Das Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel hat in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in einer Studie die Wirksamkeit einer Präventionsmaßnahme gegen exzessive Mediennutzung untersucht. Für viele Kinder und Jugendliche ist die Nutzung der digitalen Medien ein wesentlicher Bestandteil der Freizeitgestaltung. Viele junge Menschen nutzen mehrfach täglich das Handy oder die Spielekonsole, bei 8% der 12- bis 19-Jährigen ist sogar von einer computerspiel- und internetbezogenen Störung auszugehen. Ziel der Studie war es herauszufinden, wie hoch die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahme „Net-Piloten“ ist (vgl. Prävention der exzessiven Mediennutzung im Kindes- und Jugendalter | SpringerLink).
Was genau meint der Begriff „internetbezogene Störungen“ und wie wirkt sich das Projekt „Net-Piloten“ auf Kinder und Jugendliche aus?
Merle Teimann (Von Studierenden für Studierende)
In der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft spielen Medien eine immer größere Rolle, insbesondere die Bildschirmmedien sind ein wesentlicher Bestandteil im Leben von Kindern und Jugendlichen. Ein Großteil der jungen Menschen kann jederzeit auf das Smartphone, den Computer sowie auf das Internet frei zugreifen. Zwei Drittel der 12- bis 17-Jährigen steht täglich ein Tablet zur Verfügung und bei rund 75% der Haushalte ist ein Streamingdienst abonniert, 97% der 12- bis 19-Jährigen besitzt ein Smartphone, 71% einen eigenen Computer oder ein Laptop.
Laut den Angaben der JIM-Studie 2018 (Jugend, Information, Medien), lag die durchschnittliche Online-Nutzung bei 214 Minuten pro Tag. Bei der Altersgruppe der 16- bis 17-Jährigen sogar bei 243 Minuten.
Der Begriff internetbezogene Störung wird als Verhaltenssucht angesehen und beschreibt eine exzessiv-dysfunktionale Nutzung digitaler Medien. Kinder und Jugendliche verbringen übermäßig viel Zeit online, regulieren ihre Gefühlszustände über die Medien und vernachlässigen reale Aktivitäten und Kontakte. Exzessives Computerspielen, auch internet gaming disorder (IGD) genannt, wurde als Störungsbild in der aktuellen Version des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders-5 (DSM-5) in der dritten Gruppierung klassifiziert und wird auch ab 2022 in der ICD-11 als Störungsbild unter der Kategorie Suchtverhalten aufgenommen werden.
Aus einer internetbezogenen Störung können sich weitere physische und psychische Folgen entwickeln, beispielsweise Haltungsschäden, Rückenschmerzen und Bewegungsmangel, aber auch Aggressivität sowie Aufmerksamkeits- und Leistungsprobleme können sich zeigen, ebenso wie negative Auswirkungen im Sozialverhalten.
Net-Piloten ist eine schulbasierte „Peer-to-Peer“ Intervention und wurde von der Bundeszentrale für Gesundheit und Aufklärung unter der Kampagne „Ins Netz gehen“ durchgeführt. Im Rahmen einer viertägigen Schulung wurden Acht- bis Zehntklässler*innen von Suchtpräventionsfachkräften zu „Net-Piloten“ ausgebildet. In anschließenden Workshops in Kleingruppen wurden die Sechst- und Siebtklässler*innen von den Net-Piloten für das Thema sensibilisiert und zur Selbstreflexion angeregt. Ziel der Intervention ist die Wissensvermittlung über die negativen Folgen exzessiver Computer- und Internetnutzung sowie die Förderung der Reflexionsfähigkeit und der selbstkritischen Einschätzung des Nutzungsverhaltens, aber auch der Aufbau einer Beratungsbereitschaft im Bedarfsfall.
Die Ergebnisse der Studie zeigten einen positiven Effekt der Intervention zur Prävention exzessiver Mediennutzung. Die Effektprüfung beinhaltete das Wissen über exzessive Mediennutzung und ihre Folgen, die tägliche Nutzungsdauer von Computerspielen und Streamingdiensten, Kommunikation über soziale Medien und problematische Mediennutzung. Die Studie zeigte, dass sich ein Zuwachs an Wissen über eine Suchtentwicklung positiv auf gefährdendes Nutzungsverhalten auswirkte. Kinder und Jugendliche aus der Interventionsgruppe verbrachten nach den Workshops insgesamt weniger Zeit mit digitalen Medien als zuvor (vgl. Prävention der exzessiven Mediennutzung im Kindes- und Jugendalter | SpringerLink).
Als Fazit für die Praxis ergibt sich anhand der Ergebnisse dieser Studie, dass die „Peer-to-Peer“ Intervention der Net-Piloten insgesamt einen positiven Effekt zeigte. Teilnehmende Kinder und Jugendliche zeigten abschließend einen bewussteren Umgang mit Medien, geringere Nutzungszeiten, verfügten über ein höheres Wissen über negative Folgen und gefährdendes Verhalten.