Die meisten Schulen in Deutschland beginnen um 8 Uhr, einige sogar noch früher. Für viele Kinder bedeutet dies: Früh aufstehen, frühstücken, sich anziehen und müde zur Schule zu gehen. Oft zieht sich die Müdigkeit durch den gesamten Schultag. Wäre es nicht besser, wenn die Schule erst um 9 Uhr beginnt? Oder vielleicht um 10 Uhr? Und wirkt sich ein späterer Schulbeginn positiv auf die Testergebnisse und Noten der Kinder aus?
Isabell Kupitz (Von Studierenden für Studierende)
Dem Gesetz zufolge steht einem späteren Schulanfang nichts im Wege, denn Schulen dürfen autonom über ihren frühmorgendlichen Beginn entscheiden (vgl. https://www.derstandard.de/story/2000138942493/spaeterer-schulstart-hat-das-grosse-gaehnen-bald-ein-ende). Festgelegt ist lediglich, dass der Unterricht zwischen sieben und 18 Uhr stattfinden muss, ab der neunten Klasse darf sogar bis 19 Uhr unterrichtet werden.
Die Wissenschaft scheint jedoch ratlos zu sein, denn weder die Ergebnisse einer Übersichtsarbeit aus 2017 (vgl.https://www.derstandard.de/story/2000138942493/spaeterer-schulstart-hat-das-grosse-gaehnen-bald-ein-ende), die bestehende Studien und damit Aussagen und Erfahrungen von über 300.000 Schüler:innen zu früherem und späterem Schulbeginn zusammengefasst hat, noch aktuelle Erhebungen (vgl. https://www.derstandard.de/story/2000138942493/spaeterer-schulstart-hat-das-grosse-gaehnen-bald-ein-ende), die den Zusammenhang des Schulbeginns mit Noten und Testergebnissen untersuchten, lieferten eindeutige Resultate. Laut dem Wissenschaftler Bernd Kerschner vom Department für Evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems sind die Ergebnisse zu widersprüchlich, um eine Antwort darauf zu geben, ob frühere oder spätere Schulzeiten relevante Auswirkungen auf Noten, Müdigkeit, Anwesenheit und seelische Gesundheit der Kinder haben. Es liegen Erhebungen vor, die einen späteren Schulstart befürworten, andere tun dies jedoch nicht (vgl. https://www.derstandard.de/story/2000138942493/spaeterer-schulstart-hat-das-grosse-gaehnen-bald-ein-ende).
Obwohl die Studienergebnisse nicht wirklich aussagekräftig waren, kann der Wissenschaftler Kerschner doch ein paar Gemeinsamkeiten aus ihnen entnehmen. Es wurde festgestellt, dass ein späterer Schulbeginn keine negativen Effekte nach sich zieht, da Schüler:innen keine schlechteren Noten bekommen, wenn die Schule später beginnt. Auch in allen Studien übereinstimmend war die Tatsache, dass die untersuchten Teenager bei späterem Schulbeginn auch länger zu schlafen scheinen.
Das Schulkollektiv Wien ist eine elternverwaltete Privatschule, dessen Unterricht um neun Uhr beginnt. Auf der Webseite heißt es: „Bei uns beginnt die Schule um 9 Uhr. Bis dahin wird gemütlich angekommen, geplaudert, es werden Freunde und Freundinnen begrüßt und dann geht es los“ (https://www.derstandard.de/story/2000138942493/spaeterer-schulstart-hat-das-grosse-gaehnen-bald-ein-ende). Direktorin Katharina Tschernitsch unterrichtet bereits seit 18 Jahren an der Schule und ist eine Befürworterin des späteren Unterrichtsbeginns. Sie sagt, dass die Kinder durch den späteren Start in den Tag fitter, konzentrierter, aufmerksamer und dadurch lernfähiger seien. Frühe und späte Lernzeiten hält sie für kontraproduktiv. „Um acht Uhr bleibt genauso wie um 17 Uhr viel weniger hängen“. Sie empfiehlt allen Schulen aus pädagogischer Sicht, eine Stunde später zu starten. Von einem Schulbeginn um zehn Uhr rät Tschernitsch jedoch ab. Häufig arbeiten Eltern schon um diese Uhrzeit. Wenn das Kind trotzdem früh aufstehen muss, da es in die Frühbetreuung geschickt wird, hätte der spätere Unterrichtsbeginn keine positiven Effekte.
Wann also der Unterricht beginnt, kann von jeder Schule selbst entschieden werden. Noch ist ein Schulbeginn um acht Uhr üblich. Doch die Stimmen für einen späteren Schulbeginn werden lauter. Vor ca. drei Monaten plädierte der Vorsitzende des Landesschülerrats Malte Kern dafür, dass die Schule morgens um 9 Uhr statt um 8 Uhr beginnt (vgl. https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Landesschuelerrat-will-spaeteren-Schulbeginn-um-9-Uhr,schulbeginn218.html ). Daraufhin teilte die Behörde mit, dass das niedersächsische Kultusministerium aus rechtlicher und pädagogischer Sicht keine Bedenken dagegen habe, dass die Schule morgens eine Stunde später beginnt. In England haben die Schulbehörden bereits eine einheitliche Regelung gefunden, denn die Schule beginnt dort um 9 Uhr. Möglicherweise dauert es in Deutschland auch nicht mehr lange und unsere Schulkinder können, wie in England, eine Stunde länger schlafen.