Mit Eintritt der UN-Behindertenrechtskonvention entwickelten alle Bundesländer unterschiedliche Maßnahmen, um einen inklusiven Bildungsweg zu ermöglichen. Auffallend sind dabei jedoch große Unterschiede im Vergleich der Bundesländer in Deutschland. So gibt es beispielsweise in Bayern „Schulen mit dem Profil Inklusion“, in Brandenburg „besondere Schulen für gemeinsames Lernen“ oder in Mecklenburg-Vorpommern „Schulen mit spezifischer Kompetenz“ (vgl. Werning, R. & Lichtblau, M. (2020). Schulische Inklusion in den Bundesländern. Bildungspolitische Entscheidungen und Quoten im Vergleich. In: Pädagogik, (4), 43–47. Serie »Bildungsrepublik Deutschland – föderaler Wildwuchs oder wünschenswerte Vielfalt?«, Folge 4.
Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zeigen sich demnach innerhalb Deutschlands? Ist die Chance auf inklusive Bildung wirklich wohnortbedingt?
Mareike Michel (Von Studierenden für Studierende)
Eine Gemeinsamkeit ist, dass in allen Bundesländern neben der Möglichkeit einer inklusiven Förderung an Regelschulen weiterhin das Angebot des Besuchs einer Förderschule besteht. In der Regel haben die Eltern der Schüler*innen das Wahlrecht, ob ihre Kinder eine Regelschule oder eine Förderschule besuchen sollen. Unterschiede zeigen sich aber vor allem im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen zur Umsetzung der inklusiven Schulbildung.
In Hamburg, Bremen und eingeschränkt in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland besteht ein Rechtsanspruch auf den Zugang zu einer Regelschule. In Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen besteht wiederum ein tendenzieller Vorrang einer gemeinsamen Beschulung aller Kinder, welcher aber von der personalen und sachlichen Ausstattung abhängt. Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt stellen Förderschulen und den inklusiven Unterricht an Regelschulen gleich und gewährleisten demnach keinen Vorrang für die inklusive Bildung (vgl. ebd., S.44).
Vor allem aber wird der Fokus auf inklusive Bildung in Bremen gesetzt. In Bremen gibt es Zentren für unterstützende Pädagogik an allen Schulen und zusätzlich regionale Beratungs- und Unterstützungszentren für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Im Gegensatz dazu zeigt sich vor allem in Bayern und Sachsen, dass Förderschulen weiterhin als notwendige Ergänzung zu der allgemeinen Schule gelten.
Besonders interessant ist die Spanne der Exklusionsquote im Vergleich der Bundesländer. Bremen (1,2%), Berlin (2,8%) und Schleswig-Holstein (2,1%) weisen die geringsten Exklusionsquoten auf, während diese in Sachsen (5,7%), Sachsen-Anhalt (5,9%) und Mecklenburg-Vorpommern (6,0%) am höchsten sind. Auffallend ist zudem, dass nur in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin mehr Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen als in Förderschulen unterrichtet werden (vgl. ebd., S.45). Des Weiteren kann ein Anstieg der Exklusionsquote zwischen 2000 und 2017 in Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg festgestellt werden. Nordrhein-Westfalen konnte die Exklusionsquote nicht verringern, ein Anstieg konnte jedoch auch nicht festgestellt werden. Eine deutliche Reduktion der Exklusionsquote zeigt sich demnach nur in folgenden Bundesländern: Bremen, Schleswig-Holstein, Berlin, Thüringen und mit Einschränkungen in Hamburg (vgl. ebd., S.46f.).
Die Ergebnisse verdeutlichen die großen Unterschiede der inklusiven Bildung innerhalb Deutschlands. Zudem zeigt sich, dass insbesondere in den Bundesländern, welche weiterhin an Förderschulen und somit an separativen Strukturen festhalten, die Exklusionsquote ansteigt und der Zugang zu einem inklusiven Bildungssystem nicht vollständig ermöglicht wird. Somit verdeutlicht sich, dass das gesetzlich garantierte Recht auf inklusive Bildung wohnortabhängig durchgesetzt und nicht einheitlich gewährleistet wird.