Christa Heidrich ist gebürtige Paderbornerin, ausgebildete Glasmalerin und Absolventin des Studiengangs Konservierung und Restaurierung an der Fachhochschule Erfurt. Heute arbeitet sie für ein mittelständisches Restaurierungsunternehmen in Paderborn. Im heutigen Stadtschreiber-Interview gibt sie einen spannenden Einblick in die Tätigkeit einer Restauratorin, ihre Ausbildung und ihre Museumspräferenzen.
Restauratorinnen werden gerufen, um die Schäden an Gebäuden und Kunstwerken zu beseitigen, die der Zahn der Zeit, Vandalen oder Pechvögel verursacht haben. Ist das eine akkurate Beschreibung Ihrer Tätigkeit?
Also ich vergleiche unseren Berufsstand ja immer gerne mit Ärzten, da ist von plastischer Chirurgie bis zur Palliativmedizin alles dabei. Alles ist immer eine Frage des Objektes und der Umstände, sowie der zukünftigen Nutzung und Bestimmung. Es gibt Fälle, da kann man tatsächlich nur noch Schadensbegrenzung betreiben, weil beispielsweise ein Material von sich aus derart instabil ist, dass man es nicht mehr retten kann. Aber es dreht sich auch sehr viel um Ergänzung, also die möglichst originalgetreue Vervollständigung eines Objektes, Reinigung und sehr viel Dokumentation. Schäden beseitigen ist irgendwie nicht so ganz kompatibel mit meinem Verständnis von Restaurierungsethik, ich würde eher sagen, wir müssen mit ebendiesen Schäden umgehen und schauen, was wir daraus machen können.
Was sind die wichtigsten Arbeitsschritte eines jeden Restaurationsvorgangs?
Da muss ich mich widerholen: Dokumentation am Anfang, gerne auch zwischendrin und am Ende der Restaurierung. Alles ist in Bild und Schrift festzuhalten, die Eingriffe müssen auch in Zukunft rückvollziehbar und klar vom Original zu differenzieren sein. Natürlich nicht zu vergessen die Reinigung. Grundlage nahezu jeder Restaurierung ist die Reinigung, nach der nicht nur schädigende Einflüsse auf der Materialoberfläche entfernt wurden, sondern auch Details wieder zum Vorschein kommen und sich der Gesamteindruck wieder einstellen kann.
Was war das schönste Kunst- oder Bauwerk, an dessen Restaurierung Sie bisher beteiligt waren?
Oh, das sind einige. Es sind ja nicht nur die großen, prominenten Bauten und Orte die einen beeindrucken. Oft sind es auch andere Kleinigkeiten, die eine Restaurierungskampagne in der Erinnerung besonders schön machen. Zum Beispiel der Küster, der uns im August Eis auf das Gerüst brachte, als wir an der Südseite der Kirche arbeiteten und förmlich schmolzen.
Im Studium habe ich am Dionysosmosaik des Römisch-Germanischen Museums in Köln arbeiten dürfen, das durch Kyrill beschädigt wurde. Während meiner Zeit in Frankreich war ich an einem Chorfenster der Sainte Chapelle, Paris beschäftigt. Das sind beispielsweise tolle Objekte gewesen, irre alt und sehr bekannt, da durchfährt einen schon mal eine besondere Art der Ehrfurcht. Was nicht heißen soll, dass man weniger bekannte Objekte anders behandelt, das ist tatsächlich nicht der Fall. Das Westfenster vom Altenberger Dom war auch fein, da gab es überall kleine Männlein zu entdeckten, die ein Betrachter von unten unmöglich sehen kann. Warum sind die da? Außerdem hatte das Westfenster eine spezielle Problematik gealterter Klebstoffe vergangener Restaurierungen. Am besten hätte ich gar nichts gesagt, man kann nur unvollständig antworten.
Kommt man als Restauratorin viel in der Welt umher?
In meinem Materialschwerpunkt und bei der Größe und dem Renommee unserer Werkstatt auf jeden Fall in Europa. Ich bin in diesen Jahren durch meine kleinen Kinder eingeschränkt, was die Reisetätigkeit angeht. Ich habe aber Kollegen, die das dankeswerter Weise kompensieren. Außereuropäische Arbeiten sind seltener, kommen aber auch vor. Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit Fenster aus der Harvard University auf dem Tisch.
Sie sind nicht nur zur Restauratorin ausgebildet, sondern auch zur Künstlerin. Lohnt sich diese doppelte Qualifikation?
Nee, also Künstlerin bin ich nicht. Ich bin Glasmalerin, das ist wie der Unterschied zwischen Designer und Tischler. Als Glasmalerin setzt man mehrheitlich Entwürfe von externen Künstlern um, das habe ich gelernt, wobei jede Umsetzung individuell ist. Und ja, die doppelte Ausbildung ist Gold wert. Ich kenne die einzelnen Schritte, zur Herstellung einer Glasmalerei und kann sie selbst umsetzen. Ich bilde mir ein, dadurch einen tiefen und direkten Zugang zum Objekt zu haben.
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Wollen Sie uns ein Kunstwerk auf Ihrer Ausbildungszeit vorstellen?
Naja, ein Kunstwerk ist es nicht gerade, aber die Kopie eines Kunstwerkes. Wir haben im Studium viele praktische Einheiten gehabt um verschiedenste künstlerische Techniken zu erlernen und zu begreifen (was sich nicht auf den jeweiligen Materialschwerpunkt, also bei mir Glas beschränkte). So haben wir zum Beispiel Freskomalerei durchgenommen. Toll! Da werden entsprechende Pigmente in Kalkmilch eingesumpft und dann auf frischen Kalkputz aufgetragen. Es ist ein bisschen wie ein Polaroid, die engültigen Farben sieht man auch erst nach einiger Zeit. Das Äffchen ist eine Kopie aus dem Medici-Palast in Florenz nach Signoretti (wenn ich mich richtig erinnere) und in Wahrheit nur einen Bruchteil so groß.
Es gibt Ostfriesenwitze, Cowboywitze, Bratscherwitze. Gibt es auch Restauratorenwitze?
Oh ja, aber die sind so öde…echte Fachidiotenwitze. Man lacht gern über Dinge wie den Schlagwortvorschlag von Google zu „Paraloid in der Restaurierung“ (Das ist ein Kunststoff der in der Restaurierung genutzt wird). Google: meinten Sie „Paranoid in der Restaurierung“?
Haben Sie ein Lieblingsmuseum in Paderborn?
Ich mag den Marstall im Schloßpark in Neuhaus ausgesprochen gern. Die schaffen es auf überschaubarem Raum Ausstellungen zusammen zu schrauben, von denen ich schon viel mitgenommen habe. Und irgendwie kommen die auch an prominente Künstler wie Käthe Kollwitz und Max Ernst ran. Am Diözesanmuseum liebe ich die Materialvielfalt, allerdings kommt man dort ohne Führung kaum klar. Das ist eher was für’s Auge, für’s Verständnis ist es da schon komplexer.
Vielen Dank für das Gespräch!