Ein Gespräch mit Lucas Soriano (Europäische Studien) über seinen Studiengang, Paderborn und die EU

Letzten April bekamen wir in Paderborn Besuch von einer Studentengruppe aus der französischen Partnerstadt Le Mans. Die Gäste, vor allem Angehörige und Interessenten des deutsch-französischen Studiengangs „Europäische Studien“, konnten einen ersten Eindruck von der Stadt und ihrer Universität gewinnen. Viele werden als Erasmus-Studenten zurückkehren! Ein kleiner Bericht über ihren Aufenthalt findet sich auf der Webseite der Romanistik. Ein Bericht über die historische Stadtführung mit Herrn Prof. Süssmann ist auf diesem Blog erschienen.

Ein Paderborner Absolvent dieses Studiengangs ist Lucas Soriano. Kennen und schätzen gelernt habe ich ihn vor rund einem Jahr. Wir waren beide im Jahre 2016 als Erasmus-Studenten an der Universität Le Mans. Heute hat er sich dazu bereit erklärt, in einem kleinen Interview seine persönlichen Ansichten über seinen Studiengang, über Paderborn und über die Europäische Union zu teilen.

Lucas Soriano: Europa-Student, Jung-Unternehmer und (wie der Stadtschreiber) im Jahre 2016 ein Erasmus-Student an der französischen Universität Le Mans.

Du hast an der Universität Paderborn den Bachelor-Abschluss für „Europastudien“ erworben. Was kann man sich unter diesem Studiengang vorstellen und wozu qualifiziert er?

Den großen Vorteil an dem Studiengang, der offiziell sogar unter einem noch pompöseren und zugleich zweisprachigen Namen unterwegs ist, empfand ich anfänglich sogar eher als Nachteil: Interdisziplinarität pur. Was die einen dabei als „die Lehre von allem und nichts“ abstempeln und zu Beginn des Studiums frustrierend sein kann, bietet aber die Möglichkeit, durch die großen Freiheiten in unserem Programm den Schwerpunkt zu wählen, den man gehen möchte. Während wir dabei alle Kulturwissenschaftler von Haus aus sind, haben wir in unseren Reihen von Wahlhistorikern über -Betriebswirte und -Politikwissenschaftler alles dabei.

Was bietet die Stadt Paderborn ihren Studenten und was sind Dinge, die in deinen Augen fehlen?

Im Herzen Ostwestfalens ist Paderborn in einer der Wirtschaftshochburgen der Republik angesiedelt. Dies äußert sich auch in den Möglichkeiten für Paderborner Studierende – Studentenjobs und Praktika werden en masse angeboten. Manchmal fehlt mir jedoch der Kontakt von Stadt und Region zur Uni – warum gibt es nicht mehr Veranstaltungen, in denen die Studierenden aktiv in die Aktivitäten der Stadt mit einbezogen werden?

Gibt es für Dich so etwas wie eine europäische Identität, die den Frankfurter Kneipenbetreiber, den Londoner Obdachlosen und den Paderborner Computeringenieur miteinander vereint?

So komisch dies auch klingen mag – das ist eine Frage, die ich mir in ähnlicher Ausprägung auch oft beim Einschlafen stelle. Da ich die EU-institutionsübergreifende Debatte um eine europäische Identität ohnehin für etwas zu hoch gewichtet halte und oft das Gefühl habe, europäische Bürger kommen sich vor, als würden sie eine europäische Identität aufoktroyiert bekommen, finde ich aber meistens keine Antwort darauf.

Auch ohne die eine gemeinsame Identität kann und muss die EU funktionieren. Oder warum schreibt sie sich sonst das Motto „In Vielfalt geeint“ auf die Fahne?

Stehen lokale, nationale und europäische Identitäten zueinander in einer Konkurrenz oder können sie einander ergänzen?

Ich persönlich habe oft die Erfahrung gemacht: Je größer die geographische Entfernung zu den einzelnen Bezugsorten dieser Identitäten (hier also beispielsweise seine „Heimatstadt“, sein „Heimatland“ und Europa), desto größer auch die Identität, der man zugewiesen wird oder die man sich gar selber zuweist.

Etwas verallgemeinert: In Deutschland stelle ich mich als Dortmunder, in Spanien als Deutscher und in den USA vielleicht sogar als Europäer vor (spätestens, wenn mich ein Amerikaner fragt, wo Deutschland liegt) und werde entsprechend eingeordnet – et vice versa. Die nächstkleineren bedingen dabei ja auch die nächstgrößeren Identitäten, denn als „Dortmunder“ bin ich auch „Deutscher“ und letztlich auch „Europäer“. Das eine baut für mich auf dem anderen auf.

Welche Chancen und Risiken birgt der europäische Markt für mittelständische Unternehmen?

Der europäische Markt wurde 1993 zum Binnenmarkt und ist seitdem der größte Binnenmarkt der Welt. Auf KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) kann diese Tatsache abschreckend wirken, wenn man nur den dadurch immens gestiegenen Wettbewerb betrachtet. Dabei sind typische KMUs dem unionsweiten Wettbewerb i.d.R. gar nicht unmittelbar ausgesetzt, weil es sich dabei zumeist um den Einzelhändler um die Ecke oder den Dienstleister von nebenan handelt. So erlebe ich es zumindest auch, seitdem ich mich mit einem eigenen Consulting-Unternehmen selbstständig gemacht habe.

Kurz zusammengefasst kann man aber die folgenden zwei Chancen festhalten: Generell können alle KMUs sich dank des Binnenmarkts leichter im EU-Ausland nach Lieferanten umschauen und ihren Einkauf dank fehlender Einfuhrbeschränkungen optimieren. Außerdem ergeben sich über die zahlreichen Fördertöpfe der EU für eine Vielzahl von KMUs ungeahnte Fördermöglichkeiten. Diese beziehen sie dann meistens über die örtliche Wirtschaftsförderung.

Wenn Du an der EU eine Sache ändern könntest, wäre dies …

… die Art, wie über europäische Entscheidungen berichtet wird. Ist eine EU-Entscheidung leicht zu einem populistischen Hetz-Köder hochzustilisieren, so heißt es, „Brüssel“ habe Mist gebaut. Wird jedoch eine allgemein und spektrenübergreifende, als sinnvoll und hilfreich erachtete Entscheidung gefällt, so brüsten sich oft die Nationalstaaten mit ihrem persönlichen Engagement in dieser Sache und mit ihrer Unentbehrlichkeit für die letztliche Ausgestaltung der Entscheidung. Das fördert natürlich Schwarz-Weiß-Malerei in den Köpfen der Leute.

Vielen Dank für das Gespräch!

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