Lediglich 6,9% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die gemäß des Jugendstrafgesetzes verurteilt wurden, werden inhaftiert (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) – https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32971/jugendstrafvollzug/#:~:text=Jugendstrafvollzug%20ist%20für%20die%20Straftaten%20junger%20Menschen%20zuständig%2C,Anteil%20umfasst%20lediglich%206%2C7%20Prozent%20aller%20jugendrichterlichen%20Verurteilungen).
Seit 2003 ist es möglich, dass Jugendliche ihre Haft nicht in einem regulären Gefängnis absitzen, sondern in eine Wohngemeinschaft ziehen, in der sie mit fünf anderen jugendlichen Straftätern und einer Familie zusammenleben. Doch wie sinnvoll ist es, dass manche Straftäter nicht regulär inhaftiert werden, sondern ihre Haft im Seehaus Leonberg außerhalb von Gefängnismauern verbringen dürfen?
Nele Heuer (Von Studierenden für Studierende)
In Deutschland macht der Jugendstrafvollzug 6,7% aller jugendrichterlichen Verurteilungen aus (vgl. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32971/jugendstrafvollzug/#:~:text=Jugendstrafvollzug%20ist%20für%20die%20Straftaten%20junger%20Menschen%20zuständig%2C,Anteil%20umfasst%20lediglich%206%2C7%20Prozent%20aller%20jugendrichterlichen%20Verurteilungen).
Die Maßnahmen des Jugendstrafrechts haben das Ziel einen Rückfall zu verhindern (vgl. Legalbewaehrung_nach_strafrechtlichen_Sanktionen_eine_Rueckfalluntersuchung.pdf;jsessionid=B80046C7AD4F9C1B9A475C43561449DD.1_cid324 (bmj.de) Vorwort). Die Jugendlichen sollen resozialisiert werden, um nach der Haft ein straffreies Leben führen zu können.
Die Strafe wird entweder in geschlossener, in offener oder in freier Form vollzogen. Diese Formen unterscheiden sich darin, dass bei dem geschlossenen Vollzug eine sichere Unterbringung gewährleistet wird. Im offenen Vollzug gibt es weniger oder keine Vorkehrungen, die eine Flucht der Gefangenen verhindert.
Der Jugendstrafvollzug in freier Form wird in speziellen Einrichtungen der Jugendhilfe vollzogen. Dort besteht ein größerer pädagogischer Spielraum und negative Begleiterscheinungen eines geschlossenen Vollzugs können vermieden werden.
Ein Beispiel für den Vollzug in freier Form ist das Seehaus Leonberg: Wahr.Haft.Leben. Jugendstrafvollzug in freier Form (https://seehaus-ev.de), das einem gemeinnützigen Verein der Jugendhilfe, Opferhilfe und Kriminalprävention angehört. Jugendliche und junge Erwachsene, die zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurden und zwischen 14 und 23 Jahre alt sind, dürfen sich für die Aufnahme im Seehaus bewerben. Die jungen Straftäter dürfen jedoch nicht wegen Sexualstraftaten verurteilt sein. Außerdem müssen sie die unbedingte Bereitschaft mitbringen an ihrem Verhalten zu arbeiten. Seit 2003 gibt es im Seehaus Leonberg drei Wohngemeinschaften, in denen je fünf bis sieben straffällige Jugendliche mit ihren Hauseltern und deren Kindern zusammenleben. Die Bewohner besuchen eine Berufsschule und können das erste Ausbildungsjahr für Bauberufe, oder andere Handwerksberufe aus dem Bereich der Metalltechnik, Schreinerei oder dem Garten und Landschaftsbau erfolgreich abschließen. In der Ausbildung bearbeiten die Straftäter Aufträge außerhalb des Seehauses und helfen auf „normalen“ Baustellen.
Das Seehaus hat das Ziel den jungen Gefangenen durch eine positive Gruppenkultur und ein familiäres Umfeld die Chance zu geben, ihr Leben nachhaltig zu verändern und an ihrem Sozialverhalten zu arbeiten. Die Taten der Jugendstraftäter werden im Seehaus durch Therapien, Einzel- und Gruppengespräche aufgearbeitet. In täglichen Gesprächsrunden reflektieren sie ihren Tag und kritisieren bzw. loben Mitinsassen. Dem Seehaus Leonberg liegt ein christliches Grundkonzept zugrunde und für das Zusammenleben sind Regeln und Werte formuliert, an die sich alle halten müssen. In einem Stufensystem können die jungen Gefangenen sich durch gutes Verhalten Privilegien und Lockerungen erarbeiten. Die jungen Männer leben für die Zeit ihrer Haft in der Wohngemeinschaft, wenn sie es schaffen sich an die Vorgaben zu halten und an ihren Verhaltensweisen zu arbeiten. In einem familiären Rahmen lernen die Heranwachsenden einen streng strukturierten Alltag, neue Verhaltensmuster und alltägliches Leben kennen. Dies soll ihnen das Leben nach der Haft erleichtern, wobei sie dann auch noch Unterstützung bei Behördengängen etc. erhalten können.
Von den 218 jungen Männern, die im Seehaus waren bzw. sind, haben 33% den Aufenthalt abgebrochen. Auch nach der Entlassung wurden 25% der ehemaligen Straftäter in unterschiedlicher Weise begleitet, um den Übergang in ein Leben ohne Straftaten zu erleichtern. Rund 90% erlangen einen Schulabschuss. Für die Zeit nach der Haft wurden 99% der jungen Männer in eine Ausbildung, Schule, Arbeit oder FSJ vermittelt, und jeder hat eine sichere Wohnsituation.
50% werden nach der Inhaftierung irgendwie rückfällig, wobei hierzu auch kleinere Delikte, wie Schwarzfahren zählen.
25% aller Männer werden nach dem Haftaufenthalt im Seehaus Leonberg wieder inhaftiert. Im Vergleich hierzu beträgt die reguläre Rückfallquote 63,0% (vgl. Legalbewaehrung_nach_strafrechtlichen_Sanktionen_eine_Rueckfalluntersuchung.pdf;jsessionid=B80046C7AD4F9C1B9A475C43561449DD.1_cid324 (bmj.de), S.54).
75% der ehemaligen Bewohner schaffen es nicht wieder inhaftiert zu werden.
Es stellt sich die Frage, ob es nicht noch mehr Einrichtungen wie das Seehaus Leonberg geben sollte, um jungen Menschen größere Chancen auf ein straffreies Leben zu bieten.