Fälle von Vernachlässigung, körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt an Kindern: Noch nie haben die Jugendämter in Deutschland solch eine hohe Anzahl an Kindeswohlgefährdungen vernommen wie im letzten Jahr. Die Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr um rund vier Prozent an, woraufhin das Statistische Bundesamt bekannt gibt, dass fast 62.300 Kinder und Jugendliche von Kindeswohlgefährdung betroffen waren (vgl. Höchststand bei Kindeswohlgefährdung: 62 000 Fälle in Deutschland – Panorama – SZ.de (sueddeutsche.de). „Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist“ (vgl. https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2019-2-6&nr=93258&pos=24&anz=26&Blank=1.pdf).
Gioia Maria Echternkamp (Von Studierenden für Studierende)
Insgesamt haben die Jugendämter vergangenen Jahres mehr als 200.000 Verdachtsfälle bezüglich der Kindeswohlgefährdung geprüft, wobei die meisten Hinweise von der Polizei oder den Justizbehörden stammten. Bei 68.900 Sachverhalten liegt nach den Behörden keine Kindeswohlgefährdung vor, jedoch ein erzieherischer Hilfebedarf. Demnach sind diese Fälle nicht bei der Anzahl der Fälle von Kindeswohlgefährdung integriert (vgl. Höchststand bei Kindeswohlgefährdung: 62 000 Fälle in Deutschland – Panorama – SZ.de (sueddeutsche.de).
Ungefähr vier von fünf Betroffenen, somit ein großer Anteil, sind jünger als 14 Jahre, wobei fast jedes zweite Kind sogar jünger als acht Jahre alt ist (vgl. Kindeswohlgefährdungen: Jugendämter melden mehr als 62.000 Fälle – DER SPIEGEL).
In 59 Prozent der Fälle wurden Anzeichen von Vernachlässigung festgestellt. Des Weiteren wurden in über einem Drittel, genauer gesagt in 35 Prozent der Fälle, Hinweise auf psychische Misshandlungen bemerkt. Der prozentuale Anteil für Anzeichen von körperlichen Misshandlungen lag bei 27 Prozent und bei sexueller Gewalt bei fünf Prozent. Hinzuzufügen ist besonders, dass einige Kinder, bei denen sich der Fall von Kindeswohlgefährdung bestätigte, mehrere Formen der Gewalt oder Vernachlässigung erleben mussten. Dies ist bei 22 Prozent der bestätigten Fälle zutreffend (vgl. Höchststand bei Kindeswohlgefährdung: 62 000 Fälle in Deutschland – Panorama – SZ.de (sueddeutsche.de).
Die Entwicklung der letzten zehn Jahre zeigt einen fortwährenden Anstieg der Fälle von Kindeswohlgefährdung. Als mögliche Ursachen für den Anstieg ist zum einen die steigende Sensibilität und Aufmerksamkeit der Bevölkerung, wodurch mehr Verdachtsfälle geprüft werden, die ansonsten möglicherweise untergegangen wären, zu nennen. Zum anderen wird die Überförderung der Erziehungsberechtigten genannt, die unter anderem mit stressigen Lebenssituationen wie Trennungen oder Verschuldungen zu begründen sind (vgl. ebd.).
Letztendlich sollte der Anstieg der Fälle von Kindeswohlgefährdung nicht nur negativ gesehen werden, da dieser auch in einer Reduzierung der Dunkelziffer begründet ist. Den Betroffenen, bei denen ein solcher Fall aufgedeckt worden ist, kann geholfen werden und sie werden mit den Umständen nicht allein gelassen.