Die Angst, etwas zu verpassen. Schon vor Corona für Menschen mit Behinderung ein ständiger Begleiter

Zuhause bleiben, keine Kontakte, keine Erlebnisse, nichts zu erzählen. Während der Corona-Pandemie haben viele Menschen eine neue Situation erlebt, welche für Menschen mit Behinderung keine Neuheit ist. „Fear Of Missing Out“ (kurz FOMO), die Angst, etwas zu verpassen. Das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Schon vor der Pandemie waren Menschen mit Behinderung oft eingeschränkt und konnten nicht das tun, was sie wollten. Bei praktisch allen Aktivitäten außerhalb ihrer Komfortzone trafen sie stets auf Barrieren. Doch fallen diese Hindernisse weg, wenn die Regierung anordnet, zuhause zu bleiben? Kommen Menschen mit Behinderung in Zeiten von Corona besser zurecht?

Darüber haben Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen im Podcast „Die Neue Norm“ vom Bayrischen Rundfunk gesprochen. Die ganze Folge könnt Ihr hier nachhören (https://open.spotify.com/episode/6a4je924tsYuHjDL0A3pah?si=2VhVvM1tSyidops-Q9_9vg&dl_branch=1) oder hier nachlesen (https://dieneuenorm.de/transkript/fomo-die-angst-etwas-zu-verpassen-transkript/).

Leonard Förster (Von Studierenden für Studierende)

Wenn man will, aber nicht kann. Dieser Satz beschreibt den Zustand, in dem sich viele Menschen seit März 2020 befinden, ziemlich zutreffend. „Wahrscheinlich ist es jetzt das erste Mal so, dass Menschen ohne Behinderung erleben, wie es ist, wenn man eingeschränkt ist“, so der Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit Raúl Krauthausen. Für ihn und viele weitere Menschen mit Behinderung war dies schon lange alltäglich. Krauthausen, welcher selbst aufgrund von Osteogenesis imperfecta (umgangssprachlich „Glasknochenkrankheit“) auf den Rollstuhl angewiesen ist, musste zu oft auf Aktivitäten verzichten, weil z.B. Kinos und Theater nicht barrierefrei ausgebaut waren oder schlicht und ergreifend kein geeignetes WC in der Nähe war. Schon in seiner Kindheit hatte er häufig das Gefühl, etwas zu verpassen, wie z.B. der Kindergeburtstag, zu dem er nicht eingeladen wurde, weil andere Personen entschieden hatten, dass ihn der Wandertag oder die Kuschelparty wohl überfordern würde und er sowieso keinen Spaß haben würde.

In Zeiten von Lockdown und Homeoffice scheinen solche Barrieren in den Hintergrund gerückt zu sein. Der aufwendige Weg zur Arbeit oder der kaputte Aufzug fallen weg, wenn man ausschließlich in der eigenen Wohnung lebt und arbeitet. Dadurch fällt besonders für Menschen mit körperlicher Behinderung viel Stress weg und sie können im eigenen Tempo und angepasst an die eigenen Bedürfnisse arbeiten. Auch ist der Zugang zu Kultur teilweise erleichtert worden, da Schauspielende und Musiker*innen vermehrt im Internet präsent sind und Streams nun mal gerade für Menschen mit körperlicher Behinderung leichter zu erreichen sind als die echten Säle. Personen mit einer Sehbehinderung haben z.B. allerdings noch häufig Probleme beim Umgang mit diesen Medien, weil kaum eine Website für ihre Ansprüche optimiert wurde und auch nur die wenigsten Streams Untertitel anbieten, sodass auch Gehörlose teilhaben könnten. Diese haben auch mit der Kommunikation über Videokonferenzen vermehrt Probleme, da die Ausübung von Gebärdensprache bei schlechter Bildqualität wesentlich schwieriger ist, als bei einem echten Aufeinandertreffen. Doch es wird vermehrt an Lösungen gearbeitet, wie z.B. Software zur automatischen Erstellung von Untertiteln für Videos, Streams und Videokonferenzen.

Es ist noch ein weiter Weg, die neuen Barrieren des digitalen Zeitalters zu überwinden, doch man merkt, dass sich rechtlich und auch realistisch etwas tut. Mehr dazu in der Podcastfolge V!

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