Als die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen 2007 verkündete, dass bis 2013 auch für ein- bis dreijährige Kinder ein Platz in der Fremdbetreuung verfügbar sein sollte, wurde über das Thema „Frühe Fremdbetreuung der Kinder – gut oder schlecht für ihre Entwicklung?“ viel diskutiert und gestritten (vgl. https://www.tagesspiegel.de/wissen/studien-zur-krippenerziehung-grosser-stress-fuer-kleine-kinder/6596238.html). Im Folgenden wird dargestellt, ob es überhaupt möglich ist, sich hier einer Position so deutlich zuzuordnen.
Theresa Meese (Von Studierenden für Studierende)
Liselotte Ahnert ist Entwicklungspsychologin an der Universität Wien und hat eine Zeit lang am Nationalen Institut für Kindergesundheit und menschlicher Entwicklung in Washington gearbeitet. Durch eine Langzeitstudie zur Frühbetreuung wurde das Institut unter dem Kürzel ‚NICHD‘ bekannt. Sie hat 1991 anhand von 1000 Neugeborenen untersucht, ob und wie die Entwicklung der Kinder von den verschiedenen Betreuungsangeboten abhängig ist. Fragestellung war, ob die Kinder, die schon sehr früh außenhäuslich betreut werden, später größere Verhaltensprobleme zeigen. Die Erzieherinnen waren in der Hinsicht verschiedener Meinung. Sie haben stark darüber diskutiert, ob das aufmüpfige Verhalten der viereinhalbjährigen Kinder als positiv oder negativ zu deuten ist. Die einen sagten, dass dieses Verhalten Ausdruck von Selbstbewusstsein und Entschlossenheit wäre und die anderen waren der Meinung, dass es eher von Aggressivität und Ungehorsam zeuge. Später wurden Beurteilungen durch Lehrkräfte der nun Zwölfjährigen herangezogen. Hier zeigten sich mehr aggressive Verhaltensweisen bei Kindern, die schon früh in einer größeren Einrichtung betreut worden waren. Dieses Verhalten zeigte sich nicht bei Kindern, die in einer kleineren privaten Einrichtung betreut wurden. Die Psychologin Ahnert äußerte daraufhin, dass unbedingt auf die Qualität der öffentlichen Kindertagesstätten zu achten ist. „Dass Kinder, die eine gute Gemeinschaftsbetreuung genossen haben, als sie klein waren, sich als Schüler*in später besser anpassen können, kooperativer sind und häufiger Funktionen wie die der Klassensprecherin/des Klassensprechers übernehmen, hat nämlich eine Reihe von kleineren Studien gezeigt, zum Beispiel eine Untersuchung aus Schweden“ (vgl. https://www.tagesspiegel.de/wissen/studien-zur-krippenerziehung-grosser-stress-fuer-kleine-kinder/6596238.html).
Laut dem britischen Entwicklungspsychologen Jay Belsky, einer der Initiatoren der NICHD-Studie, ist es für Kinder gut, wenn sie eine zuverlässige Bindung zu ihren Bezugspersonen aufbauen können und auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen wird, auch auf die der Bildung. Laut Belsky können manchmal auch Familien diesen Anforderungen nicht genügend nachkommen. Somit kann eine frühe Fremdbetreuung sich positiv auf die Entwicklung des Kindes auswirken, wenn die Qualität dieser Betreuung den Anforderungen entspricht.
Falls Eltern, die Sorge haben, dass das Kind zu sehr von Fremden beeinflusst wird, hat sich gezeigt, dass der familiäre Einfluss erhalten bleibt, auch wenn Eltern und Kind am Tag über einen längeren Zeitraum voneinander getrennt sind.
Die Eltern-Kind-Beziehung hat einen enormen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Blickt man genauer auf diese, zeigen sich hier keine großen Unterschiede im Hinblick auf Kinder, die zeitweise in der Fremdbetreuung sind und Kinder, die Zuhause von ihren Eltern betreut werden.
In einer Untersuchung wurden 70 Kita-Kinder und 70 gleichaltrige Kinder, die Zuhause bereut wurden, verglichen. Hier wurde das Verhalten der Eltern beobachtet. Eltern, die den ganzen Tag zu Hause sind, verteilen das Verhalten, was sich direkt auf das Kind bezieht, über den ganzen Tag in kleinen Abschnitten. Die Forscher*innen der Studie konnten feststellen, dass Kita-Kinder beim Hinbringen zur Kita und bei der Abholung extrem viel Zuneigung erfahren. Zusammenfassend konnte also festgestellt werden, dass in beiden Familien gleichviel ungeteilte Aufmerksamkeit dem Kind über den Tag verteilt geschenkt wurde.
Professorin Clarke-Stewart hebt hervor, dass die Auswirkung auf die Entwicklung der Kinder durch die Fremdbetreuung nicht unabhängig von der häuslichen Betreuung betrachtet werden darf. Positive und negative Seiten der Kindertageseinrichtung und positive und negative Wirkungen der Familie auf die Kinder können einander stärken, schwächen oder ausgleichen. Somit kann dies zu unterschiedlichen Entwicklungsverläufen bei Kindern führen und die Auswirkungen auf ein Kind durch die Kita sind nicht zu pauschalisieren.
Beide Arten der Betreuung bringen dennoch etwas Positives mit sich: „Generell gilt für Kleinkinder, dass die Familie eine stärkere Wirkung auf die kognitive und die Fremdbetreuung auf die soziale Entwicklung hat“ (https://kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/bildung-erziehung-betreuung/361).