Deutsche Orte schließen Mitmenschen von der Gesellschaft aus

In Deutschland fehlt es vielerorts an Barrierefreiheit. Beispielsweise mangelt es an Blindenmarkierungen oder regelmäßigen verständlichen Durchsagen an Bahnhöfen, die für Blinde und Sehbehinderte zum barrierefreien Pendeln nötig sind.

Laura Gelhaar ist eine junge Aktivistin, die ständige Ausgrenzung erfährt. Bedingt durch eine Muskelerkrankung sitzt sie im Rollstuhl. In einem Interview in der Zeitschrift „das magazin“ vom 28. April 2020 berichtet sie in einem Artikel namens „Die Orte entscheiden, ob ich sie besuchen darf oder nicht“ ihre Sicht auf die fehlende Inklusion und weshalb Orte dabei eine ganz bestimmte Rolle spielen.

Lisa Sander (Von Studierenden für Studierende)

Laura erzählt von persönlichen Vorfällen, bei denen sie sich ausgeschlossen und unterdrückt fühlte. Bei einem Onlinekartenverkauf für ein Konzert suchte sie sehr lange nach der Option, einen Rollstuhlplatz zu buchen, bis sie nach einiger Zeit auf den Hinweis traf, dass Rollstuhlplätze nur telefonisch zu buchen sind. Jedoch sei dieses Telefonat nicht gebührenfrei und die Information war erst in einem langen Fließtext weit unten von den Buchungsfeldern zu finden.

Sie macht vor allem die deutschen „Orte“ dafür verantwortlich, dass sich Menschen täglich ausgeschlossen fühlen müssen. Wären die Orte, also Konzertsäle, Sehenswürdigkeiten und andere barrierefrei und beispielsweise mit Behindertentoiletten ausgebaut, dann wäre das Leben derzeit Benachteiligter deutlich erleichtert und Teilhabe ermöglicht. Im Gegensatz zu den Erfahrungen, die Gelhaar in den USA sammelte, seien die Besuche deutscher „Orte“ mit Aufwand verbunden, da im Vorfeld die Beschaffenheiten des Ortes geprüft werden müsse, um zu schauen, ob er besucht werden darf oder kann.

Zudem erleidet sie psychischen Druck durch das, was Gelhaar als „deutsche Dankbarkeitserziehung“ bezeichnet. Häufig sei zu bemerken, dass Mitmenschen auf Kritik über mangelnde Barrierefreiheit mit einem Kommentar reagieren, dass die betroffene Person dankbar sein müsse, diese anderen Orte überhaupt aufsuchen zu können. Als Beispiel nennt besagte Aktivistin in ihren Ausführungen: „Aber Laura, sei doch froh, dass du wenigstens das Cinestar besuchen kannst.“ Sie fühlt sich auf Dauer durch solche Aussagen unterdrückt und in ihrem Selbstbewusstsein eingeschränkt.

Gelhaar bemerkt ferner, dass es ihr im Alltag an Teilhabe und Einbezug fehle. Es zeigt sich also ein erheblicher Mangel an Inklusion. Abschließend deutet sie an, dass sich in den vergangenen Jahren zwar einiges getan habe: Es werde zwar mehr über Inklusion gesprochen; jedoch sollte diese Diskussion nicht nur in den Köpfen, sondern vielmehr auch in der Umsetzung konkreter Tätigkeiten stattfinden (vgl. das magazin (2020): Vertrauenssache, Nr. 4, S. 8).

Umsetzungsprojekte dieser Art werden beispielsweise durch die „Bundesfachstelle Barrierefreiheit“ unterstützt. Diese schreibt jährlich den Bundesteilhabepreis im Rahmen der „Initiative Sozialraum Inklusiv“ (ISI) aus. In diesem Jahr ist das Motto und somit die Rahmenbedingung von der ak-tuellen gesellschaftlichen Lage geprägt: „Perspektive auch in Corona-Zeiten: Barrierefrei reisen in Deutschland“. 17.500 Euro werden an die drei besten Praxis-Beispiele und Modellprojekte vergeben, die vorbildlich für einen inklusiven Sozialraum sorgen und bundesweit auf Kommunen oder Regionen übertragbar sind. Hierbei ist mehr Teilhabe für alle das Ziel, welches den Anspruch hat Reisen, Freizeit und Erholung für alle Menschen gleichberechtigt und ohne Hindernisse sowie Barrieren zu ermöglichen. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf denen durch COVID-19-bedingten Einschränkungen liegen (vgl. Bundesfachstelle Barrierefreiheit, https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/bundesteilhabepreis-2020-startet.html;jsessionid=BF1482F49ADD23F58F078F079011928B ). Diese Aktion sorgt unter anderem für die motivierende Anregung sowie Durchsetzung von inklusiven Projekten, die unsere Gesellschaft weiterbringen. Auch wenn eine preisgekrönte Unterstützung durch Bundesfachstellen sicherlich hauptsächlich eine symbolisch-honorierende Wertschätzung ist, so scheint der Wille zum Umdenken doch gewollt und angestrebt zu werden. Doch wird genug getan? Beispiele und Schick-sale, wie das von Laura Gelhaar sagen deutlich: Nein!

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