„Frau Bekiersch, kennen Sie eigentlich Gewitter im Kopf?“, fragte mich vor einiger Zeit einer der Schüler der Schule, an der ich zur Mittagsbetreuung arbeite. „Was soll das denn sein?“, antwortete ich verblüfft. „Na, der von YouTube. Der hat Tourette. Der sagt dann immer „Pommes“ und sowas, das ist voll lustig.“ Irritiert von der Tatsache, dass dieser Schüler bereits die Krankheit Tourette zu kennen schien und skeptisch, dass er diese scheinbar auch noch unterhaltsam findet, wollte ich mir diesen Kanal selbst einmal anschauen.
„Gewitter im Kopf – Leben mit Tourette“: Das ist der YouTube Kanal von dem an dem Syndrom leidenden Jan Zimmermann und seinem besten Freund Tim Lehmann (https://www.youtube.com/channel/UCh2Nc3OwjSwuXrUdFNXqFbQ. Seit Februar 2019 begeistern die Beiden regelmäßig inzwischen knapp zwei Millionen Follower. Sie nutzen ihren Kanal, um über das Tourette-Syndrom aufzuklären und geben einen Einblick, wie alltägliche Situationen mit der Krankheit aussehen. Durch die humorvolle Art des Umgangs mit dem Syndrom, erreichen sie besonders junge Zuschauer.
2019 wurde ihr Kanal daher auch mit dem TubeAward in der Kategorie „Sonderpreis“ ausgezeichnet, für den informativen und anschaulichen Umgang mit der Krankheit und ihren Mut, sich mit schwierigen Themen in die Öffentlichkeit zu stellen (https://tubelive.de/2019/08/05/843/). Das schafft der Kanal wirklich, denn schließlich haben sie es sogar geschafft, ihre Botschaft bis zu dem Jungen aus meiner Schule zu tragen.
Jule Bekiersch (Von Studierenden für Studierende)
Angefangen hat alles durch einen Beitrag bei dem TV-Wissensmagazin Galileo auf ProSieben (https://www.youtube.com/watch?v=ob6QWE-nh5U). Hier zeigte Jan das erste Mal, wie ihn seine Ticks im Alltag begleiten und wie er auf Grund derer bereits einen Ausbildungsplatz verloren hat. Das Fernsehteam begleitete ihn außerdem zu verschiedenen Therapien, in denen er lernt mit seinen Ticks offen umzugehen, statt sie zu unterdrücken, um so seinen Platz in der Gesellschaft zurück zu gewinnen und nicht in der Arbeitslosigkeit zu enden. Da dieser Beitrag auf viel positive Resonanz stieß, entschieden er und Tim sich dazu, einen eigenen YouTube Kanal zu starten, um weiter über das Thema aufzuklären und Vorurteile aus dem Weg zu räumen.
Sie nehmen die Zuschauer mit in den Alltag eines Betroffenen: Der Besuch beim Friseur, beim Einkaufen oder zu Hause beim Backen. Aber auch anderen Erkrankten bieten sie eine Plattform, um die Diversität des Syndroms zu verdeutlichen. Man lernt durch die Videos unter anderem, wie unterschiedlich sich das Tourette-Syndrom äußern kann. Jan leidet an motorischen Ticks, epileptischen Anfällen, sowie der Koprolalie, einer Form der Krankheit, bei der die oder der Betroffene unkontrolliert Schimpfwörter ruft. Entwickelt hat sich das Syndrom bei ihm schon in der frühen Kindheit, weshalb er gelernt hat, humorvoll damit umzugehen. Und das ist auch sein Appell an alle Zuschauer*innen. Um anderen und auch sich selbst zu ermöglichen, mit dem Tourette besser umzugehen, hat er seine Krankheit ‚Gisela‘ getauft, da die Differenzierung zwischen seinem echten Verhalten und den unkontrollierbaren Ticks so leichter gelingt. Außerdem will er anderen dadruch die Angst vor dem Syndrom nehmen und Skeptiker*innen zeigen, dass er nicht von Dämonen besessen ist, sondern an einer ernsten, aber irgendwie auch ganz lustigen Krankheit leidet.
Weitere Informationen zu „Gewitter im Kopf“ findet Ihr hier: https://www.instagram.com/gewitterimkopfyt/