Von der COPSY-Studie (Corona und Psyche), welche sich mit der Lebensqualität und der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland während der Covid-19-Pandemie befasst, wurde bereits in zwei Blogbeiträgen im Juli vergangenen Jahres berichtet. Nun wurden die vorläufigen Ergebnisse der zweiten, von Dezember 2020 bis Januar 2021, durchgeführten Befragungsrunde von den Verantwortlichen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf per Pressemitteilung bekannt gegeben (https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/forschung/arbeitsgruppen/child-public-health/forschung/copsy-studie.html). Die Ergebnisse zeigen: Das seelische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen hat sich im Vergleich zum Frühsommer weiter verschlechtert.
Nina Pöppe (Von Studierenden für Studierende)
Bereits im Mai und Juni 2020 wurden mithilfe einer Online-Umfrage Daten zu den psychischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Kinder und Jugendliche gesammelt. Die Studie stützt sich auf international anerkannte und validierte Instrumente zur Messung der mentalen Gesundheit, Angst und Depression. Die Umfrage enthielt Fragen zur Wahrnehmung der allgemeinen Belastung durch die Pandemie, die durch Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen entstehen sowie Fragen zum Einfluss der Pandemie auf das familiäre Klima. Die Resultate wurden mit Daten der bereits vor der Pandemie aktiven Längsschnittstudie BELLA verglichen. Die vorläufigen Erkenntnisse der ersten Befragung der COPSY-Studie wurden in vergangenen Beiträgen bereits erwähnt. Am 25. Januar 2021 folgte nun die offizielle Veröffentlichung dieser Ergebnisse (https://link.springer.com/article/10.1007/s00787-021-01726-5).
Bei der kürzlich durchgeführten zweiten Befragung der langfristig angelegten COPSY-Studie haben mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 7-17 Jahren sowie mehr als 1.600 Eltern per Online-Fragebogen teilgenommen. Etwa 80% von ihnen haben bereits an der ersten Befragungsrunde im Sommer 2020 teilgenommen.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich das seelische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen im Vergleich zum Juni 2020 noch einmal verschlechtert hat. So gaben sieben von zehn Befragten eine geminderte Lebensqualität an. Weiter gaben vier von fünf Befragten an, sich von der Pandemie belastet zu fühlen. Auch die empfundenen Ängste und Sorgen der Kinder und Jugendlichen haben im Vergleich zum Frühsommer stark zugenommen. Ferner leiden sie den Ergebnissen der zweiten Befragung zufolge häufiger unter depressiven Symptomen. Noch bei der ersten Befragung konnte entgegen der Erwartungen des Forscher*innenteams kein signifikanter Anstieg der depressiven Symptome mit Eintritt der Pandemie erhoben werden. Von psychosomatischen Beschwerden wie beispielweise Bauch- und Kopfschmerzen wird ebenfalls vermehrt berichtet. Vergleichbar zu der ersten Befragungsrunde zeigt auch in der zweiten Umfrage fast jedes dritte Kind psychische Auffälligkeiten, während vor der Pandemie etwa jedes fünfte Kind in diesem Bereich auffällig war.
Darüber hinaus dokumentiert die zweite Befragungsrunde, dass sich insbesondere das Gesundheitsverhalten der Kinder und Jugendlichen zunehmend verschlechtert hat. Im Vergleich zu der ersten Befragungsrunde gaben doppelt so viele Kinder und Jugendliche an, überhaupt keinen Sport mehr zu machen. Auch die Ernährung ist weiterhin ungesund mit einem erhöhten Süßigkeiten-Konsum. Zugenommen hat auch der Medienkonsum der Befragten. Hierbei räumen die Forschenden jedoch ein, dass dies mitunter auch an der erhöhten Nutzung digitaler Medien für den Schulkontext zusammenhängt.
Ähnlich zu der ersten Befragungsrunde berichten die Befragten weiterhin von innerfamiliären Konflikten, einer Verschlechterung der Peer-Beziehungen sowie von vermehrten schulischen Problemen. Auch die Eltern zeigen vermehrt depressive Symptome und berichten von zunehmenden Belastungen durch die Corona-Pandemie, welche aus der doppelten Beanspruchung durch die Arbeit und das Homeschooling resultieren würden.
Dabei zeigt sich erneut, dass die befragten Kinder und Jugendlichen, welche über einen guten familiären Zusammenhalt berichten und dessen Eltern viel Zeit mit ihnen verbringen, besser mit den durch die Pandemie entstandenen Herausforderungen umgehen können. Belastet fühlen sich weiterhin vor allem Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status und mit Migrationshintergrund. Hier appelliert Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie, dass Konzepte geschaffen werden müssen, um ebensolche Kinder und Jugendliche zu unterstützen und psychisch zu stärken. Dabei kommt ihr zufolge der Institution Schule eine besondere Verantwortung zu, einen regelmäßigen Kontakt zu den Schüler*innen zu suchen, sodass diese Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfahren. In diesem Zuge sollen insbesondere Kinder aus Risikofamilien in ihrer Motivation und Lernfreude gestärkt werden. Doch auch generell gilt es der Leiterin der COPSY-Studie zufolge, die Bedürfnisse und psychischen Belastungen der Familien und Kindern und Jugendlichen während der coronabedingten Einschränkungen stärker zu berücksichtigen. Ein weiterer wichtiger Schritt sei es Kinder und Jugendliche mit psychischen Belastungen früh zu identifizieren, um Entwicklungen hin zu manifestierten psychischen Störungen zu verhindern. Bereits in der Veröffentlichung zu der ersten Online-Umfrage wiesen die Autor*innen darauf hin, dass vor allem das Jugendalter viele biopsychosoziale Veränderungen und Herausforderungen, wie zum Beispiel das Erlangen der Unabhängigkeit von den Eltern, beinhaltet. Diese Entwicklungsaufgaben gehen mit einem vermehrten Bedürfnis nach sozialer Interaktion einher und ebendies wird durch die aktuelle Situation erschwert. Dementsprechend können die Konsequenzen der COVID-19 Pandemie einen weitreichenden Einfluss auf die Lebensqualität und mentale Gesundheit insbesondere der Kinder und Jugendlichen haben. Weiterführend wurde eine offene Kommunikation über die Sorgen der Kinder in den Familien empfohlen. Auch aufmerksames Zuhören und das Schaffen einer flexiblen, aber konstanten täglichen Routine, die den Kindern Stabilität und Sicherheit bietet. Außerdem empfahl die Autor*innengruppe bereits in den Veröffentlichungen zu den Ergebnissen der ersten Befragung ein Abwägen der Maßnahmen im Hinblick auf die beschriebenen Belastungen.
Eine weitere Folgebefragung der COPSY-Studie ist für den Sommer 2021 geplant. Der vollständige Pressebericht der zweiten Befragungsrunde kann auf der Homepage des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf nachgelesen werden (https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/forschung/arbeitsgruppen/child-public-health/forschung/copsy-studie.html).