Ein Studium wird in erster Linie mit endloser Freizeit und täglichen Partys, vielleicht sogar ein Stück weit mit Faulheit, in Verbindung gebracht. Studierende leben ein unbeschwertes, stressfreies Leben ohne jegliche Verpflichtungen und Sorgen. Kurzum: Das Studium ist die beste Zeit des Lebens – oder etwa nicht?!
Dass dieses Klischee schon lange nicht mehr der Realität entspricht, wird am alltäglichen Universitätsleben vieler Studierender deutlich.
Annkathrin Born (Von Studierenden für Studierende)
Die Einführung des Bachelor-Master-Systems und die damit einhergehende Verkürzung der Regelstudienzeit auf sechs Bachelor- und vier Mastersemester führen zu einem enormen Leistungsdruck unter Studierenden. Auch wenn die Regelstudienzeit eigentlich nur ein Richtwert bzw. ein Vorschlag zur Gliederung des Studiums ist, hat diese, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, einen hohen Stellenwert angenommen und sorgt somit bei vielen Studierenden für Angst und Überforderung. Zeit um praktische Erfahrungen zu sammeln, bleibt während des Studiums kaum und die Möglichkeit eines freiwilligen Auslandsemesters wird von vielen Studierenden, aufgrund der „verloren“ gehenden Zeit, schon gar nicht mehr in Betracht gezogen. Immer mehr Studierende werden den Anforderungen ihres Studiengangs nicht mehr gerecht, die hohen Erwartungen des Arbeitsmarkts sind mit dem strengen Zeitlimit der Regelstudienzeit nicht mehr vereinbar. Stress und Versagensängste treffen auf unrealistische Zeitvorstellungen und Prüfungsangst. Durchschnittlich zu sein scheint nicht mehr als ausreichend, oberste Priorität ist es, das Studium in der vorgegebenen Zeit bestmöglich abzuschließen. Ein entscheidender Grund hierfür ist zudem die Tatsache, dass viele Studierende auf eine finanzielle Unterstützung in Form von BaföG angewiesen sind, welche das Abschließen des Studiums in Regelstudienzeit und bestimmte Notennachweise voraussetzt. Da diese Unterstützung in den meisten Fällen jedoch nicht ausreicht, verdienen viele Studierende zusätzlich Geld durch Nebenjobs. Diese nehmen wiederum Zeit in Anspruch, welche dann zum Lernen fehlt. Für viele entsteht hier ein Teufelskreis (https://studybees.de/magazin/versagensangst/).
Ein Überblick des Deutschen Studentenwerks (2013) zeigt, dass sich rund 60% der BA-Studierenden gestresst fühlen, rund 50% von ihnen fühlen sich durch diesen Stress in ihrem Studium beeinträchtigt. 75% der Studierenden verbinden mit diesem Stress vor allem Zeitnot, für ca. 65% steht hier der Leistungsdruck an erster Stelle. Mittlerweile ist es keine Seltenheit mehr, dass dieser Stress in psychischen Problemen und Krankheiten, wie z.B. Depressionen oder Angststörungen, resultiert. Die Inanspruchnahme psychosozialer Beratung bei jungen Leuten steigt immer mehr an. Trotz dieser Werte haben die meisten Studierenden aber Spaß an ihrem Studium und fast 80% sind der Meinung, dieses erfolgreich abzuschließen (https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/agfortbildung/sch__fer_ks2013_doku.pdf).
Eines der bekanntesten Phänomene, welche in erster Linie mit Studierenden in Verbindungen gebracht werden, ist die Prokrastination. Anders als viele wahrscheinlich vermuten werden, basiert diese aber in vielen Fällen nicht auf Faulheit, sondern auf Versagensängsten. Zu hohe Anforderungen an sich selbst und unrealistische Ziele führen dazu, dass das Erledigen von Aufgaben immer weiter aufgeschoben wird, aus Angst diese nicht angemessen zu bewältigen. Der steigende Leistungsdruck führt zu einer steigenden Prokrastination. Neben den fachlichen Anforderungen und den Werten und Normen der Leistungsgesellschaft sorgt aber vor allem auch der ständige Vergleich mit Kommiliton*innen für einen enormen Druck unter Studierenden. Dieser Druck bezieht sich dann nicht mehr nur auf das Studium, sondern umfasst, vor allem durch den großen Einfluss der sozialen Medien, auch das Privatleben. Soziale Netzwerke vergrößern die Vergleichsmenge ungemein und ermöglichen somit den ständigen Vergleich mit vermeintlich „perfekten“ Menschen und ihrem „perfekten“ Leben, was dazu führt, dass Versagensangst mittlerweile ein alltägliches Lebensgefühl vieler Studierender geworden ist (https://www.welt.de/kmpkt/article171368663/Darum-ist-Versagensangst-das-neue-Lebensgefuehl-junger-Leute.html).
Um diesem Druck ein Stück weit entgegen zu wirken ist es wichtig, sich nicht zu oft bzw. zu viel mit Anderen zu vergleichen. Auszeiten im Studium oder das Sammeln von praktischen Erfahrungen außerhalb der Universität sollten nicht als Zeitverlust, sondern als Chance verstanden werden und das Nachgehen von Hobbys sollte genauso wie das Besuchen von Vorlesungen in den Alltag integriert werden. Das Annehmen von Hilfe sollte nicht als Schwäche gelten und das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten kann einen großen Vorteil in der Bewältigung bevorstehender Aufgaben darstellen (https://studybees.de/magazin/versagensangst/). Ein gutes Zeitmanagement und eine gesunde Mischung aus Fleiß und Spaß könnten dann die Möglichkeit bieten, das Studium vielleicht doch als beste Zeit des Lebens zu gestalten.