Diese drei Worte bilden die Losung des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der vom 30. April bis zum 4. Mai 2025 in Hannover stattfinden wird. Sie beziehen sich auf den Schluss des 1. Korintherbriefes, in dem Paulus anhand verschiedener schwerer Konflikte bei den ersten Christen grundsätzliche theologische Erwägungen anstellt. Seine Schlussworte beginnen mit folgenden Aufforderungen: „Seid mutig und seid stark! Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ (1. Kor. 16,13-14)
Mutig – stark – beherzt
Klingt das nicht wie das laute Rufen im Walde in einer Situation, in der einem alles unheimlich wird? Ist das nicht die Form von Selbstermächtigung, die wir angesichts der uns umgebenden Katastrophen nun wirklich nicht gebrauchen können? Macht uns das nicht eher blind gegenüber dem, was gerade zerstört wird, zerbröselt, in Auflösung begriffen ist?
Die Missbrauchsskandale der Kirchen befördern den Vertrauensverlust in das, was wir Religion nennen – aber auch in einen Gott, in dessen Namen und Schutz Menschen großes Unheil angetan wurde. Die Selbstverständlichkeiten, mit denen Religionen und Kirchen gesellschaftlich umgeben waren und mit denen sie Gesellschaften umgeben haben, sind perdu. Und wo sie sich noch behaupten, gehen sie mit Zwang und Unterdrückung Andersglaubender einher. Die Luft für Religionen ist rauer geworden – weltweit. Darin liegt auch ein Glück, weil gelingende und befreiende Religion nun nicht mehr mit Zwang und Gewalt daherkommen kann, sondern sich in der Ohnmacht, in der Hingabe, in der Liebe zu bewähren hat.
Am eigenen Leib spüre ich diese Veränderungen der Großwetterlage, die mich bisweilen handlungs- und denkmüde machen, mich mitunter runterziehen und niedergeschlagen sein lassen. Theoretisch war mir das klar, aber ich muss es nun wieder neu lernen: Die Kirchen und die Religionen sind keine Orte, wo die besseren Menschen leben, keine Organisationen, in denen es moralisch besser zugeht als anderswo, keine Institutionen mit Vorbildcharakter. Das macht mich nicht nur betroffen, sondern bezieht mich mit ein. Denn natürlich wäre ich auch gerne auf der besseren Seite. Aber ich bin es nicht.
In einer solchen Situation werde ich von drei Adjektiven angesprochen:
Mutig. Die apokalyptische Situation, in der wir uns angesichts der globalen Katastrophen befinden, raubt mir Schlaf und Hoffnung und lässt meine Hoffnungsbilder schal werden. Was kann da helfen? Statt Hoffnung machen zu wollen hilft mir in apokalyptischen Situationen der Mut, nicht Hochmut, eher schon Wagemut und Demut: Übergang statt Untergang! Mutig werden heißt für mich, in unübersichtlicher und gefühlt hoffnungsloser Situation nicht Augen und Ohren schließen und einschlafen oder wie angewurzelt stehen bleiben oder alles scheißegal sein oder braune Masse werden lassen, sondern weitergehen, nicht aufgeben, trotzig und getrost, umsichtig und sensibel, fehlerfreundlich und unabgeschlossen (imperfekt), barmherzig mit mir selbst.
Stark sein – Und andere stark machen in ihren Fähigkeiten. Sich gegenseitig stärken. Gemeinschaft pflegen. All dies sind auch Aufgaben für die Universität und den dortigen Umgang miteinander. Nicht die Menschen runterputzen und ihnen zeigen, was ihnen alles noch fehlt – wer wollte sich erdreisten und behaupten, dass er oder sie das wüsste, was den anderen fehlt? Stattdessen den Blick dafür entwickeln, mit den Ressourcen zu arbeiten, die zuhanden sind, Sachen klären und Menschen stärken, wie Hartmut von Hentig dies genannt hat. Sei stark: Lass Dich von den Schnelleren nicht aufhalten!
Beherzt – das ist die Kirchentagsübersetzung von „in Liebe“. Natürlich müssen wir kühlen Kopf bewahren angesichts dessen, was uns herausfordert. Auch dafür ist die Universität da, für Distanz, kluge Analyse, klaren Verstand. Aber das verändert die Welt noch nicht, denn wir Menschen leben von und mit unseren Gefühlen. Wir lernen am besten, wenn wir begeistert sind und nicht hirnlos etwas in uns reinprügeln. Wir benötigen Freiräume, Experimentierfelder, Laborsituationen. Prüfungen sind keine letzten Gerichte, sondern Gelegenheiten, Vor-Urteile zu befragen, Wahrheit zu finden und Lösungen zu kommunizieren. Wir sind und bleiben – theologisch gesprochen – immer im Vorletzten, wir sind keine letzte Generation. Natürlich stehen wir unter Entscheidungsdruck und befinden uns in Zeitnot. Gefühlt dürfen wir uns überhaupt keine Fehler mehr leisten. Und dennoch müssen wir beherzt dafür eintreten, dass wir Fehler machen und Umwege gehen dürfen, dass wir im Vagen leben und schwanken können, dass wir auf Resonanz angewiesen sind und in Bewegung bleiben.
Deshalb gilt auch für die Universität:
Seid mutig und seid stark. Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.
Prof. Dr. Harald Schroeter-Wittke ist Professor für Didaktik der Ev. Religionslehre mit Kirchengeschichte und Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags.