In der Ausstellung „Mit 17. Jugend in Paderborn“, oder: Wem gehört die Pokemon-Karte?

Paderborner Museumskenner und Touristen können sich über zwei neue Sonderausstellungen in der Innenstadt freuen. Für Fans der regionalen Archäologie gibt es im Museum in der Kaiserpfalz „7000 Jahre Kulturlandschaft in Ostwestfalen“. Zeitgleich präsentiert das Stadtmuseum, nach den höchst erfolgreichen „Briten in Westfalen“, nun seine zweite Sonderausstellung: „Mit 17. Jugend in Paderborn“. Letztere habe ich heute zum ersten Mal besucht.

Zum Einstieg: Eindrücke aus dem Schul- und Arbeitsleben, der Freizeitgestaltung und dem politischen Engagement Paderborner Jugendlicher der letzten Jahre und Jahrzehnte.

Eine Zusammenfassung der Ausstellung kann ich nicht bieten. Sie möchte keine Geschichte erzählen, die man für einen Blogartikel auf einige Kernbotschaften reduzieren könnte. Vielmehr werden an verschiedenen Stationen ausgewählte Aspekte jungen Lebens in der Stadt behandelt, ohne dass dabei eine Meistererzählung von „der Jugend“ angestrebt wird. Noch wird dem Besucher ein stereotypes Ideal- oder Schreckensbild von „dem Jugendlichen“ vorgesetzt.

Museum als Forum zur Diskussion aktueller Anliegen: Die „Anträge“ an den Stadtrat.

Thematisiert werden beispielsweise Poetry-Slam als wichtiger Bestandteil der Paderborner Jugendkultur, Selfies, Graffiti und Sneakers als typisch jugendliche Fußbedeckung, deren Gestaltung auf die Zugehörigkeit zu einer Subkultur verweisen kann. Auch haben Besucher aller Generationen die Möglichkeit, ihre Anliegen in Form eines Briefs an den Stadtrat zu formulieren und in der Ausstellung aufhängen zu lassen. So fordert ein 15-Jähriger in seinem „Antrag“: „mehr Geld für die Von-Fürstenberg Realschule. Leider mangelt es uns an Geld zur Erneuerung von Gegenständen. Daher wäre ein höheres Budget nett.“ Ein 13-jähriges Mädchen wünscht sich: „Eine gute Busverbindung nach Paderborn City mindestens jede Stunde von Hamborn aus.“

Nachhaltig beschäftigt hat mich allerdings auch ein Objekt, von dem ich nicht einmal weiß, ob es offiziell Teil der Ausstellung ist: die Pokemon-Karte auf dem unteren Fach des kleinen Stehtisches, an dem diese „Anträge“ formuliert werden. Sie liegt dort einfach so, ohne Erläuterung. Wer sie einstecken wollte, könnte dies tun. Aber wer hat sie dort hingelegt? Ein Besucher? Vielleicht ein Ex-Sammler, der dort ein Relikt aus seiner eigenen Jugend hinterlassen wollte? Das ist jedenfalls meine Theorie.

Ich weiß nicht, inwieweit die heute 17-jährigen Paderborner mit dem Begriff „Pokemon“ noch etwas anfangen können. Aber während meiner eigenen Gymnasialzeit, geschätzt vor etwa 15 Jahren, waren Pokemon-Karten für kurze Zeit der „neuste Schrei“ auf dem Schulhof. Sie dienten einem Kartenspiel und noch viel wichtiger, sie waren eine begehrte Sammelware: Während der Pausen wurden Schulaula und Gänge zu Tauschmessen, auf denen es zuging wie an der Frankfurter Börse. Überall saßen die Kinder mit ihren großen Sammelalben, verglichen ihre Bestände, prahlten mit Neuerwerbungen und versuchten ihre Dubletten möglichst lukrativ zu tauschen. Manch Knirps wurde zum Connaisseur und wusste genau, wie „selten“ Karte X war und wieviel wert im Vergleich zu Karte Y. Andere wurden zu zwielichtigen Gestalten!

So kann ich mich gut an einen Klassenkameraden erinnern, der während der Pokemon-Zeit erste Erfahrungen als Dieb und Hehler sammeln konnte. Seine Masche: Sich mit schmeichelnden Worten neben die Tauschenden zu setzen und ihnen mit geschickter Hand die Karten nach und nach aus dem Album zu „linken“. Erwischt wurde er, soweit ich weiß, nicht. Seine Freunde waren zwar im Bilde, schließlich ließ er es sich nicht nehmen, mit seinen Trophäen zu prahlen. Verpetzt haben wir ihn aber nicht. Ob wir ihm dabei einen Gefallen getan haben, ist diskutabel. Zwar ersparten wir ihm ein Donnerwetter. Doch beraubten wir ihn der Möglichkeit zu Reue und Umkehr unter der fürsorglichen Anleitung der schulischen Justiz.

Haben andere Besucher der Ausstellung die Pokemon-Karte ebenfalls entdeckt? Wurden sie, sofern sie wie der Stadtschreiber einem entsprechenden Jahrgang entstammen, an die eigene Schulzeit erinnert oder an die Schulzeit ihrer Kinder? War das der Zweck der Karte in der Ausstellung oder wurde sie einfach von einem Besucher dort „vergessen“? Mal sehen, ob sie nächste Woche noch dort liegt. Oder hat mein Ex-Klassenkamerad wieder zugeschlagen …

Herzliche Grüße und bis bald!

Ihr Paul Duschner

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