Neben lustigen Tanzvideos und Lifestyle Fotos finden sich auf Tiktok und Instagram immer öfter Inhalte zu den Themen Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS). Mit Videobeschreibungen wie „7 Anzeichen dafür, dass du autistisch bist“ listen Content Creator vermeintliche Symptome auf und laden damit Nutzer:innen ein sich selbst zu diagnostizieren. Nun stellt sich die Frage: Wie zuverlässig sind die Informationen in solchen Videos? Wie sinnvoll ist eine Selbstdiagnose und was denken neurodivergente Content Creator über diese Entwicklung?
Ann-Sophie Kleinagel (Von Studierenden für Studierende)
Soziale Medien haben den Zugang zu Informationen über Autismus und ADHS für viele erleichtert. In kurzen Videos oder Beiträgen werden komprimiert Informationen zu Symptomen oder dem alltäglichen Leben mit diesen Störungen für Millionen Menschen geteilt. Dabei können auch Falschinformationen in den Umlauf geraten. Deshalb haben Wissenschaftler:innen der Drexler Universität in den USA in einer Studie die Top 133 Tiktok Videos mit dem Hashtag #autism untersucht. In der Auswertung ihrer Ergebnisse stuften sie 27% der Videos als zuverlässig ein. Die restlichen enthielten falsche oder verallgemeinernde Informationen. Dabei stellten sie auch fest, das Videos von medizinischen Fachleuten oder anderen Expert:innen meist zuverlässigere Informationen bereitstellten (vgl. https://link.springer.com/article/10.1007/s10803-023-06084-6). Es zeigt sich, dass es an Beiträgen zu diesem Thema nicht mangelt, die Qualität der Informationen aber überwiegend fehlerhaft sind.
Um seriöse Inhalte auf Tiktok und Instagram zu identifizieren, braucht es Medienkompetenz. Dies merkt auch Dr. Martin Jung, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in einem Interview für das Helios Magazin an. „Es kommt darauf an, wie und von wem über die Störung gesprochen wird“, so Jung. Sich selbst durch Beiträge in den sozialen Medien zu diagnostizieren ist problematisch, da nicht nur Falschinformationen verbreitet werden, sondern man selbst die Situation nicht objektiv einschätzen kann. Problematisch kann dies auch für Jugendliche in der Identitätsfindung sein, die dann beispielsweise verklärte Vorstellungen von mentalen Störungen entwickeln (vgl. https://www.helios-gesundheit.de/magazin/kinder-und-jugendmedizin/news/selbstdiagnose-social-media-ein-gefaehrlicher-trend/).
Doch neben diesen problematischen Aspekten kann durch Tiktok und Instagram ein wichtiger Beitrag geleistet werden: Sichtbarkeit. Durch Beiträge in den sozialen Medien bekommen Menschen mit ASS oder ADHS Aufmerksamkeit und können sich selbst und ihre Erfahrungen präsentieren. Auch ADHS-Influencerin Angelina Boerger sieht in den Sozialen Medien eine Möglichkeit Stigmata entgegenzuwirken. Die Flut an Nachrichten, die sie von Menschen mit dem Verdacht auf ADHS bekommt, ist gewaltig. Lange Wartezeiten oder schlechte Erfahrungen mit Fachpersonal, von denen ihr viele berichten, zeigen in ihren Augen eine Schwachstelle im Gesundheitssystem (vgl. https://www.youtube.com/watch?v=Q0i1d5_nkKk). So können die sozialen Medien auch zu einem Ort des Austauschs und der gegenseitigen Unterstützung werden.