Körperliche und sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist eine Form von Gewalt, die schnell in unseren Köpfen auftaucht, wenn wir an Gewalt denken. Das häufige Auftreten von blauen Flecken macht Erzieher:innen, Lehrer:innen, etc. schnell nachdenklich. Emotionale Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist schwieriger zu erkennen, aber darf nicht vernachlässigt werden, da sie laut Studien die häufigste Form von Gewalt ist und die gleichen Folgeschäden mit sich bringt, wie körperliche und sexuelle Gewalt. Deshalb fordert die parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ), Ekin Deligöz, dass emotionale Misshandlung mehr in den Fokus der Kinderschutzarbeit gerückt werden muss (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/136883/Emotionale-Misshandlung-mehr-in-den-Fokus-des-Kinderschutzes-holen).
Rebecca Nehring (Von Studierende für Studierende)
Laut Jörg M. Fegert, dem Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm sind Fragen nach emotionaler Gewalt die seltensten Anrufe bei der Medizinischen Kinderschutzhotline. Emotionale Gewalt sei die schädlichste Form von Misshandlung, da sie die Entwicklung betroffener Kinder massiv gefährde. Mögliche Folgen (auch in Kombination mit sexueller oder körperlicher Gewalt) sind Depressionen, Essstörungen, Suizidversuche sowie Folgen für die körperliche Gesundheit (Diabetes, Herzinfarkte, Schlaganfälle). Ebenso können Bindungsprobleme auftreten, da gerade die ersten Lebensjahre eines Kindes für das Bindungsverhalten entscheidend sind.
Definiert wird emotionale Gewalt als ein sich wiederholendes Verhaltensmuster einer Bezugsperson, die die psychischen Grundbedürfnisse eines Kindes nicht erfüllt oder ihnen schadet. Es lässt sich festhalten, dass feindselige Ablehnungen oder Terrorisierung durch (Gewalt-)Androhungen sowie Ausbeutung, Ignorieren und Isolieren und gesundheitliche Vernachlässigung zu den wesentlichen Verhaltensmustern emotionaler Gewalt zählt. Heinz Kindler vom Deutschen Jugendinstitut berichtet, dass die Jugendämter pro Jahr rund 190.000 Gefährdungsmitteilungen bearbeiten – bei rund 33% dieser Fälle ist emotionale Gewalt der Hauptgrund.
Problematisch ist, dass weder die betroffenen Kinder und Jugendliche noch die Erwachsenen von der emotionalen Gewalt berichten; auch aus Angst, dass das Kind aus der Familie genommen werden könnte.
Beziehungsförderung und Reflexionshilfen mit der Bezugsperson können das Familienleben positiv beeinflussen (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/136883/Emotionale-Misshandlung-mehr-in-den-Fokus-des-Kinderschutzes-holen) und bilden hier eine wesentliche Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe.
Stefan Heilmann, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellt fest, dass auch juristischer Perspektive emotionale Gewalt ein noch eher vernachlässigtes Thema in der familiengerichtlichen Praxis ist. Wichtig ist hier die Belegbarkeit aus medizinischer Sicht.
Damit stellt sich für alle Personen die Aufgabe, die psychische Dimension von Kindern und Jugendlichen in der Begleitung ihrer Entwicklung mehr in den Blick zu nehmen.