Feminismen. Positionen und Perspektiven

Geschlechtergerechtigkeits- und Chancengleichheitsforderungen haben spätestens seit den Frauen- und Bürgerrechtsbewegungen der sechziger Jahre eine normative Prägekraft auf demokratische Gesellschaften weltweit entwickelt. Auch in den fachwissenschaftlichen Diskursen deutschsprachiger Philosophie und Theologie werden feministische Perspektiven und Positionen adressiert. Auf den ersten Blick lässt sich für die Sichtbarkeit feministischer Emanzipationsanliegen folglich eine positive Bilanz ziehen.   Auf den zweiten Blick erfahren feministische Fragestellungen und Analysen seit einigen Jahren jedoch wieder einen gesellschaftlichen und mitunter religiös motivierten Backlash. Anstelle feministische Beiträge als kritische Hermeneutik zu verstehen, die dabei helfen kann, kulturell normalisierte und strukturell verdeckte Vermachtungsstrukturen aufzudecken und damit einen Beitrag zur Befreiung aller Menschen (unabhängig vom Geschlecht!) zu leisten, wird behauptet, dass die Rückkehr zu den traditionellen Geschlechterrollen alle gegenwärtigen Unsicherheiten und Krisen auflösen, die Welt so wieder in Ordnung gebracht werden könne. Dieser Backlash kulminiert in rechtspopulistischen Agenden gegenwärtiger politischer Akteur*innen und ihren dezidiert antifeministischen Stellungnahmen. Auch wenn sich in philosophischen und theologischen Diskursen bisher glücklicherweise nur selten solche regressiven, die Vielfalt und Mehrdeutigkeit der Welt leugnenden Positionen erkennen lassen, so ist dennoch zu konstatieren, dass relevante Forschungsperspektiven von als Frauen identifizierten Personen übersehen oder ignoriert werden. Dieser Stilllegungs-Reflex greift dabei offenbar umso schneller, je deutlicher feministische Perspektiven die eingelebten Hierarchien und verinnerlichten Privilegien herausfordern und Herrschaftsbündnisse entlarven. Dabei wird nicht nur übersehen, dass feministische Perspektiven und ihr emanzipatorisches Profil gerade unter den Vorzeichen der kompromittierten demokratischer Gewissheiten gesellschaftlich höchst relevant sind, so sie für diskriminierende Praktiken und unzulässige Ungleichheitsstrukturen sensibilisieren. Auch auf wissenschaftstheoretischer Ebene lässt sich dafür argumentieren, dass die Bewusst- und Sichtbarmachung einzelner, vom Mainstream abweichender Positionen eine Forderung epistemischer, ethischer und sozial-politischer Verantwortung darstellt und für die Kohärenz bzw. Resilienz wissenschaftlicher Theorie- und Urteilsbildung ausschlaggebend ist. Mit anderen Worten basiert sowohl eine vielstimmige Demokratie als auch die Wissenschaftlichkeit der Theologie und Philosophie darauf, auch und gerade die nicht-identischen, unbequemen und anderen Weltdeutungen kritisch, ernsthaft und aufmerksam in ihre Diskurse zu integrieren und mit ihnen auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist eine neue Reihe im Alber-Verlag entstanden: „Feminismen. Positionen und Perspektiven / Feminisims. Positions and Perspectives“ Ihre Herausgeberinnen und der wissenschaftliche Beirat haben sich zum Mandat gemacht, Wissenschaftler*innen eine Gelegenheit zu geben, ihre Thesen und Gedanken, Analysen und Theorien in die fachwissenschaftlichen Diskurse hineinzutragen und damit dem gefährlichen Backlash ein entschiedenes Veto entgegenzuhalten: https://www.nomos-shop.de/de/series/series/view/id/B001356600

Wir ermutigen alle Lesenden und Interessierten, uns Beiträge in Form von Proposals und Publikationsideen zukommen zu lassen: weber@fiph.de

Wandel als Konstante – und nun mit KI: Wir müssen das Heft in die Hand nehmen

Alles ist im Fluss, nur die Veränderung ist konstant. Wenn es nicht gut läuft, sehnt man sich nach Veränderung und freut sich über den Neuanfang. Läuft es hingegen gut, wünscht man sich Stabilität, das Festhalten am Bewährten. Diese Dynamik zeigt sich nicht nur in natürlichen Prozessen, wie dem Wandel des Weltalls, der irdischen Geologie oder den stetigen Erneuerungsprozessen von Organismen (ohne die sie absterben), sondern auch in Industrie, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

In unserer modernen Welt prägt auch der technologische Fortschritt den Wandel in rasantem Tempo. Künstliche Intelligenz, beispielsweise Large Language Models wie ChatGPT und andere KI-Anwendungen, haben tiefgreifende Veränderungsprozesse angestoßen. Diese Technologien revolutionieren unsere Art zu kommunizieren, Wissen zu verarbeiten und Prozesse zu gestalten. Sie ermöglichen es, große Datenmengen in Sekundenschnelle zu analysieren, kreative Ideen zu generieren und bieten innovative Ansätze für Herausforderungen und Probleme – auf Basis der Quelltexte, mit denen sie trainiert wurden. Sie generieren Kommunikation, die kaum von menschlicher zu unterscheiden ist, neigen dazu Vereinfachungen und Stereotype zu perpetuieren und immer echter aussehende deep fakes von Audio- und Bildmaterial verdeutlichen, dass sogar das zweifache Hinsehen manchmal nicht ausreicht. Reale Kommunikation von Angesicht zu Angesicht könnte eine noch größere Bedeutung erlangen als bisher (und uns während der Covid-19 Pandemie in allen Bereichen des Lebens vor Augen geführt wurde). In der Bildung ist das Erlernen von „lower-order thinking skills“, die häufig leicht von KI übernommen werden können, schwer vermittelbar – jedoch gehen wir vielfach davon aus, dass sie die notwendige Voraussetzung für das Erlernen von „higher-order thinking skills“ sind, deren Erlernen damit zu einer noch größeren Herausforderung wird.

Gesellschaftliche Akteur*innen stehen vor der kontinuierlichen Aufgabe, den Einsatz von KI und die Entwicklung von KI-bezogenen Kompetenten sinnvoll zu integrieren, denn KI wird nicht mehr verschwinden und vermutlich diejenigen bevorteilen, die mit ihr gut umgehen können. Aber die Verbesserung ihrer Leistung und der stark zunehmende Einsatz – vielfach ohne entsprechende Kenntlichmachung, wie aus Gesprächen immer wieder deutlich wird – sorgt bei mir auch immer wieder für das bedrückende Gefühl, dass wir zunehmend durch KI miteinander kommunizieren und die menschliche Kommunikation weniger wird. 

Jede meiner Nutzungen von ChatGPT und entsprechenden KI-Anwendungen stimmt mich daher nachdenklich. Ich merke die Power und Entwicklungsgeschwindigkeit dieser Systeme, habe das Gefühl den Überblick und irgendwie die Kontrolle zu verlieren und bin irgendwie überwältigt. Jede Nutzung verdeutlicht für mich das Ausmaß des revolutionären Wandels, in dem wir uns aktuell befinden. Und ja, er geht mit Chancen einher, aber ich merke auch, dass er mir gehörigen Respekt einflößt und mir viel abverlangt: Nämlich diesen Wandel nicht einfach geschehen zu lassen, sondern ihn (für mich) aktiv, vorausschauend und kreativ zu gestalten, um nicht überwältigt zu werden – und Menschen und reale Interaktion in den Vordergrund zu stellen.

Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung – eine empirische Untersuchung

Klimawandel, Artensterben, soziale Ungerechtigkeit – die ökologischen und gesellschaftlichen Krisen unserer Zeit fordern uns heraus. Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE) soll unter anderem dazu befähigen, nachhaltig(er) zu handeln und gesellschaftliche Transformationsprozesse aktiv mitzugestalten (siehe z.B. Beiträge von Claudia Gärtner und Katrin Bederna). Die vielversprechenden Konzepte und Lernsettings, die in Hinblick auf rBNE in der Religionspädagogik bereits entworfen wurden, wurden bisher jedoch noch nicht empirisch überprüft.

Im von der DFG geförderten Projekt „ReBinE – Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung. Empirische Erforschung ihrer Wirkung auf das geplante umweltbewusste Verhalten von Haupt- und Sekundarschüler*innen“, möchten wir als Forschungsgruppe diese Problematik aufgreifen und empirisch erforschen, ob eine politisch orientierte religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung zu umweltbewusstem geplanten Verhalten beiträgt. Die Zielgruppe dieser Forschung sind, nicht wie sonst eher üblich, Schüler*innen von Gymnasien, sondern Schüler*innen von Haupt-, und Sekundarschulen. Spannend ist diese Zielgruppe zum einen, weil sie theologisch und religionspädagogisch selten Teil von empirischen Forschungen sind und ihre Perspektiven damit deutlich weniger miteinbezogen werden. So freut es mich als Person, die Lehramt für Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen studiert hat besonders, dass wir vielfältige Perspektiven dieser in der Forschung oft vernachlässigten Gruppe einholen können. Die Lebensrealitäten der Schüler*innen von Haupt-, und Sekundarschulen im Vergleich zu Gymnasien unterscheiden sich beispielsweise häufig in Hinblick auf ökonomische und kulturelle Erfahrungen, aber auch hinsichtlich religiöser Erfahrungen, sodass hier Heterogenitätssensibilität gefragt ist. Zum anderen ist die Zielgruppe für unsere Forschung besonders interessant, weil sie statistisch eher ablehnende, unentschlossene oder auch skeptische Umwelteinstellungen besitzt. Das Projekt untersucht also, inwiefern diese Schüler*innen anhand der von uns entwickelten Lernsettings zu unweltbewussterem geplanten Verhalten befähigt werden.

Im Projekt gibt es zwei Teilprojekte für ein konstratives Sample, da zum einen schulisches religiöses Lernen in Religionsklassen der 9. Und 10. Klassen untersucht wird und zum anderen außerschulisches religiöses Lernen in sozialen Seminaren für bildungsbenachteiligte Schüler*innen, um einen Vergleich zu ermöglichen. Gerade bei unserer Zielgruppe könnte der Lernort eine Rolle spielen und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Diese Studie nutzt einen Mixed-Method-Ansatz, was bedeutet, dass sowohl quantitative als auch qualitative Methoden zum Einsatz kommen. Wir bearbeiten in diesem Projekt einige Forschungsfragen, zum Beispiel welche Wirkung heterogenitätssensible Lernsettings einer politisch orientierten religiösen BNE auf das geplante Umweltverhalten von Haupt- und Sekundar-SuS besitzen und inwiefern sich Unterschiede zwischen heterogenen Schüler*innen aufzeigen lassen. Und auch mögliche Unterschiede zwischen dem schulischen und dem außerschulischen Lernort sind für uns interessant. Die Ergebnisse der Studie sind außerdem wichtig um herauszufinden, inwiefern diese zu einer empirischen Fundierung einer politisch orientierten BNE und zu ihrer Weiterentwicklung führen können oder auch wie BNE weiter ausdifferenziert werden müsste.