Ausgeforscht und ausgenutzt? „Nothing about us without us!” (“Nichts über uns, ohne uns!“)

Dieser Slogan zog in den 1990er in die internationale Community der Behindertenrechtsaktivist*innen ein. Dieser Satz nimmt Bezug auf eine urdemokratische Rechtstradition: Das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Leben zu verfügen und die Freiheit zu besitzen, dies in die Realität umzusetzen.

Aber gilt dies auch für Menschen mit einer Behinderung?

Diese und weitere Fragen habe ich mir in der Vergangenheit, wie auch jetzt in meinem Studium gestellt, jedoch fehlt mir ein wichtiger Aspekt in der Lehre: Es werden Studien untersucht, Hypothesen aufgestellt, wissenschaftliche Arbeiten verfasst, diskutiert und Forschungsansätze erörtert, wie wir als spätere Sonderpädagog*innen den Schüler*innen ermöglichen können im Schulalltag Fuß zu fassen. Ziel ist es sie zu bestätigen und zu bestärken sowie ihnen die bestmögliche Förderung zu Teil werden zu lassen, um in der Gesellschaft bestehen zu können.

Meiner Meinung nach, eine super Sache, aber wieso entscheiden wir denn, was gut und weniger gut ist? Sollten nicht vielmehr die Menschen involviert werden, die es betrifft?

Einen spannenden Artikel zu diesem Thema hat Raul Krauthausen auf seiner Seite verfasst (https://raul.de/leben-mit-behinderung/ausgeforscht-und-ausgenutzt-ein-plaedoyer-fuer-einen-rollenwechsel-in-der-forschung-zu-behinderung/ ). Er ist Inklusions-Aktivist und Gründer der „Sozialhelden“ (https://sozialhelden.de/ ). Er ist studierter Kommunikationswirt und Design Thinker. Zusätzlich hat der Berliner zahlreiche Bücher geschrieben, unter anderem 2014 seine Biographie „Dachdecker wollte ich eh nicht werden: Das Leben aus der Rollstuhlperspektive“ und sein im Oktober 2021 erschienenes Buch „Wie kann ich was bewegen?“, welches er mit Benjamin Schwarz publiziert hat.

Na neugierig geworden – dann lest weiter!

Cathrin Tegethoff (Von Studierenden für Studierende)

In seinem Text äußert Krauthausen, dass behinderte Menschen ausgeforscht und ausgenutzt werden. Warum? Weil Menschen mit Behinderungen kaum an Fragestellungen, der Methodik oder den Zielen von Forschung beteiligt werden.

Das Selbstbestimmungsrecht ist in Deutschland theoretisch bekannt, aber in der Praxis kaum anzutreffen. Gesetzgebende Männer entscheiden über Schwangerschaftsabbrüche von Frauen und andere Themen bezüglich körperlicher Selbstbestimmung. Bei Innenministerkonferenzen beraten 17 weiße Männer darüber, wie wenig Racial Profiling vorhanden ist und beschließen daher, dass keine Studien benötigt werden. Sie haben selbst noch keinen Rassismus erlebt – logisch, dass es dann auch keinen gibt. Der Antisemitismusbeauftrage ist nicht jüdisch etc..

Diese Fehlentwicklung sieht man in der Wissenschaft auch. Menschen mit Behinderung werden nur selten z.B. in der Entwicklung von Fragebögen oder in die Konzeptionsphase mit einbezogen. Die Erkenntnisse definieren andere.

Wie sinnvoll wäre es stattdessen, das vorhandene Budget dafür einzusetzen, dass Forscher*innen mit Behinderung von Anfang an beteiligt werden, um kritische Analysen, Interpretationen und politische Forderungen aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten zu können?

Forscher*innen greifen auf die Expertise von Menschen mit Behinderungen zurück und profitieren davon – Menschen mit Behinderung nicht. Sie werden noch nicht einmal dafür entlohnt.

Es gibt nur wenige Beispiele für wirksame Partizipation. Das Institut für angewandte Sozialwissenschaften (infas) führt im Auftrag der BMAS seit 2018 eine große Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung durch (https://www.infas.de/neuigkeit/teilhabe-von-menschen-mit-behinderung/). Bei der Planung und Durchführung werden Menschen mit Behinderung in Beiträgen, Dialogen und Veranstaltungen mit einbezogen. Zusätzlich wird ein inklusives Experten*innengremium eingesetzt, das die Erprobung der Erhebungsinstrumente und die Bewertung der Ergebnisse zusammen mit behinderten Menschen erstellt.

Den ganzen Text, wie auch weitere spannende Texte zum Thema Inklusion und Teilhabe findet Ihr unter: https://raul.de/.

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