Der Konsum von digitalen Medien ist so relevant wie noch nie. Oft ist dieses Thema sehr negativ konnotiert und es wird behauptet, dass Kinder und Jugendliche regelrecht an Bildschirmen „kleben“. Beispielsweise Videospiele bringen oft ein hohes Konfliktpotenzial in eine Familie (vgl. https://www.morgenpost.de/vermischtes/article239255651/Das-Kind-spielt-zu-viel-Fifa-Eltern-dann-spielt-doch-mit.html). Eine neue Studie aus Schweden zeigt, dass Computerspiele dennoch einen positiven Einfluss auf Kinder haben können, beispielsweise auf die Intelligenz und Kognition. Es wurden im Rahmen der Studie über 9000 Kinder zwischen 8 und 12 Jahren aus den USA beobachtet (vgl. https://www.nature.com/articles/s41598-022-11341-2).
Jessi Smoljaninow (Von Studierenden für Studierende)
Schon existierende Studien hatten andere Ergebnisse geliefert und gezeigt, dass Fernsehen und Computerspiele einen negativen Effekt auf die Schulleistung haben können. Eine Studie aus 2020 ergab, dass eine hohe Bildschirmzeit zu niedrigerer Lese- und Rechenkompetenz führen kann (vgl. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0237908&utm_source=ground.news&utm_medium=referral). Eine ältere Studie aus 2007 kam zu dem Ergebnis, dass mehrere Stunden fernsehen zu Aufmerksamkeitsproblemen und zu Lernschwierigkeiten führen kann (vgl. https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/570369).
Das Stigma, dass ein hoher Konsum von digitalen Medien schlecht wäre, ist durchaus verständlich. Dennoch weisen beide Studien darauf hin, dass es zu wenig Beweise dafür gibt, dass Schwierigkeiten in der Schule auf die hohe Bildschirmzeit zurückzuführen sind. Die Frage von der Bildschirmzeit ist also höchst komplex, da viele Faktoren hineinspielen, welche am Ende auch zu Problemen führen können. Mangelndes Durchhaltevermögen und Stress sind häufige Verursacher von problematischen Nutzungsverhalten (vgl. https://www.researchgate.net/publication/335374771_The_Association_Between_Internet_Gaming_Disorder_and_Impulsivity_A_Systematic_Review_of_Literature& https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0093650220939778).
Laut der neuen Studie aus Schweden konsumieren Kinder im Alter zwischen 8 und 12 Jahren im Durchschnitt bis zu 4 bis 6 Stunden digitale Medien am Tag (vgl. https://www.nature.com/articles/s41598-022-11341-2). Vergleicht man diese Daten beispielsweise mit den Medienregeln des deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes-Jungendalters (DZSKJ), sieht man, dass für diese Altersgruppe maximal eine Stunde Bildschirmzeit empfohlen wird (vgl. https://mediensuchthilfe.info/medienregeln/). Die neue Studie bringt deshalb neuen Wind in die Thematik und kann mit seinen Ergebnissen auch positive Seiten von erhöhtem Medienkonsum aufzeigen. Es wurden die Auswirkungen von drei Typen von Bildschirmzeit analysiert – Fernsehen, das Benutzen von sozialen Netzwerken und Videospiele spielen. Die Ergebnisse zeigen, dass der IQ sich beim regelmäßigen Konsum von Videospielen um 2,5 Punkte erhöhen und die allgemeine Konzentrationsfähigkeit verbessern kann. Der Konsum von sozialen Medien und Fernsehen zeigte dabei keine signifikanten Ergebnisse. Das Interessante an der Studie ist, dass genetische Veranlagungen und der sozioökonomische Status in Betracht gezogen worden sind. Man hat das Erbgut der Familie und sozioökonomische Faktoren wie Haushaltseinkommen und soziales Umfeld bei der Auswertung miteinbezogen (vgl. https://www.nature.com/articles/s41598-022-11341-2). Obwohl andere Studien einige Effekte berücksichtigen, haben nur sehr wenige den sozioökonomischen Status und keine die genetischen Effekte berücksichtigt. Dies ist wichtig, weil Intelligenz, Bildungsniveau und andere kognitive Fähigkeiten in hohem Maße vererbbar sind. Wenn diese genetischen Aspekte nicht berücksichtigt werden, verfälschen sie die potenziellen Auswirkungen der Bildschirmzeit auf die Intelligenz der Kinder. Kinder mit einer bestimmten genetischen Veranlagung könnten beispielsweise eher dazu neigen, fernzusehen und unabhängig davon Lernprobleme haben. Ihr genetischer Hintergrund könnte auch die Auswirkungen des Fernsehens im Laufe der Zeit verändern. Genetische Unterschiede sind bei vielen psychologischen und sozialen Phänomenen ein wichtiger Störfaktor (vgl. https://www.nature.com/articles/s41380-021-01027-y & https://www.nature.com/articles/s41539-020-00079-z ).
Die Widersprüche zwischen den Studien über Bildschirmzeit und Kognition sind wahrscheinlich auf die Beschränkungen von vorhandenen Querschnittsstudien, von relativ kleinen Stichprobengrößen und vor allem auf die fehlende Kontrolle genetischer Veranlagungen und des sozioökonomischen Umfelds zurückzuführen. Pauschal lässt sich also nicht behaupten, dass erhöhter Medienkonsum zu niedrigeren kognitiven Kompetenzen führt.
Auch wenn dies zunächst positiv klingen mag, ist ein gesundes Verhältnis zu digitalen Medien das wichtigste. Allein in Deutschland hat sich die Anzahl von medien- und videospielsüchtigen Kindern in den letzten Jahren verdoppelt, so eine Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und der Uniklinik Hamburg-Eppendorf (vgl. https://www.swr.de/wissen/medien-und-gamingsucht-bei-kindern-hat-stark-zugenommen-100.html).
Zusammenfassend ist das Thema Bildschirmzeit und Medienkonsum immer heiß diskutiert. Die Forschung in dem Bereich kommt bis dato zu keinem eindeutigen Schluss, da die Ergebnisse abhängig von mehreren Faktoren sind und diese deshalb schlecht zu verallgemeinern sind. Auch wenn erhöhter Medienkonsum ein zurecht sehr umstrittenes Thema ist, darf man nicht vergessen, dass dies die Realität der meisten Kindern und Jugendlichen zurzeit ist. Das ständige Ausgesetztsein zu Medien ist in der heutigen Zeit kaum wegzudenken. Trotzdem ist ein geregelter und balancierter Konsum von Medien wichtig. Es besteht immer das Risiko für ein problematisches Nutzungsverhalten, deshalb sollte man den Medienkonsum mit Kindern regelmäßig reflektieren, um möglichen Folgen entgegenzuwirken.