Die ‚Loverboy‘-Methode ist auch in Deutschland eine verbreitete Masche. Ein älterer Mann täuscht eine Beziehung vor, dass von ihm abhängig gemachte junge Mädchen prostituiert sich schlussendlich, um ihn finanziell zu unterstützen. Die Gefahr ist für Mädchen durchaus real.
Leonie Pötters (Von Studierende für Studierende)
Bei der Frage, welche die am stärksten zunehmende Nationalität in der Jungprostitution in Deutschland ist, denken die meisten vermutlich an Länder aus Osteuropa, wie zum Beispiel Rumänien, Bulgarien oder Tschechien. Doch das ist weit gefehlt! Die meisten jungen Mädchen, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden, stammen aus Deutschland. Jungprostitution betrifft Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahre. Schätzungen zufolge sind in Deutschland 400.000 – 1.200.000 Frauen und Mädchen in der Prostitution tätig, genaue Zahlen gibt es nicht. Die meisten Täter werden nicht angezeigt. (https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/571c634ce60ff702826cd18799cadd7b186819/broschuere_weltkongress_20seiten_iban_geaendert.pdf).
Begründet sind diese Fälle oft in der sogenannten ‚Loverboy‘-Methode. Der Begriff ‚Love‘ ist dabei mehr als irreführend. Die deutlich älteren ‚Loverboys‘ sind meistens gutaussehend und zwischen 18 und 30 Jahre alt, die jungen Mädchen lernen sie zum Beispiel im Internet über Plattformen wie Facebook oder Instagram, auf Partys, aber auch in der Schule kennen. Die Mädchen werden oft gezielt ausgesucht. Es handelt sich um junge Mädchen, die grade in einer schwierigen Lebenslage sind, sich unwohl mit ihrem Körper und ihrem Aussehen fühlen oder sich in ihrem sozialen Umfeld unbeliebt fühlen. Die ‚Loverboys‘ nutzen gerade dies aus, um die Mädchen strategisch zu manipulieren. Mit Zuneigung, Schmeicheleien, großzügigen Geschenken und dem Vorgeben von Liebe verfallen die Mädchen häufig dem Charme. Gleichzeitig isolieren die Täter die Mädchen aus dem bekannten sozialen Umfeld und machen diese so von ihnen abhängig. Wenn sie die Mädchen an sich gebunden haben, erzählen sie ihnen zum Beispiel von Schulden oder kranke Familienmitglieder und bitten sie, ihnen durch Sex gegen Geld mit anderen Männern zu helfen. Oft werden auch bei den Sexualkontakten Videos gedreht und die Mädchen so später unter Druck gesetzt. Es folgen Erpressungen, psychische und körperliche Gewalt und teilweise der Einsatz von Drogen. Aus Angst und Scham wird oft keine Anzeige erstattet (https://www.zeit.de/news/2019-07/05/forderung-nach-aufklaerung-in-schulen-ueber-loverboy-methode-190705-99-933500).
Die Rede der betroffenen Sandra Norak beim 3. Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen von Cap International bietet einen guten Überblick über den möglichen Ablauf (https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/571c634ce60ff702826cd18799cadd7b186819/sandra_norak.pdf).
Das Bundeskriminalamt (BKA) geht in seiner Auswertung von 2017 davon aus, dass bundesweit die ‚Loverboy‘-Masche bei mehr als einem Viertel der Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung angewendet wurde. Die Dunkelziffer kann deutlich darüber liegen und die Zahlen steigen an (https://www.bka.de/DE/IhreSicherheit/RichtigesVerhalten/VerdachtDesMenschenhandels/verdachtDesMenschenhandels_node.html).
Expertin Kerstin Schmitt vom Verein „Windrose e.V.“ aus Düsseldorf warnt deshalb immer stärker: „Betroffen sind Mädchen aus ganz normalen Familien und allen sozialen Schichten. Fast an jeder weiterführenden Schule gleich welcher Schulform gibt es Fälle.“ Es ist somit sehr überraschend, wie wenig die ‚Loverboy‘-Thematik bei Schüler*innen, Eltern sowie Lehrer*innen bekannt ist. In der Schule wird selten darüber geredet. Auch wenn seit ein paar Jahren verstärkt über diese Thematik in den Medien berichtet wird, geht von den ‚Loverboys‘ nach wie vor eine große Gefahr aus. Daher erscheint es äußerst wichtig sich dieser Thematik bewusst zu sein und auf Anzeichen entsprechend reagieren zu können (https://www.zeit.de/news/2019-07/05/forderung-nach-aufklaerung-in-schulen-ueber-loverboy-methode-190705-99-933500?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F).
Verschiedene Organisationen und Initiativen leisten Aufklärungsarbeit und bieten Workshops und Material für Lehrer*innen sowie Schulen an. Weitere Beispiele findet Ihr unter: Liebe ohne Zwang, ein Projekt vom Netzwerk gegen Menschenhandel e.V. (https://liebe-ohne-zwang.de) BKA, Sag Nein! Loverboys – Wenn aus Liebe Prostitution wird (https://www.youtube.com/watch?v=P75SwvN5TWU)