Wie fühlt sich Armut an?

Dieses Gefühl beschreibt der 20-jährige Jeremias Thiel in seinem Buch „KEIN Pausenbrot, KEINE Kindheit, KEINE Chance“, das am 16. März 2020 veröffentlicht wurde. Er legt dar, wie es ist, als Kind in sozial schwachen Verhältnissen zu leben und klärt auf, welchen Einfluss Armut auf Kinder haben kann und welche Faktoren nötig sind, um die Situation zu verbessern. Zudem macht er darauf aufmerksam, wie man allen Kindern eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen könnte und wie wichtig es für die Erhaltung einer funktionierenden Demokratie ist, die Armutsspirale endgültig zu durchbrechen.

Dieses Buch stellt eine Pflichtlektüre für jede angehende Lehrkraft dar, weil Kinderarmut immer noch ein aktuelles Problem ist und einen bedeutenden Einfluss auf den Lebens- und Bildungsweg vieler junger Menschen hat. Man bekommt in diesem Buch eine ausführliche und sehr beeindruckende Einsicht davon, was es konkret bedeutet, in Armut aufzuwachsen.

Friederike Baumann (Von Studierenden für Studierende)

Unter Kinderarmut leiden in Deutschland sechs Millionen Kinder, trotz dessen wird das Thema in der Öffentlichkeit zumeist eher übersehen und in der Politik sowie Gesellschaft nicht ausreichend diskutiert. Jeremias Thiel setzt sich dafür ein, dass dieser Zustand geändert wird und teilt mit diesem Buch seine Geschichte mit vielen Leser*innen (vgl. https://www.deutschlandfunkkultur.de/jeremias-thiel-kein-pausenbrot-keine-kindheit-keine-chance.1270.de.html?dram:article_id=473786). Gleichzeitig beschreibt er anhand von Studienergebnissen, wie gefährlich Armut für Kinder sein kann und wie die Politik handeln müsse, um die Probleme zu beheben.

Das Leben von Jeremias teilt sich in zwei Welten: Weil er es in seiner Familie nicht länger aushielt und absolut hilflos und überfordert mit der familiären Situation war, fasste Jeremias Thiel mit elf Jahren den Entschluss, mit seinem Zwillingsbruder zum Jugendamt zu gehen. Aus Angst, der durch Struktur- und Orientierungslosigkeit geprägten Kindheit nie zu entkommen, und in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Durch diese Entscheidung, sein Elternhaus zu verlassen und zum Jugendamt zu flüchten, wurde er zunächst in einem Heim und daran anschließend in einem SOS-Kinderdorf aufgenommen und konnte von nun an dort betreut werden, was zunächst sehr ungewohnt und fremd für ihn erschien, da er es nicht gewohnt war, liebevoll behandelt zu werden, einen geregelten und ruhigen Tagesablauf, saubere Kleidung sowie ein eigenes Zimmer zur Verfügung zu haben.

Vor seinem beschriebenen ,,Verrat an den Eltern’’ (https://www.deutschlandfunkkultur.de/jeremias-thiel-kein-pausenbrot-keine-kindheit-keine-chance.1270.de.html?dram:article_id=473786) war sein Leben von vielen unschönen Dingen und Erlebnissen geprägt und er durfte nur selten sorgenfreie Momente in seiner Kindheit erleben. Beide Elternteile waren psychisch erkrankt, langzeitarbeitslos und lebten von Hartz IV. Darüber hinaus waren sie mehr als überfordert damit, sich um ihre beiden Söhne zu kümmern und ihren Alltag zu organisieren. Daher musste Jeremias schon früh Aufgaben und Pflichten übernehmen, die für Kinder unangemessen sind. Darunter fiel unter anderem, die Familie morgens zu wecken, sich und seinen Bruder für die Schule fertig zu machen, Essen zu machen, Geld von dem Bankautomaten abzuholen, Erledigungen zu tätigen oder Anträge für seine Eltern auszufüllen. Kurzum, hatte er folglich die komplette Verantwortung für seine Familie übernommen.

Fazit: Zusammenfassend ist zu sagen, dass mich das Buch von Jeremias Thiel und seine darin beschriebene Geschichte sehr ergriffen hat. Er bringt mit seinen geschilderten Erlebnissen nahe, wie schwer es ist, in einer von Struktur- und Perspektivlosigkeit beherrschten Welt aufzuwachsen und Eltern zu haben, die einen nicht ausreichend unterstützen können. Es hat mich bewegt zu sehen, wie ein Kind eine so altersuntypische Entscheidung fällen konnte und seine Familie freiwillig verließ. Umso mehr begeisterte es mich zu sehen, dass er es aus der Perspektivlosigkeit herausgeschafft hat. Durch seine mutige Entscheidung, sein altes Leben den Rücken zu kehren, konnte er sich mit der Hilfe von Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen und SOS-Kinderdorf-Betreuer*innen ein neues Leben aufbauen. Später legte er als Stipendiat ein Internationales Abitur an dem United World College in Freiburg ab. Seitdem studiert er Politik- und Umweltwissenschaften an einer renommierten Universität in Minnesota, Amerika. Durch viele positive, erwachsene Vorbilder auf seinem Lebensweg konnte er es schaffen, dem Weg der Armut und Aussichtslosigkeit zu entkommen und sich ein sicheres und glückliches Leben aufzubauen. Aus diesem Grund spricht Jeremias Thiel heute von der Überzeugung, wie wichtig es ist, dass Bezugspersonen an das Potenzial von Kindern glauben, ganz gleich welcher soziale Hintergrund vorhanden ist.

Die Lage aller Kinder ernst zu nehmen, sie stets aufmerksam zu beobachten und mit ihnen im Austausch zu stehen, nur auf diese Weise können frühe Anzeichen von emotionalem sowie körperlichem Missbrauch oder Verwahrlosung festgestellt und zeitnah gehandelt werden, unter Abwägung möglicher Konsequenzen von einer Inobhutnahme. Schlussendlich sind eine ausreichende Bildung und Förderung für jedes Kind wichtig, daher darf der soziale Status der Familie nicht mehr darüber bestimmen, wie weit man in der Schule und im weiteren Leben kommt. Der Wert aller Kinder und Jugendlichen sollte gesehen werden, denn erst dann können sie selbst ihr volles Potenzial erkennen und zukünftig weiterentwickeln.

(Quelle zum Nachlesen: Jeremias Thiel, (2020): „Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance: Wie sich Armut in Deutschland anfühlt und was sich ändern muss“, München: Piper.) Zusätzlich gibt es vom WDR noch eine sehenswerte Doku zu seiner Geschichte. Diese findet Ihr unter dem folgenden Link: https://www.youtube.com/watch?v=FO13Dp9RKAI.

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