Mode für alle. Früher Wunschgedanke, heute Realität? – Entwicklung in der inklusiven Modebranche

Die Modebranche erfindet sich jede Saison neu, entwirft Mode für jeden Anlass, für Männer sowie Frauen und setzt den nächsten Trend der kommenden Jahreszeit. Für den Großteil der Bevölkerung gibt es ein Überangebot an Einkaufsmöglichkeiten sowie Kleidungsstücken in verschiedenen Konfektionsgrößen, Farben etc., sodass die Auswahl und Möglichkeiten der Beschaffung unendlich scheinen. Für Menschen mit körperlichen Auffälligkeiten wie exemplarisch einer Kleinwüchsigkeit oder auch kognitiven Beeinträchtigungen wie Trisomie 21, besser bekannt als das Down-Syndrom, hingegen gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nur eine begrenzte Auswahl an Alltagsmode, die sowohl preislich als auch optisch vergleichbar mit der Mode der durchschnittlichen Bevölkerung ist.

Kathrien Ostermann (Von Studierenden für Studierende)

Inklusion auf großen Modeveranstaltungen und der medialen Repräsentation

Die Modeindustrie fokussiert bei der Produktion ihrer Kleidung noch immer primär die Durchschnittsperson mit ihren Konfektionen. Dies führt darüber hinaus dazu, dass auf Fashionveranstaltungen wie Modeschauen, aber auch anderen öffentlichen Veranstaltung Menschen mit körperlichen oder auch kognitiven Beeinträchtigungen nicht geladen werden. Begründet wird dies oftmals damit, dass sie zum einen weder den körperlichen noch den gesellschaftlich anerkannten Idealen entsprechen und zum anderen passende Kleidung fehlt sowie eine Abwehrhaltung beziehungsweise Berührungsängste vorhanden seien. In einer Gesellschaft, in der Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe am alltäglichen Leben als Zielsetzung verfolgt wird, scheint dies in der Modewelt noch nicht realisiert worden zu sein.

Von dieser Diskriminierung und Unterdrückung bestimmter Personengruppen berichtet die kleinwüchsige Modebloggerin Sinead Burke in einem Interview mit dem Spiegel. Frau Burke wurde im Jahr 2019 als erste kleinwüchsige Frau weltweit zur Met Gala eingeladen und dies entgegen der Tatsache, dass diese Veranstaltung bereits seit 70 Jahren stattfindet. Nachdem sie im selben Jahr auf dem Cover der Vogue war, wurde die sich für inklusive Design und Gleichberechtigung einsetzende Iranerin nun in einer Beraterinfunktion für namenhafte Marken wie Gucci angestellt. Besonders im Bereich Social-Media legt Burke großen Wert darauf, dass beispielsweise auch visuell eingeschränkte oder gehörlose Personen zu diversen Inhalten, neben dem Bereich Mode auch zu anderen Bereichen, Zugang haben.

Durch die fehlende Identifikation und Nutzung der vermarkteten Kleidung spiegelt die Kleidung die Haltung der Gesellschaft hinsichtlich der Inklusion wider, so Burke. Als eine mögliche Ursache wird die mangelnde Erfahrung im Umgang mit Behinderung gesehen, die das Hineinversetzen in die Situation betroffener Menschen erschweren. Gesonderte Kollektionen einzelner Marken seien dabei weniger zielführend und erreichen nicht das gewünschte Ziel, Diversität als Normalität im Alltag zu integrieren. Vielmehr müssen Arbeitsplätze geschaffen werden, um einen direkten Einfluss betroffener Menschen auf zukünftige Kollektionen zu garantieren. Die bereits seit über Jahren anhaltende Entwicklung in der Modebranche zur Repräsentation von Diversität hinsichtlich der Physiognomie, ethnischen Herkunft und sexuellen Orientierung führt zu einer zunehmenden Respektanz und gleichberechtigten Behandlung aller Personen (vgl. https://www.spiegel.de/stil/inklusion-in-der-mode-wir- leben-in-einer-welt-die-nicht-fuer-uns-designt-wurde-a-c8d22c55-8291-4172-86ea- 302a28aacc60). 

Der Wandel der Dessousmarke Victoria Secret

Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei dem Dessoushersteller Victoria Secret zu erkennen, bei dem in der „Love Cloud“ -Kollektion neben den zuvor repräsentierten Models mit kaum erreichbaren Körperidealen nun Frauen unterschiedlicher Herkunft sowie Größe und wei- terer Merkmale laufen dürfen. Victoria Secret versuche so, der zuvor immer häufig publik gewordenen Kritik entgegenzuwirken und sich inklusiver und für alle Frauen ansprechen- der darzustellen, da beispielsweise Fußballstar Megan Rapinoe die Dessousmarke als „transphobe, fettphobische Firma“ (https://nypost.com/2022/02/17/meet-sofia-jirau-the- first-victorias-secret-model-with-down-syndrome/ ) bezeichnete. Dabei hat in erster Linie die mit Trisomie 21 geborene und aus Puerto-Rico stammende Sofía Jirau die mediale Auf- merksamkeit bekommen, nachdem sie als neues VS-Model vorgestellt worden ist und so- mit als einer der ersten Frauen mit Trisomie 21 in der großen Modewelt Fuß fassen konnte. Als Sofía im Februar 2022 ihr Laufsteg-Debüt bei der New York Fashion-Week gab und mit ihrer eigenen „No Limits“ -Kampagne für mehr Akzeptanz von Menschen mit Trisomie 21 und unterschiedlichen Beeinträchtigungen gekämpft hat, wurde die Firma auf die 25-jährige aufmerksam und erfüllte Sofía einen Lebenstraum (vgl. https://nypost.com/2022/02/17/meet-sofia-jirau-the-first-victorias-secret-model- with-down-syndrome/). Victoria Secret folgt somit der Entwicklung der Modebranche, nachdem zuvor bereits andere große Marken wie Gucci Menschen mit Trisomie 21 und anderen Beeinträchtigungen engagierten. Sofía möchte mit ihrer Präsenz im Modelbusiness alle Frauen und Männer ermutigen, zu ihrem Körper und ihrer Person zu stehen und hervorheben, dass Mode für alle gedacht ist und man sich keinesfalls in Abhängigkeit seiner Nationalität oder seines Erscheinungsbildes verstecken muss.