Wenn der Stress zum Mitbewohner wird – Der richtige Umgang zählt!

Gute Mär! Eine Studie zeigte, dass Sonderpädagog*innen im inklusiven Unterricht im Vergleich zu anderen Lehrerkräften keine erhöhte Stresswahrnehmung aufwiesen, ja tendenziell sogar entlasteter scheinen (Hedderich, I. (2015): Lehrergesundheit im Kontext schulischer Inklusion: Kenntnisstand und Ergebnisse einer explorativen Studie und Perspektiven. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 37). Als Ursache dafür wird der stärkere Fokus auf Teamarbeit vermutet. Trotzdem ist durch den Anspruch der Leistungsgesellschaft der Stress im inklusiven Lehrberuf sowie im Alltag zum Dauergast geworden, was zur Einschränkung der Lebensqualität führen kann (Berndt, C. (2013): Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft. Was uns stark gegen Stress, Depression und Burn-out macht. München: DTV, S. 15f.).

Praktische Tipps zur Bewältigung des chronischen Stresserlebens werden im folgenden Artikel vertieft.

Svea Kuloge (Von Studierenden für Studierende)

Stress ist in der heutigen Leistungsgesellschaft ein dauerhafter, sogar angesehener Gast. Und tatsächlich hat der Stress auch seine Schokoladenseiten: In der Steinzeit rettete er so manch einem unserer Vorfahren das Leben, denn das dabei ausgesendete Hormon Adrenalin sorgte für die richtige Verfassung zu Kampf oder Flucht durch eine schnellere Atmung, einen höheren Blutdruck und Puls, sowie eine intensivere Energieversorgung von Muskeln und Gehirn (Berndt, C. (2013): Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark gegen Stress, Depression und Burn-out. München: DTV, S. 13). Diese physiologische Stressreaktion ist auch der Aktivierung des vegetativen Nervensystems (Sympathikus) zu verdanken (Schäfer, B. (2017): Kopfschmerzen und Migräne. Das Übungsbuch: Vorbeugen, entspannen, Schmerzen lindern. Stuttgart: Trias, S. 28f.). Noch heute verhilft der Stress zu einer höheren Leistungsfähigkeit und hinterlässt nach der Bewältigung der Herausforderung ein starkes Gefühl der Belohnung (vgl. Berndt 2013, S. 15f.).

Doch wird der hilfreiche Gast zum dauerhaften Mitbewohner im Alltag, zeigt er seine miesen Marotten: „Es wird unterschätzt, dass dieser nicht zu bewältigende Stress ein Gesundheitsrisiko darstellt“, äußert sich Psychologin Monika Bullinger dazu (vgl. ebd., S. 16). Es kann zu Depressionen und zum Burn-Out kommen (ebd., S. 14) oder zu Schmerzkrankheiten wie beispielsweise der Migräne oder chronischem Spannungskopfschmerz (Rüegg, J.C. (2017): Mind & Body: Wie Gehirn und Psyche die Gesundheit beeinflussen. 3. Auflage. Stuttgart: Schattauer, S. 2).

Wie verhält es sich damit speziell im Beruf der Sonderpädagogik? Hier zeigten sich vor allem zwei Ursachen für Stress: Zum einen die Häufung der Aufgaben und der Gutachten am Ende des Schuljahres, zum anderen der „Aufgaben- und Rollenmix zwischen Regelschullehrkräften und Lehrkräften für Sonderpädagogik“ (Hedderich 2015, S. 37), welcher je nach Anstellung eine unterschiedliche Gewichtung von Unterrichten, Beratung und Einzelförderung mit sich bringt (vgl. ebd., S. 36). Neben diesen Hauptfaktoren stellt auch eine „mangelhafte Kommunikation, unterschiedliche Vorstellung über Unterricht, Menschenbild und Integration [sowie] mangelnde Kompetenz v. a. in Bezug auf die Konfliktfähigkeit und Reflexionsfähigkeit“ (ebd., S. 37) und der Umgang mit Eltern und Schüler*innen einen potenziellen Stressauslöser dar. Diese Stressfaktoren können bewältigt werden durch den Ausbau von guten kooperativen und kommunikativen Kompetenzen und die Teamarbeit im gemeinsamen Unterricht. Außerdem zeigt sich, dass Stresswahrnehmung erlernt ist und auch im Erwachsenenalter noch veränderbar ist (vgl. Berndt 2013, S. 16). Demnach kann jede/r einen gesünderen Umgang mit den stressauslösenden Belastungen entwickeln und damit eine größere Widerstandskraft/Resilienz erlangen (vgl. ebd.).

Zur Ablenkung von Stress helfen sowohl Lesen als auch Musik hören, eine vollkommene Entspannung findet dabei jedoch nicht statt (vgl. Schäfer 2017, S. 28). Durch Ausdauersport erfolgt eine gezielte Aktivierung des Sympathikus, sodass eine Desensibilisierung der Stressrezeptoren am Herz stattfindet und dieses in Stresssituationen widerstandfähiger ist. Zudem kann sich der Körper nach dem Training besonders gut entspannen (vgl. ebd., S. 36f.). Eine dreißigminütige Powersession mit einem Puls zwischen 110 und 150 Schlägen pro Minute jeden zweiten Tag anhand von Joggen, Schwimmen, Inliner o.ä. zahlt sich also aus.

Als besonders erfolgreich für die Senkung des dauerhaften Stresserlebens gelten aber vor allem Entspannungsmethoden wie Yoga, Qigong, Atemtechniken, Autogenes Training oder die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen (PMR). PMR wird im Folgenden genauer veranschaulicht, da es als am einfachsten und schnellsten erlernbar und auch als am besten untersucht gilt (vgl. ebd., S. 28f.). Hierbei werden nacheinander 16 Muskelgruppen an- und entspannt. Während die Anspannungsphase jeweils nur ein paar Sekunden beträgt, folgt dazu eine Entspannung, die bis zu einer Minute dauern kann. Besonders wichtig ist dabei die Konzentration auf das langsame Lockerlassen. Um zu begreifen, warum das so wirkungsvoll ist, erinnern wir uns an die Aktivierung des Sympathikus, der für eine intensive Energiemobilisierung sorgt. Dessen Gegenspieler, der Parasympathikus, wird durch die Muskelübungen aktiviert und führt demnach zu genau der gegenteiligen Reaktion: Die Informations- und Gedankenverarbeitung wird verringert und tiefe Entspannung setzt ein (vgl. ebd.). Durch die Konzentration auf körperliche Prozesse werden außerdem die Achtsamkeit und die Körperwahrnehmung trainiert. In akuten Stresssituationen wie beispielsweise einem überfüllten Schultag, kann man sich dadurch bewusster reflektieren, ob zum Beispiel die Stirn gerunzelt ist, die Schultern hochgezogen sind o.ä. und so durch eine bewusste Muskelentspannung dem Stress aktiv entgegenwirken. Dieses Erleben stärkt auch die Selbstwirksamkeit („Ich kann Stresserleben selbstständig reduzieren“) (vgl. ebd., S. 29f.).

Ob Stress durch den Beruf der Sonderpädagogik oder einfach im Alltag Einzug gehalten hat: Die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen (PMR) trägt bei Anwendung alle ein bis zwei Tage erheblich zu einer dauerhaften Reduzierung bei. Alles dafür Notwendige ist ein gemütliches Plätzchen zum Hinlegen mit genügend Raum zum Ausstrecken und ein Klick auf den aufgeführten Link: https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/progressive-muskelentspannung-zum-download-2021142

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