieben, vermittelt er seinen Studierenden fundierte historische, kulturelle und sprachliche Kompetenzen für die Arbeit auf internationaler Ebene, beispielsweise bei der Europäischen Union. Studierende aus Paderborn verbringen während ihrer Bachelor-Zeit ein ganzes Jahr an der Universität Le Mans. Es finden regelmäßig wechselseitige Besuche statt. Diese Woche ist eine Gruppe französischer Studierender zu Gast in Paderborn: Sie möchten vor ihrem Auslandsaufenthalt erste Eindrücke von der Stadt und ihrer Universität gewinnen.
Als „Kulturerbe“-Student habe ich im Jahre 2016 selbst ein Auslandssemester in Le Mans verbracht. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die reizende Altstadt mit ihren kleinen Kunstgalerien und Antiquitätenläden, die prachtvolle Kathedrale und die spätantike Stadtmauer. Es ist mir daher eine besondere Freude, einen der französischen Gäste bei mir aufnehmen zu können: Adrien ist angehender „Europa“-Student. Dank zahlreicher Deutschlandreisen und zweier Praktika in der Tourismusbranche beherrscht er unsere Sprache bereits annähernd perfekt. Nach dem Studium möchte er im internationalen Jugendaustausch arbeiten, als Sprachlehrer oder bei einem europaweit agierenden Unternehmen. Besonders wichtig ist es ihm, dabei einen Beitrag für die Völkerverständigung in Europa leisten zu können.
Heute Nachmittag habe ich als Stadtschreiber die Studierenden aus Le Mans für einige Stunden begleitet: Zuerst bei ihrem deutsch-französischen Picknick auf den Paderwiesen und dann bei einer historischen Stadtführung. Angeführt von dem Paderborner Geschichtsprofessor Johannes Süßmann konnten die Gäste an vier besonders geschichtsträchtigen Orten etwas über die enge historische Verbindung zwischen Paderborn und Frankreich lernen und über die Wirkmächtigkeit historischer Mythen.
Paderquellen und Kaiserpfalzen: Wie Süßmann den Gästen erklärte, entspringt hier Deutschlands kürzester Fluss, dem die Stadt Namen und Existenz verdankt. „Born“ ist nämlich ein altes Wort für „Brunnen“, daher ist in frühen Urkunden von „Patris Born“ die Rede, dem „Brunnen des Vaters“. Aufgrund dieses Wasservorkommens gründete Karl der Große im
Jahre 776 genau hier Stadt und Kaiserpfalz. Letztere diente als Stützpunkt für die Unterwerfung der „heidnischen“ Sachsen. Sie war schon im folgenden Jahre Schauplatz der ersten allgemeinen fränkischen Reichsversammlung. 799 empfing Karl der Große hier den aus Rom geflohenen Papst Leo III, ein Treffen, das in die berühmte Kaiserkrönung zu Weihnachten des Jahres 800 mündete. Paderborn sei daher in vielerlei Hinsicht auch für die französische Geschichte ein wichtiger Erinnerungsort.
Das Gebiet um Paderquellen und Kaiserpfalzen, wie es sich dem Besucher heute darbietet, ist nach Süßmann aber ein Produkt der 1970er Jahre. Erst in Folge der Zerstörungen des 2. Weltkriegs und der archäologischen Grabungen wurden ab 1964 die historischen Fundamente der Pfalzen sowohl Karls als auch des späteren ottonischen Kaisers Heinrich II. freigelegt. Letztere habe man im alten Stile wiederaufgebaut, um bewusst an Paderborns alte Geschichte anknüpfen zu können. Dem Wunsch den illustren Frankenherrscher besser greifen zu können, war nach Süßmann auch die Deutung eines alten Treppenhauses als „Thron Karls des Großen“ geschuldet.
Ein weiteres wichtiges Bindeglied zwischen Frankreich und Paderborn stellt der Heilige Liborius da. Dessen Gebeine wurden im Jahre 836 aus Le Mans verbracht, um die Autorität der hiesigen Missionsbischöfe zu stärken. Von mal mehr mal weniger intensiven Pilgerströmen aufgesucht, wurde Liborius zum wichtigen Symbol des Paderborner Katholizismus. Nicht umsonst ließ ein protestantischer Kriegsherr, der die Stadt im Dreißigjährigen Krieg eroberte, den Schrein demonstrativ einschmelzen und aus dem Metall Münzen prägen.
Laut einer von Süßmann erzählten Legende hat der Heilige sich für dieses Sakrileg revanchiert: So soll Liborius bewirkt haben, dass Frankreich nach dem Krieg seine schützende Hand über Stadt und Bistum gehalten hat. Eine Angliederung an das protestantische Hessen-Kassel konnte so verhindert werden! In Folge dieser bis ins 18. Jh. ausgeprägten „French Connection“ war Paderborn laut Süßmann „fast eine französische Kolonie gewesen“, auch wenn dies manch Zeitgenosse nicht gerne hören würde. Viel Geld für den lokalen Kirchenbau sei aber aus Frankreich geflossen.
Paradiesportal des Paderborner Doms: Dieses stellt nach Süßmann ein weiteres Beispiel für französischen Einfluss da. Die aus dem frühen 13. Jh. stammenden Figuren entsprachen nämlich einer Innovation der französischen Gotik. Sie wurden erst nachträglich in das romanische Säulenportal eingefügt. Ähnlich innovativ war seinerzeit die zentrale Marienfigur, bei der es sich um die älteste derartige Darstellung der Gottesmutter in Deutschland handeln könnte. Bis dahin sei es nämlich üblich gewesen, sie nicht in stehender, sondern in sitzender Haltung darzustellen. Auffällig sei auch die lebendige Haltung des kleinen Jesus. Er
wurde nicht mehr als König, sondern primär als Kind dargestellt, das mit seiner Mutter spielt, laut Süßmann ein Ausdruck von Verbürgerlichung.
Den Gästen empfahl Süßmann, bei Gelegenheit die heutige Krypta des Heiligen Liborius im Dom zu besuchen. Dessen Verehrung habe während des 19. Jh. nachhaltig an Bedeutung gewonnen, vor allem in Opposition zu Bemühungen um die Trennung von Staat und Kirche. Die Pracht des jährlich begangenen Libori-Fests ist nach Süßmann eines der „Überbleibsel aus dem Kulturkampf“ gegen die preußisch-liberale Regierung.
Paderborner Rathausfassade: Bei dieser handelt es sich um eine der eindrucksvollsten in Deutschland. Pracht und Gestaltung sind Ausdruck des städtischen Selbstbewusstseins im frühen 17. Jh., als eine zeitweise mehrheitlich protestantische Bürgerschaft ihre Emanzipation von der katholischen bischöflichen Stadtherrschaft anstrebte. Auf die heute nicht mehr vorhandene protestantische Stadtkirche ausgerichtet, ist die Rathausfassade nach Süßmann ein „Baudenkmal dieses Kampfes um Paderborn“ und ein „Programmbau für kommunale Selbstverwaltung“. Ihre Achsensymmetrie sei damals modern gewesen und damit ein Ausdruck für eine neue politische Gesinnung. Die Arkaden sollten dort versammelten Menschen Schutz vor Regen bieten, aber vor allem nach italienischem Vorbild einen öffentlichen Raum der Kommune markieren.
Der von Jesuiten beeinflusste Bischof Dietrich von Fürstenberg (1546 – 1618) wollte derartige republikanisch-protestantische Umtriebe in „seiner“ Stadt allerdings nicht dulden. Er ließ sogar einen Bürgermeister als Hochverräter enthaupten. Als architektonisches Gegengewicht zum Rathaus entstanden Schloss Neuhaus und die Wewelsburg, deren Geschichten daher besonders eng mit der Stadtgeschichte Paderborns verknüpft sind.
Barocke Jesuitenkirche: Bei der Rückgewinnung der Paderborner Bevölkerung für den Katholizismus spielten die von Dietrich von Fürstenberg in die Stadt geholten Jesuiten eine zentrale Rolle. Mit französischem Geld wurde Ende des 17. Jh. die prächtige barocke Jesuitenkirche errichtet. Ihr Vorplatz diente als Bühne für Jesuitendramen und als Ausgangspunkt für die liturgischen Prozessionen, mit denen der Stadtraum systematisch zurückgewonnen wurde. So wurde Paderborn wieder zu einer mehrheitlich katholisch geprägten Stadt, trotz des anfänglichen Fortlebens eines „Untergrundprotestantismus“.
Neben der Jesuitenkirche finden sich das alte Jesuitengymnasium und die heutige Theologische Fakultät, die damals die jesuitische Universität beherbergte. Letztere begründete die Tradition Paderborns als Universitätsstadt. Sie diente den Jesuiten bis zu ihrer Schließung durch den preußischen Staat im 19. Jh. als Kaderschmiede und „assessment centre“. Da kein Schulgeld erhoben wurde, konnten hier kluge Nachwuchskräfte auch aus ärmeren Schichten für kirchliche Ämter in den Zentren Köln und Rom ausgebildet werden.
Einer der dortigen Professoren, Friedrich Spee (1591 – 1635), wird bis heute mit einem Denkmal geehrt. So verfasste er eine besonders engagierte Schrift gegen den Einsatz der Folter bei Hexenprozessen, da diese zwangsläufig zu einem Geständnis führen muss. Aufgrund dieser These musste er Paderborn verlassen und floh nach Trier, wo er Pestkranke behandelte und deshalb selbst an dieser Krankheit verstarb. Später ist er von der Kirche seelig gesprochen worden.
Durch die Teilnahme an der historischen Führung, deren Inhalt ich nur stark verkürzt (wenn nicht gar verfälscht) wiedergeben konnte, habe ich nicht nur viel Neues über die Paderborner Geschichte gelernt. Sie hat mir auch vor Augen geführt, wie gut man diese Geschichte aus dem heutigen Stadtbild ablesen kann, sofern man über das entsprechende Wissen verfügt. Neben dem Besuch der stadtgeschichtlichen Museen ist daher auch die Teilnahme an einer vergleichbaren Führung mit Nachdruck zu empfehlen.
Unsere Gäste aus Le Mans haben in jedem Falle einen spannenden ersten Einblick in die Geschichte und Architektur der Stadt bekommen, den viele bei ihrer baldigen Rückkehr als Erasmus-Studierende vertiefen werden!
Kulturerblich interessierte Studierende der hiesigen Universität verbringen die erste Woche des Sommersemesters traditionell nicht im Hörsaal, sondern auf Exkursion. Diesmal ging es unter Leitung von Frau Prof. Eva-Maria Seng ins schöne Berlin, zur Betrachtung der hauptstädtischen Denkmal- und Museumslandschaft. Besucht wurden Einrichtungen von gänzlich verschiedener Größe und Ausrichtung: vom international bekannten „Blockbuster“-Museum zur örtlich verankerten Kunstgalerie. Dabei gab es stets die Möglichkeit zur Diskussion mit Museumsleitern, Wissenschaftlern, Ausstellungsmachern und Kulturpolitikern, die sich trotz laufender Projekte die Zeit genommen haben. Ihnen sei besonders gedankt!
Der Reisegruppe gehörte neben Professorin, Mitarbeiterinnen und fünf Studierenden auch meine Person als Stadtschreiber an. Ein Exkursionsbericht soll in der künftigen Ausgabe der „Historischen Mitteilungen“ erscheinen. So werde ich mich an dieser Stelle auf einige visuelle Eindrücke beschränken. Soviel aber vorweg:
Einen inhaltlichen Schwerpunkt des kompakten viertätigen Programms bildeten die Chancen und Risiken des just im Entstehen begriffenen Humboldt Forum im künftigen Berliner Stadtschloss. Daneben ging es um die Erinnerung an die Opfer der Nazi-Genozide an Juden, Sinti und Roma sowie an jene Deutschen, die den Nazis Widerstand geleistet haben. Besucht wurden die Baustelle des Berliner Stadtschlosses mit der Humboldt-Box, das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, das Museum Europäischer Kulturen und das ehemalige Ethnologische Museum in Dahlem, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt, das „Neue Museum“ und die Galerie Parterre.
Die größte Sammlung ägyptischer Altertümer im Ruhrgebiet gibt es zwar nicht in Paderborn. Doch glücklicherweise befindet sie sich im Museum einer Stadt, die mit dem Zug in unter einer Stunde und ohne lästiges Umsteigen zu erreichen ist: im Gustav-Lübcke-Museum im schönen Hamm. Bereits im späten 19. Jh. hatten sich die dortigen Bürger eine eigene Mumie gewünscht. So gründete man 1886 einen entsprechenden Verein, sammelte Geld durch die Ausgabe von Anteilsscheinen und schritt noch im selben Jahr zur Tat. Die gekaufte „Hammer Mumie“ steht zwar am Anfang der städtischen Ägyptensammlung. Erhalten geblieben ist sie uns aber leider nicht. Wie unzählige weitere Kulturgüter hat sie die Zerstörungen des 2. Weltkriegs nicht überlebt und ist daher nur als Photo in der heutigen Ausstellung vertreten. Was im Gustav-Lübcke-Museum im Original zu sehen ist, stammt vor allem aus dem Besitz des Mannes, nach dem das Haus benannt wurde: der Kunstsammler, Freimaurer und erste Museumsdirektor Gustav Lübcke (1868-1925).
In ihrer Gesamtheit bieten die Objekte einen Einblick in die materielle Kultur und Kunst des alten Ägypten, von der Zeit des Alten Reichs bis ins frühe Mittelalter. Ferner spiegeln sie auch die Interessen und Möglichkeiten der Sammler des späten 19. und frühen 20 Jh. wider. Damals war es für wohlhabende Europäer noch ohne Weiteres möglich, Altertümer in großer Menge aus dem Land des Nils zu beziehen bzw. als Souvenir mit nach Hause zu nehmen. Erst im Jahre 1981 sollte die ägyptische Regierung diesen Aktivitäten mit einem allgemeinen Ausfuhrverbot den Riegel vorschieben.
Viele der Objekte sind daher entweder von sich aus klein, oder auf ein Format zugeschnitten, das Mobilität ermöglicht. Prominente Ausnahme stellt im Hammer Museum ein massiver steinerner Sarg eines ägyptischen Würdenträgers dar. Dieser hätte zu keiner Zeit in eine Reisetasche gepasst! Doch er zeugt, wie die ehemalige „Hammer Mumie“, vom besonderen Interesse der Europäer an den Bestattungsriten der alten Ägypter.
Zu meinen Lieblingsobjekten in jeder derartigen Ausstellung gehören die Uschabtis: kleine mumienförmige Skulpturen aus Stein, Ton, Holz oder Fayence, die den Verstorbenen seit dem späten 3. Jahrtausend v. Chr. ins Grab gelegt wurden. Meist handelt es sich um Darstellungen von Männern mit typisch ägyptischer Frisur und Kinnbart. Ihre Arme sind vor der Brust gekreuzt und in ihren Händen halten sie kleine, aufgemalte Werkzeuge. Diese sollten sie benutzen, um für den Verstorbenen in der Totenwelt zu arbeiten. In den Gräbern der Reichen und Schönen finden sie sich daher zu Hunderten. Für einen Pharao konnten es über tausend Uschabtis werden. Zu ihrer Aufbewahrung dienten spezielle Uschabti-Kästen, von denen einer im Hammer Museum bewundert werden kann.
Anhand einiger Kalksteinreliefs können die Besonderheiten der ägyptischen Bildhauerkunst nachvollzogen werden. So ging es bei der Darstellung einer Königin nicht darum, ein naturgetreues Porträt anzufertigen. Vielmehr erscheint die Monarchin unabhängig von ihrem tatsächlichen Alter und ihrer körperlichen Verfassung als junge, athletische Frau. Jeder Bestandteil ihres Körpers ist aus der Perspektive abgebildet, die dessen Wesen und makellosen Zustand am besten verdeutlicht. So sieht man den Kopf von der Seite – das Auge blickt uns aber frontal entgegen. Der Oberkörper mit seinen kräftigen Schultern ist uns gleichermaßen zugewandt, während wir die weibliche Rundung von der Seite sehen etc.
Noch viel mehr könnte an dieser Stelle geschrieben werden, sei es über einzelne Objekte, sei es über die Ausstellung, die ihren Besuchern einen sehr anschaulichen Gang durch die ägyptische Geschichte bietet. Sie zu besuchen, kann ich jedem Paderborner sehr empfehlen, sofern er oder sie es nicht ohnehin schon längst getan haben.
Seit letztem Donnerstag können sich die Besucher des Museums in der Kaiserpfalz an einer kleinen Stadtschreiber-Umfrage beteiligen. Wie im Falle des Stadtmuseums gibt es einen knapp doppelseitigen Fragebogen, dessen Bearbeitung höchstens 5 Minuten in Anspruch nehmen sollte. Wer ihn ausgefüllt hat, kann auch hier einen Büchergutschein gewinnen.
Ziel der Umfrage ist es zu ermitteln, was die Menschen ins Pfalzmuseum treibt: Ist es ein allgemeines Interesse für die Archäologie, für das Mittelalter, oder ist es ein spezielles Interesse für die frühe Geschichte Paderborns? Bestehen hierbei Unterschiede zwischen Besuchern aus der einheimischen Bevölkerung und solchen, die von weither als Touristen in die Stadt gekommen sind? Wie sehen es die Studierenden?
Werden Exponate wie die Medusen aus der Paderquelle in erster Linie als historische Sachquellen verstanden oder als zeitlose Kunstwerke? Im ersteren Falle: Sind es Sachquellen zur Lokal- oder zur Globalgeschichte?
Auch soll in Erfahrung gebracht werden, welche Bedeutung die ehemaligen Kaiserpfalzen für das (Selbst-)Bewusstsein der heutigen Paderborner genießen. Sind sie und ihre Erbauer ein wichtiger Teil der städtischen Identität?
Die Ergebnisse werden Teil meiner Untersuchung zur Paderborner Museumslandschaft bilden, die im August im Rahmen eines öffentlichen Vortrags präsentiert wird. Ich bedanke mich schon jetzt ganz herzlich bei allen Teilnehmern an dieser und meinen anderen Umfragen. Sehr verpflichtet bin ich auch den netten MuseumsmitarbeiterInnen, die die ausgefüllten Fragebögen und Lose entgegennehmen.
Auch die frühe Siedlungsgeschichte Paderborns, bzw. des Gebiets auf dem Paderborn heute steht, wird im Museum in der Kaiserpfalz behandelt. Zwei besonders herausragende Exponate sind die runden, grün patinierten Bronzebleche. Gefunden wurden sie im Jahre 1934, angeblich im Paderquellgebiet. Sie lassen sich auf das 7. oder 6. vorchristliche Jahrhundert datieren, wurden im etruskischen Norditalien hergestellt und erst nach langer Reise in der Paderquelle versenkt. Vielleicht dienten sie zuletzt als Opfergaben, als Geschenk für eine uns nicht bekannte Gottheit der Quelle.
Wertgegenstände in Gewässern zu versenken, war im vorchristlichen Europa jedenfalls eine weit verbreitete religiöse Praxis. Vielleicht bildet sie den historischen Kern von so mancher Sage aus späteren Jahrhunderten. Bekommt nicht der legendäre König Artus sein Schwert gereicht von einer mysteriösen Frau aus einem See und muss dieses Schwert nicht nach seinem Tode zurück ins Wasser geworfen werden! Auch der skandinavische Held Beowulf findet ein altes Schwert auf dem Grund eines Sees, gerade rechtzeitig um damit ein menschenfressendes Ungetüm zu enthaupten.
Hergestellt wurden die beiden Bronzebleche um den Schild oder Brustpanzer eines etruskischen Soldaten zu zieren. Wie genau sie ihren Weg in die Region Paderborn gefunden haben, können wir nicht mehr rekonstruieren. Wurden sie von einem Händler über die Alpen gekarrt und verkauft? Oder waren sie Teil einen Gabentauschs unter Reichen und Schönen? Gut bekannt ist nämlich, dass die einheimischen Eliten der frühen Eisenzeit große Fans mediterraner Produkte waren. Neben großen Mengen Wein fand so manch Meisterwerk des antiken Kunsthandwerks den Weg nach Norden. Ein besonders berühmtes Beispiel ist der „Krater von Vix“, ein etwa 1,60m hohes Bronzegefäß, gefunden im Grab einer keltischen Aristokratin im nördlichen Frankreich.
Noch etwas haben der „Krater von Vix“ und die beiden Bronzebleche im Pfalzmuseum gemeinsam: Auf beiden können wir ein rundliches Gesicht mit großen Glubschaugen erkennen und einem breiten Mund mit spitzen Zähnen. Dargestellt ist Medusa, eines der bekanntesten Ungeheuer der klassischen Mythologie. Ihr Angesicht finden wir auch auf zahlreichen antiken Münzen.
Einst soll Medusa eine Frau von besonderer Schönheit gewesen sein. Der Meeresgott Poseidon stellte ihr nach und fiel ausgerechnet im Tempel der Athena, der Göttin der Weisheit, über sie her. Das erzürnte die Göttin, deren Rache für die Ruhestörung sich wohlgemerkt nicht gegen den mächtigen Täter, sondern gegen sein Opfer richtete: Athena verwandelte Medusa in eine Kreatur von hässlichem Antlitz. Wer es erblickte, musste sich vor Schreck auf der Stelle in einen Stein verwandeln. Anstelle der Haare trug die Unglückliche fortan ein Büschel lebender Schlangen auf dem Kopf. Letzteren abzuschlagen oblag dem griechischem Helden Perseus!
Angeblich wuchs Perseus auf einer Insel in der Ägäis auf, in der sicheren Obhut seiner alleinerziehenden Mutter. Deren Zuneigung wollte er mit keinem Schwiegervater teilen. Sogar den Avancen des Königs stellte er sich entgegen. Letzterer wusste sich allerdings zu helfen: Er schickte Perseus einfach auf ein gefährliches Abenteuer, von dem er hoffte, dass er nie zurückkehren würde. Der Junge sollte die Medusa finden, ihr den Kopf abschlagen und diesen als Geschenk für den König zurückbringen!
Allein wäre Perseus an dieser Aufgabe mit Sicherheit gescheitert. Schließlich hätte bereits ein einziger Blick in das Angesicht des Monsters gereicht, um den Jüngling mit Ödipus-Komplex in einen leblosen Felsklotz zu verwandeln. Doch er bekam göttliche Hilfe. Athena, die ihren Hass auf Medusa immer noch nicht überwunden hatte, schenkte dem angehenden Helden ein scharfes Schwert, ein Paar geflügelter Sandalen mit denen er zum Versteck der Medusa fliegen konnte und einen Spiegel. Letzterer war entscheidend. Dank ihm musste Perseus sein gefährliches Opfer nämlich nicht direkt ansehen. Er beobachtete Medusa nur im Spiegel, näherte sich im Rückwärtsgang und … zack. Kopf ab und schnell in einen Lederbeutel!
Glücklich wurde der König, der von Perseus den Kopf der Medusa gefordert hatte, übrigens nicht. Sobald er seinem Geschenk nämlich ins Gesicht sah, verwandelte er sich in einen Stein. Tödlich war Medusas Blick auch über ihren Tod hinaus…
Der Trick mit dem Spiegel wurde aber wenige Jahrtausende später wieder versucht, als die britische Zauberschule Hogwarts ebenfalls von einem Monster mit fatalem Blick heimgesucht wurde. Allerdings war das Ergebnis diesmal durchwachsen: Hermine wurde durch den Anblick des Basilisken im Spiegel zwar nicht gänzlich versteinert. Doch musste sie den Rest des zweiten Harry Potter-Bands im Koma verbringen.
Doch zurück zu den Medusen auf unseren Bronzeblechen. Auf den Schilden und Rüstungen etruskischer Krieger sollten sie potenziellen Feinden einen Schrecken einjagen: sie ebenfalls, zumindest im übertragenen Sinne, in Stein verwandeln! Wer glaubt dem standhalten zu können, kann sich im Pfalzmuseum selbst auf die Probe stellen. Wer nicht in Panik aus dem Museum rennt, ist dann herzlich eingeladen, sich im Foyer an einer meiner kleinen Stadtschreiber-Umfragen zu beteiligen.