Wie eine Pandemie die Gesellschaft isoliert

Seit Beginn des Jahres 2020 dominiert ein Virus Namens Covid 19 die Gedankenwelt und Aktivitäten der Gesellschaft. Soziale Verarmung ist ein Resultat dieser Pandemie. Die aktuellen Einschränkungen bedeuten eine neuartige Stresserfahrung für unser „normales“ Leben. Die Frage, die daraus resultiert, ist aber doch folgende: „Wie nah kommt die von uns aktuell gemachte Erfahrung den langjährigen Erlebnissen unserer Mitmenschen mit Behinderungen und wie kommen sie mit der momentanen Situation der Isolation zurecht?“

Pia Lübbert (Von Studierenden für Studierende)

Knapp 13 Millionen Menschen mit einer Beeinträchtigung leben laut dem aktuellen Teilhabebericht der Bundesregierung in Deutschland. Doch während für Altenheime, Schulen und Gastronomie Konzepte entwickelt wurden, blieben diese Menschen sich selbst überlassen und wurden in Bezug auf Bewältigungsstrategien durch beispielsweise virtuelle Kommunikationstechnologien der Regierung nicht mit einbezogen (https://www.sueddeutsche.de/politik/gesundheitspolitik-coronavirus-menschen-mit-behinderung-1.4860711).

Der Newsletter zu inklusiver Bildung in Deutschland mittendrin e.V. macht in seiner Märzausgabe 2020 deutlich, wie anonym die Menschen mit Behinderung in der Mitte unserer Gesellschaft leben. Dabei spielt Ignoranz ein großes Thema, vor allem in der Informationsvermittlung. Wie begegnet die Regierung den Sorgen gehörloser Mitmenschen? Diverse Talkshows, Nachrichtensender und Regierungsansprachen finden hauptsächlich ohne Gebärdensprachdolmetscher*innen oder ohne Untertiteln statt ( https://www.inklusions-pegel.de/maerz_2020).

Doch nicht nur die Informationsvermittlung allein ist Grund für die Isolation hilfebedürftiger Menschen, viele Kriterien haben diese Situation herbeigeführt. Vor allem der Personalmangel, sowohl an Pflegekräften als auch Eingliederungshilfen machen deutlich, wie belastend die Situation in dieser Pandemie ist. Vor allem für Menschen mit Behinderungen kann die neue Situation sehr angsteinflößend sein, denn Sicherheit bekommen sie meist durch einen geregelten Tagesablauf, durch einen Rhythmus und Struktur. Das alles fällt zurzeit weg und führt zudem zu hohen zusätzlichen psychischen Belastungen, denn nicht wenige dieser Menschen gehören selbst zur Risikogruppe. Eine Umarmung, der Austausch mit der Familie, ein Besuch bei Kaffee und Kuchen wäre für viele Menschen in Einrichtungen wie die Wohnhäuser der Kieler Stiftung Drachensee eine große Stütze bei der Bewältigung des Alltags. Doch diese Belastung tragen die Bewohner*innen dieser Einrichtung nicht allein, die Geschäftsführerin Alexandra Arnold berichtet von der Hilflosigkeit auf beiden Seiten. Die natürliche Anspannung der Bewohner*innen trifft auf die Bemühungen der Mitarbeiter*innen, welche immer wieder aufs Neue die Situation erklären müssen und versuchen Hoffnung auf baldige Besserung zu geben (https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/Corona-Krise-Die-Isolation-in-Behinderteneinrichtungen,behinderteneinrichtung100.html).

Um also meine Frage wieder aufzugreifen, wie nah unsere aktuell gemachte Erfahrung den langjährigen Erfahrungen von hilfebedürftigen Menschen kommt, so würde ich sie, vor allem in Bezug auf Hilflosigkeit und Perspektivlosigkeit, als sehr nah dran einstufen. Menschen mit Behinderungen sind auf ihr Umfeld und auf Hilfe anderer angewiesen. Sie sind es gewohnt, dass andere Personen, Familienmitglieder oder Pflegekräfte Entscheidungen zu ihrem Wohl treffen. Unser „normales“ Leben ist in der jetzigen Zeit ebenso fremdgesteuert. Wenn die Regierung sagt: „Maskenpflicht“, dann setzen wir eine Maske auf. Wenn die Regierung sagt: „Ausgangssperre“, dann versucht die Mehrheit der Menschen sich daran zu halten. Natürlich kann diesbezüglich nicht für alle Menschen gesprochen werden und dennoch kommen die Zustände des Abhängigkeitsgefühls den Umständen eines behinderten Menschen in einigen Punkten sehr nah.

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