So lautete eines der Plakate mit denen am Bildungsprotesttag, am 23.09.2023, unter der Kampagne „Bildungswende JETZT“, auf die Straße gegangen wurde. 16 Bundesländer, wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen, 29 Städte und laut den Veranstaltern rund 25.000 Menschen nahmen an der Aktion unter den Hashtags #Bildungswende #Bildungsprotest2023 in sozialen Medien teil. Unter ihnen Lehrkräfte, Erzieher:innen, Schüler:innen, Eltern, Studierende und Wissenschaftler:innen, welche von zahlreichen Gewerkschaften, Bildungsorganisationen und -initiativen unterstützt wurden (vgl. http://bildungswende-jetzt.de). Doch was genau fordern Sie?
Anna Karrasch (Von Studierenden für Studierende)
In einem Brief, der sich an Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundesregierung, die Regierungschef:innen der Länder und die Kultusministerkonferenz wendet, erklären Menschen ihre Forderungen. „Unsere Gesellschaft erlebt aktuell eine der schwersten Bildungskrisen seit Gründung der Bundesrepublik“ (http://bildungswende-jetzt.de), heißt es in dem Schreiben. Es werden verschiedene Gründe genannt, darunter wird unteranderem über den immer größer werdenden Mangel an Lehrkräften und Erzieher:innen gesprochen, der auf ein veraltetes, unterfinanziertes und sozial ungerechtes Bildungssystem treffe. Bis 2035 werde es uns an Schulen an knapp 160.000 Lehrer:innen fehlen. Die dadurch entstehende Überlastung der Schulen und Kitas wirke sich auf die Gesundheit der Lehrer:innen und Erzieher:innen aus und der Bildungsauftrag könne nicht mehr erfüllt werden. „Knapp 50.000 Menschen verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss“ und die aufgrund des Lehrkräftemangels entstehenden schlechten Lernbedingungen würden zu immer schlechteren Leistungen der Schüler:innen im Lesen, Schreiben und Rechnen führen, das zeige auch der jüngste IQB-Bildungstrend (https://www.iqb.hu-berlin.de/bt). Dadurch, dass eine extrem ungleiche Verteilung der Bildungschancen vorliege, bestehe immer noch eine maßgebliche Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft, was wiederum die Spaltung unserer Gesellschaft verfestige und das Vertrauen in die Demokratie weiter verletze.
Dazu komme dann auch noch die Klimakrise. Auch hier sei das Bildungssystem veraltet, denn es fehle an der Anpassung an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, wo man Schüler:innen sinnvoll auf ihre Zukunft vorbereiten und bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen müsse, wofür aber unter den aktuellen Bedingungen in Kitas und Schulen nicht genügend Zeit vorhanden sei.
Die Kampagne „Bildungswende Jetzt“ fordert „eine echte Bildungswende, statt weiter Löcher zu stopfen“, denn trotz zahlreicher Mahnungen und Interventionen von Seiten der Zivilgesellschaft, sei nichts am Bildungssystem verändert worden. Bildungsziele, die gesetzt wurden, seien nicht eingehalten worden, wie zum Beispiel der Beschluss der Bundesregierung auf dem Dresdener Bildungsgipfel im Jahre 2008, wo beschlossen wurde, dass 10% des Bruttoinlandprodukts für Bildung und Forschung ausgegeben werden soll. In dieser langen Zeit sei das Ziel aber wieder in Vergessenheit geraten. Außerdem kämen auch auf dem Bildungsgipfel nie die Leute zu Wort, die es betreffe, nämlich Lehrkräfte und Erzieher:innen, die in den Schulen und Kitas arbeiten. „Wer die Bildungskrise lösen will, muss Druck aus dem überlasteten System nehmen und die Leute beteiligen, die täglich direkt mit Kita und Schule in Berührung sind“ (http://bildungswende-jetzt.de), lautet ein Appell. Die Forderungen der Bewegung wurden in vier Punkte zusammengefasst (http://bildungswende-jetzt.de):
- Sondervermögen Bildung und ausreichende Finanzierung
- ein Sondervermögen Bildung in Höhe von mindestens 100 Mrd. € für die notwendigen Investitionen in Kita und Schule
- mindestens 10% des BIP jährlich für Bildung und Forschung, wie es beim Dresdener Bildungsgipfel 2008 vereinbart wurde
- Ausbildungsoffensive für Lehrer:innen und Erzieher:innen
- einen Staatsvertrag Lehrkräftebildung, der alle Bundesländer dazu verpflichtet, genügend Lehrkräfte auszubilden und die Studienabschlüsse gegenseitig anzuerkennen
- die Überarbeitung und engere Verzahnung des Lehramtsstudiums mit der Praxis und neue Wege ins Lehramt
- einen Plan, wie die Ausbildung von ausreichend und gut qualifizierten Erzieher:innen bei attraktiven Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sichergestellt werden kann, und dessen Umsetzung
- Schule zukunftsfähig und inklusiv machen
- Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wirkungsvoll als verbindlichen Lerninhalt zu verankern, damit sich Schüler:innen auf die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereiten können
- Lehrpläne und Lerninhalte schüler:innenorientiert und diskriminierungskritisch zu überarbeiten, um Freiräume für die intellektuelle, emotionale und soziale Entwicklung der Schüler:innen zu schaffen und die Bildungsqualität zu erhöhen
- alternative Leistungsbewertungen zu ermöglichen statt zu viele Vergleichsarbeiten durchzuführen
- Schulentwicklung gemeinsam zu gestalten, auf Nachhaltigkeit auszurichten und durch passende Aus- und Weiterbildung zu unterstützen
- Multiprofessionelle Teams als festen Bestandteil in allen Schulen zu verankern und zu finanzieren
- Echter Bildungsgipfel auf Augenhöhe
- Einem vom Bundeskanzler in Absprache mit den Regierungschef:innen der Länder einberufenen Bildungsgipfel, um gemeinsam mit Vertreter:innen aus Zivilgesellschaft und Bildungspraxis über Auswege aus der Bildungskrise und den Aufbau eines gerechten, inklusiven und zukunftsfähigen Bildungssystems zu diskutieren
Die Petition wurde mittlerweile von 105.000 Menschen unterzeichnet und die Zahl steigt (vgl. https://www.change.org/p/bildungswende-jetzt-4-forderungen-für-ein-zukunftsfähiges-bildungssystem-bundeskanzler). Es brauche einen langen Atem, da der Weg zur Umsetzung der Forderungen noch weit sein werde, denn der Fokus liege nicht auf Bildung, mahnt Klaus Hammer von der Bildungsgewerkschaft GEW (vgl. https://www.lehrer-news.de/blog-posts/bildungsprotest-2023-tausende-gehen-fur-bildungswende-auf-die-strasse).