Am 12. Dezember besuchten 44 Studierende des Lehramtsstudiengangs Sonderpädagogische Förderung die Laborschule Bielefeld. Nachdem zentrale Aspekte der Schulpädagogik sowie der inklusiven Kultur dieser Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen zuvor im Seminar „Vorbereitung auf das Praxissemester – Bildungswissenschaften“ erarbeitet wurden, konnten nun vor Ort vertiefende Informationen und ein Stück weit eigene Erfahrungen gesammelt werden. Thematisiert wurden u.a. der von großem Respekt und gegenseitiger Unterstützung geprägte Umgang aller Mitglieder der Schulgemeinschaft, das System anonymisierter Fördergutachten zur Vermeidung von Stigmatisierungseffekten, die Arbeit im Sonderpädagogen-Team, das besondere Raumkonzept, der Verzicht auf Ziffernnoten bis Klasse 9 sowie die zugehörigen alternativen Rückmeldesysteme und das Reisecurriculum.
In einer anschaulichen Fallgeschichte der Schülerin Claudia erklärte die Didaktische Leiterin der Laborschule, Dr. Sabine Geist, wie die Schule in ständiger Rückkopplung mit der jeweiligen sozialen und leistungsbezogenen Situation der Schülerin einerseits sowie ihren Bewältigungskompetenzen andererseits, die sonderpädagogische Förderung flexibel, nachhaltig und letztendlich erfolgreich einsetzt. Claudia wurde mit stark autistischen Zügen im Alter von fünf Jahren eingeschult. Erhielt sie zunächst häufig eine 1:1-Betreuung, erlangte sie über die Jahre nicht nur zahlreiche Kompetenzen im fachlichen Bereich, sondern vor allem in Bezug auf das soziale Miteinander, die Selbstreflexion und die Selbststeuerung, so dass sie gegen Ende der Mittelstufe die Empfehlung für den Besuch der Oberstufe erhielt und heute studiert. Inwiefern dieser sehr erfolgreiche Einzelfall die sonderpädagogische Förderung insgesamt repräsentiert, konnte selbstverständlich auf der Basis des Informationsgesprächs nicht beurteilt werden. Die ihn übermittelte inklusive Haltung und die Handlungsbeispiele waren jedoch sehr stimmig zu den zuvor rezipierten Publikationen der Laborschule.
Weitere unmittelbare Eindrücke vermittelte die anschauliche Schulführung in Kleingruppen. Hierbei stellten Schülerinnen und Schüler des sogenannten AK-Öffentlichkeitsarbeit im Alter zwischen 14 und 16 Jahren sowohl gekonnt als auch offen bis (selbst-)kritisch die verschiedenen Lernorte der Laborschule in einer ca. 60-minütigen Führung vor.
In den anschließenden Reflexionsrunden mit dem Dozenten des Seminars, Prof. Dr. Harry Kullmann, zeigten sich die Studierenden vom inklusiven Gesamtkonzept der Laborschule sehr beeindruckt. Bedauert wurde, dass es keine Gelegenheit gab, den Unterrichtsalltag im engeren Sinne persönlich kennenzulernen um auf diesem Wege verschiedene „Fragen an die Praxis“ beantwortet zu bekommen. Der studentische Teilnehmer Oliver Sperber formuliert sein Fazit wie folgt: „Es war für mich total ergiebig und innerhalb meines Studiums ein großer Erkenntnisgewinn. Immer größer wurde meine Unlust an einer Schule arbeiten zu müssen, die auf Notengebung beharrt, die keine Alters-Heterogenität schaffen will und fächerübergreifenden Unterricht ablehnt. Ich weiß an einem solchen Tag wieder, warum ich auf Lehramt studiere und hoffe, irgendwann an einem solchen Ort arbeiten zu dürfen.“