Neben der Familie und dem Freundeskreis spielt die Schule im Leben von vielen Kindern und Jugendlichen eine große Rolle. Hier bilden sie sich weiter, bauen neues Wissen auf und knüpfen gleichzeitig viele soziale Kontakte zu Gleichaltrigen. Die Schule ist daher ein wichtiger Lernort, an dem die Kinder einen Großteil ihrer Zeit verbringen und wo sie sich mit vielfältigen Herausforderungen auseinandersetzen müssen. Unterstützt werden sie dabei nicht nur von ihren Eltern, sondern in erster Linie von den Lehrerinnen und Lehrern, die ihnen täglich bei der Bewältigung der Aufgaben zur Seite stehen. Viele Lehrer*innen sind deshalb oft nicht ohne Grund wichtige Bezugspersonen und Vorbilder für die Heranwachsenden, weshalb es auch keineswegs verwunderlich ist, dass das Lehrer*innen-Schüler*innen Verhältnis einen enormen Einfluss auf das Leistungsverhalten der Heranwachsenden nimmt. In welchem Ausmaß Lehrer*innen ihre Schüler*innen beeinflussen, zeigt die Studie von Detlef Urhahne, Oliver Timm, Mingjing Zhu und Ming Tang (https://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1026/0049-8637/a000079).
Von Luisa Middeke (Von Studierenden für Studierende)
Die Studie hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit sich unterschätzte Schüler*innen von überschätzten Schüler*innen in Bezug auf die Leistungsmotivation voneinander unterscheiden. (Urhahne, Timm, Zhu & Tang 2013. Sind unterschätzte Schüler weniger leistungsmotiviert als überschätzte Schüler? Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 54(1), 34–43) In diesem Zusammenhang kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass beide Schüler*innengruppen gleich viel motiviert sind, unterschätzte Schüler*innen jedoch systematisch schlechter beurteilt werden.
Doch welche Folgen hat diese Beurteilung langfristig auf das Selbstkonzept der Kinder und Jugendlichen? Um diese Frage zu beantworten, kann es hilfreich sein, sich in die Perspektive der Lernenden zu versetzen. Wie würde ich mich also fühlen, wenn mein Umfeld mich ständig unterschätzen würde? Würde ich mein Potential jederzeit ausschöpfen, obwohl ich vermuten muss, dass es sowieso nicht anerkannt wird? Vermutlich nicht und genau hier liegt das Problem, denn Kindern und Jugendlichen ergeht es in der Schule sehr ähnlich. Gerade wenn sie von Vorbildern in Bezug auf die eigene Leistungsfähigkeit unterschätzt werden, wirkt sich dies negativ auf ihr Selbstkonzept aus. Häufig übernehmen sie das Urteil und passen sich hinsichtlich der Motivation und Leistung den Erwartungen des Gegenübers an (Urhahne, Timm, Zhu & Tang 2013, S. 36). Im schlimmsten Fall würde also ein Kind oder ein/e Jugendliche/r vollkommen unter ihrem/seinem eigentlichen Potential handeln, nur weil es durch die Kommentare und Einschätzungen anderer, den Glauben an die eigenen Fähigkeiten verliert.
Für Lehrer*innen stellt sich daher die Frage: Wie kann ich diesen Teufelskreislauf unterbinden? Wichtig ist, dass wir uns nicht nur auf die Defizite der Kinder und Jugendlichen konzentrieren. Vielmehr sollten wir versuchen, ihre Beweggründe für eine hohe oder geringe Leistungsmotivation zu verstehen und sie in ihren erworbenen Kompetenzen und Stärken bekräftigen. Die Basis hierfür ist ein respektvoller und wertschätzender Umgang. Dieser schließt mit ein, dass Lehrkräfte ihre Position/Meinung immer wieder reflektieren, um zielgerichtet bestimmte Aspekte des Lernens beobachten und dokumentieren zu können. Ihnen sollte bewusst sein, dass Erwartungen in erster Linie immer Druck auslösen, weil Kinder und Jugendliche unabhängig vom Alter den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, gerecht werden wollen. Lehrer*innen nehmen deshalb jederzeit bewusst und unbewusst Einfluss auf das Verhalten der Heranwachsenden. Natürlich kann es vorkommen, dass sie eine*n Schüler*in falsch einschätzen. Wichtig ist, dass sich Lehrer*innen Fehleinschätzungen eingestehen und diese korrigieren.
Welchen Einfluss Lehrer*innen außerdem noch haben, könnt Ihr unter folgendem Link nachlesen: https://www.fachportalpaedagogik.de/literatur/vollanzeige.html?FId=1003235#vollanzeige