„Ach, ein Glas kann ich trinken, da passiert schon nicht.“ Diesen Satz haben bestimmt viele schon einmal so oder so ähnlich gehört und nicht großartig weiter darüber nachgedacht. Immerhin ist es ab einem Alter von 21 Jahren in Deutschland erlaubt, mit einer geringen Menge Alkohol im Blut Auto zu fahren, wobei man in diesem Fall häufig nur die Verantwortung für sich selbst übernimmt. Im Kontext einer Schwangerschaft ändert sich die Situation allerdings, da man nun auch die Verantwortung für ein weiteres schutzbedürftiges Leben trägt.
Hannah Seeger (Von Studierenden für Studierende)
Die Fetale Alkohol-Spektrumstörung, auch FAS genannt, umfasst die pränatale Schädigung eines Menschen durch den Alkoholkonsum der Mutter während ihrer Schwangerschaft. Die Auswirkungen der Droge können allerdings unterschiedlich starke Ausprägungen annehmen, weswegen hier von einem Spektrum gesprochen wird. „Weitere Kategorien des Spektrums sind das partielle Fetale Alkohol-Syndrom (pFAS) und die alkoholbedingten neurologischen Entwicklungsstörungen (alcohol-related neurodevelopmental disorders (ARND)).“ (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Broschueren/FASD_SozR-Fragen.pdf).
Die Diagnose und Zuschreibung einer dieser Kategorien erfolgt auf Grundlage der S3-Richtlinien zum Fetalen Alkohol-Syndrom. Dort werden drei Diagnosekriterien unterschieden: Wachstumsauffälligkeiten, die FAS typischen Auffälligkeiten im Gesicht, wie z. B. eine verkürzte Lidspalte, eine schmale Oberlippe oder ein flaches Mittelgesicht, bei dem das Philtrum (Lippenherz) fehlt und die Abweichungen im Zentralen Nervensystem (ZNS). Unter Letzteres fällt beispielsweise Mikrozephalie (kleiner Kopf), eine globale Intelligenzminderung, Entwicklungsverzögerungen sowie verminderte Leistungen in Bereichen wie Sprache, Feinmotorik oder im sozialen Verhalten. Wenn alle drei dieser übergeordneten Kriterien erfüllt sind, spricht man von einem FAS Vollbild. Bei dem partiellen FAS sind zwei Kriterien erfüllt und bei ARND liegen keine körperlichen Beeinträchtigungen vor, dafür jedoch vermehrte Dysfunktionen im Zentralen Nervensystem (vgl. https://fasd-fz-koeln.de/fasd-wissen/medizin/diagnose-von-fasd).
Wie bereits erkenntlich wird, hat der Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft massive Folgen für das ungeborene Kind. Doch warum kommt dieses Spektrumstörung überhaupt so häufig vor? Der Hauptgrund hierfür liegt vermutlich in der Verfügbarkeit. Alkohol ist eine gesellschaftlich anerkannte Droge und praktisch überall erhältlich, daher ist er einer der bedeutsamsten Schadstoffe für ein werdendes Kind, wobei die mütterliche und embryofetale Toleranz gegenüber Alkohol ausschlaggebend für die Schwere der Schädigung ist.
Ein weiterer einflussreicher Faktor ist der Zeitpunkt der Einnahme. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass in der Schwangerschaft verschiedene pränatale kritische Phasen vorherrschen, in denen sich bestimmte Organe und Strukturen ausbilden und das ungeborene Kind somit noch anfälliger auf Schädigungen reagiert. In den ersten beiden Schwangerschaftswochen würde der Konsum von Alkohol i.d.R. zu einem Abbruch führen, wohingegen der Konsum in den weiteren zwei Monaten der Phase der Embryonalentwicklung zu schweren Missbildungen führt. In der darauffolgenden Fetalzeit hat Alkohol nur noch eine geringere Beeinträchtigung zur Folge (vgl. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/praenatale-kritische-phasen/11773).
Es lässt sich also festhalten, dass der Konsum von Alkohol in den ersten beiden Schwangerschaftsmonaten den größten Einfluss auf den Embryo hat. Vielen jungen Frauen ist in dieser Zeit allerdings noch gar nicht bewusst, dass sie tatsächlich schwanger sind, was das ganze zu einem größeren Dilemma werden lässt. Verantwortungsbewusster wäre es daher, in regelmäßigen Abständen Tests zu mache oder bei einer möglichen Befruchtung sofort auf Alkohol zu verzichten. In der Realität machen dies allerdings die wenigsten, weswegen die Fetale Alkohol-Spektrumstörung häufiger in der Gesellschaft vorkommt. Möglicherweise fehlt einigen Menschen auch das Wissen bezüglich der Gefahren, weswegen eine vermehrte flächendeckende Aufklärung vorangetrieben werden sollte. Auch im Hinblick auf unsere spätere Profession als Sonderpädagog:innen tragen wir eine gewisse Verantwortung über diese Spektrum-Störung aufzuklären.