Wie der Einsatz von Gebärdensprache Schulen bereichern könnte

„She’s deaf. You don’t have to talk to her. She just wanted to see you”. So lautet ein Zitat des Films Miracle on 34th streetvon einer Mutter zum verkleideten Weihnachtsmann, als sie ihre gehörlose Tochter auf seinen Schoß setzt. Nichtsdestotrotz überrascht der Weihnachtsmann das Mädchen mit Gebärdensprache und bringt sie zum Strahlen. Alltägliche Situationen wie diese können das Leben aller bereichern, wenn Grundkenntnisse der Gebärdensprache vorhanden sind und somit die Welt ein bisschen inklusiver machen. Warum sollte nicht also schon in der Schule damit begonnen werden?

Nicole Schiller (Von Studierenden für Studierende)

In der genannten Szene überrascht der Weihnachtsmann die kleine Sami nicht nur vor der Kamera, sondern auch in Realität, denn ihre Überraschung war nicht gespielt, da sie im Vorfeld nicht wusste, dass der Weihnachtsmann der Gebärdensprache fähig war, welches diese Szene zu einer besonderen macht (https://www.smoothradio.com/news/christmas/story-miracle-34th-street-deaf-girl-sign-language/).

Auch in einem Beitrag der „Barrierebrecher“ erzählt Lukas von sich und seinem Wunsch: „Mein Name ist Lukas. Ich kann nicht gut hören und sprechen. Ich wünsche mir, dass meine Mitmenschen laut sprechen und ein bisschen gebärden“ (https://www.instagram.com/reel/Cl37YmQICmc/?utm_source=ig_web_copy_link&igshid=MzRlODBiNWFlZA%3D%3D).

Da die Gebärdensprache einen Weg darstellt, die Kommunikation zu bereichern und das Leben inklusiver zu gestalten, birgt die Einführung der Gebärdensprache an Regelschulen ein großes Potenzial.

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist seit Mai 2002 im BGG § 6,1 offiziell bundesweit als vollwertige Sprache anerkannt und ist eine visuell-manuelle Sprache mit großem Vokabular sowie eigenständiger Grammatik und sogar regionalen Unterschieden. Gebärden bestehen aus Kombinationen von Handformen, Mimik, Mundbildern, Kopf- und Körperbewegungen (https://www.aktion-mensch.de/dafuer-stehen-wir/was-ist-inklusion/deutsche-gebaerdensprache).

In der Auseinandersetzung mit der DGS gehört auch die Berücksichtigung der Geschichte und Entwicklung dieser Sprache dazu. In vielen Kulturen, wie z.B. im antiken Griechenland, wurden gehörlose Menschen ausgegrenzt und galten als geistig eingeschränkt. Im 18. Jahrhundert vollzog sich in Paris eine Entwicklung; der Geistliche Abbé Charles-Michel de l’Epée gründete 1755 in der Hauptstadt Frankreichs die erste Schule für gehörlose Kinder, nachdem er beobachtete, dass sich Gehörlose auch ohne Worte zu unterhalten schienen. Nichtsdestotrotz wurde auf dem Mailänder Kongress im Jahr 1880 beschlossen, Gehörlosenschulen zu schließen und die Gebärdensprache zu verbieten, da diese die gehörlosen Menschen daran hindere, die Lautsprache und das Sprechen zu erlernen. So wurde die Gebärdensprache und deren Kultur unterdrückt und gehörlosen Schüler:innen wurde mit viel Druck das Sprechen gelehrt, welches jedoch geringe Erfolge aufwies, sodass die Gebärdensprache weiterhin heimlich zur Kommunikation genutzt wurde.

Erst durch neuere Studien, bspw. dass die Gebärden- und Lautsprache in der Hirnforschung mehr Parallelen aufweisen als angenommen, sowie der Anerkennung der DGS im Jahr 2002 konnte die Abwehrhaltung geändert werden.

Trotz der seitdem vermehrten Ausbildung von Gebärdendolmetscher:innen, sind noch längst nicht alle potenziellen Kapazitäten ausgeschöpft, um gehörlose und hörgeschädigte Schüler:innen bestmöglich miteinzubeziehen und zu fördern (https://www.faz.net/aktuell/wissen/geist-soziales/die-entwicklung-der-gebaerdensprache-war-eine-stille-revolution-17048808.html).

Eine Schule, die die DGS in Form einer AG in den Schulalltag integriert hat, ist die Gemeinschaftsgrundschule Hebborn in Bergisch-Gladbach. Schüler:innen erzählen: „In unserer Schule ist ein Mädchen, das gehörlos ist. Und wenn ich das lerne, dann kann ich das auch verstehen und mit ihr reden. […] Wir lernen fast jeden Tag neue Sachen und das ist einfach cool, dass wir uns, wenn wir hier fertig sind, mit Kindern unterhalten können, die gehörlos sind. […] Es macht Spaß, die Sprache von denen zu lernen, die nicht reden können, weil wenn ich einmal jemanden kennenlerne und der ist gehörlos und ich freunde mich mit ihm an, wie soll ich mich dann mit ihm unterhalten, wenn ich keine Gebärdensprache kenne?“ Auch der Schulleiter Manfred Herrmann berichtet begeistert von dem Konzept und davon, dass auch das gehörlose Mädchen von der positiven Stimmung profitiert: „Das Mädchen hat sich, seitdem sie hier ist, sehr verändert. Sie war zuerst sehr zurückhaltend, jetzt ist sie sehr offen geworden. Und man merkt auch, dass sie in ihrer ganzen Körpersprache viel lebendiger geworden ist. […] Das hat mich sehr berührt, dass das Interesse von den Kindern kam. Das zeigt für mich, dass das gelebte Inklusion ist. Sie alle nehmen das als normal an und sind interessiert daran, das Kind auch ganz normal behandeln zu können; mit dem Kind spielen zu können“  (https://www.deutschlandfunkkultur.de/inklusion-an-der-grundschule-die-ganze-klasse-lernt-100.html).

Schlussfolgernd sind die Gebärdensprachenausbildung von Lehrer:innen, ein größeres Angebot an barrierefreien Medien und die aktive Auseinandersetzung von Gebärdensprache im Unterricht Maßnahmen, die ergriffen werden sollen und auf die auch im Forderungskatalog des Deutschen Gehörlosen-Bundes eingegangen werden, um die Bildung inklusiver zu gestalten.